Morgenpost

Vor Regierungsantritt – Zusatz-Steuer durch die Hintertür

Wenn der digitale Amtsschimmel die Euros frisst: Warum Online-Meldeauskünfte plötzlich fast viermal so teuer sind.

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Wollten Sie schon immer einmal mithelfen, ein Budgetloch zu stopfen? Dann machen Sie doch einfach eine Online-Abfrage aus dem Zentralen Melderegister. Seit ein paar Wochen bietet Ihnen der Staat hier eine willkommene Möglichkeit: Sie können ordentlich einzahlen, müssen aber keine Sorge haben, der öffentlichen Hand auch nur annähernd entsprechende Kosten zu verursachen. Dafür können Sie erste Reihe fußfrei zusehen, wie der digitale Amtsschimmel Ihre Euros frisst.

Auskünfte aus dem Melderegister braucht man als Bürgerin und Bürger hin und wieder. Früher musste man dafür aufs Meldeamt pilgern, seit Jahren geht das aber auch online. Mittels Bürgerkarten-Login („ID Austria“) kann man auf ein Internetportal zugreifen. Dort tippt man den Namen der gesuchten Person und deren Geburtsdatum ein und erhält vollautomatisch innerhalb von Sekunden einen elektronischen Auszug, auf dem der aktuell gemeldete Hauptwohnsitz vermerkt ist. Zwischengeschaltet ist freilich noch eine Kreditkarten-Bezahlschranke: Bevor der Computer das Ergebnis ausspuckt, ist eine Verwaltungsabgabe von 3,30 Euro zu entrichten. So war es zumindest bis Anfang Jänner 2025. Dann hat sich der Preis – quasi wie von Geisterhand – jedoch fast vervierfacht.

Vorher … nachher

Der Autor dieser Morgenpost führte selbst am 8. Jänner eine Abfrage um 3,30 Euro durch. Einen Monat später, am 11. Februar 2025 wurden dann bei einer weiteren Abfrage plötzlich 11,90 fällig. Zusätzlich zur Verwaltungsabgabe wird nun auf einmal auch noch eine „Eingabengebühr“ von 8,60 verrechnet. Dafür, dass man selbst etwas in eine Online-Maske eingeben muss und dann vollautomatisch vom Computer eine Adresse ausgespuckt bekommt, ist das dann doch überraschend viel. Da kann schon der Verdacht aufkommen, dass in Zeiten knapper Budgets die hochgelobte Digitalisierung der Verwaltung als Körberlgelddruckei herhalten muss.

profil fragte also nach – und erhielt aus dem Finanzministerium einen etwas kryptischen Verweis auf das Gebührengesetz. Kryptisch deshalb, weil die relevanten Gesetzespassagen darin seit Jahren in Kraft sind. Die plötzliche Veränderung vor ein paar Wochen erklärt sich daraus eher nicht. Trotzdem lohnt sich ein Blick in den Gesetzestext – eine wahres Kleinod altösterreichischer Legistikkunst:

„Unter Papier ist jeder zur Ausfertigung stempelpflichtiger Schriften bestimmte oder verwendete Stoff zu verstehen“, heißt es zum Beispiel im Paragraph 5 des Gebührengesetzes von 1957. Alleine dieser Satz hat eine existenzielle Tiefe, die allemal 8,60 Euro wert ist. Was man nicht im Gesetzestext findet, ist allerdings das vergleichsweise simple Wort „Meldeauskunft“.

Anträge direkt am Amt billiger als online

Laut Angaben aus dem Finanzministerium stützt man dort die neu dazugekommene „Eingabengebühr“ auf einen sehr allgemeinen Passus im Gesetz. Dieser legt fest, dass schriftliche Eingaben „an Organe der Gebietskörperschaften in Angelegenheiten ihres öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises, die die Privatinteressen des Einschreiters betreffen“ einer festen Gebühr von 14,30 Euro unterliegen. 2016 wurde diese Gebühr gnadenhalber auf 8,60 Euro reduziert, sofern die „Eingabe“ per „ID Austria“ erfolgt. Die Reduktion sei erfolgt, „um die Digitalisierung der Verwaltung zu fördern“.

Die Digitalisierung der Verwaltung fördern? Bis vor wenigen Wochen wurde dieses Gesetz ganz offensichtlich nicht auf Meldeauskünfte angewendet. Man musste weder die 14,30 Euro, noch die 8,60 Euro bezahlen. Dass sich jetzt plötzlich der Preis vervielfacht hat, wird sich wohl nicht besonders förderlich auf die Nutzungsbereitschaft auswirken. In der Praxis kommt es jetzt nämlich zu folgender paradoxen Situation: Wer den Namen und das Geburtsdatum selbst in die Online-Abfragemaske eintippt, muss 11,90 Euro blechen. Wer aufs Meldeamt geht und dort einem Mitarbeiter die Daten ansagt, damit dieser sie dann in den Computer eingibt und den Auszug ausdruckt, zahlt hingegen nur 3,30 Euro. Die zusätzlichen 8,60 Euro gelten nämlich bei mündlichen Anträgen nicht: „diese fallen nicht in den Anwendungsbereich des Gebührengesetzes und können daher auch keiner Gebühr nach dem Gebührengesetz unterliegen“, erklärt das Finanzministerium. Entwaffnend logisch.

profil wollte wissen, wie hoch eigentlich die effektiven Kosten sind, die auf Seiten des Bundes für die Erteilung einer Online-Meldeauskunft anfallen. Offenbar ein grundlegendes Missverständnis: Während die Verwaltungsabgabe von 3,30 Euro den Aufwand der Behörde abdecken soll, handele es sich bei den 8,60 Euro, „nicht um Aufwandsgebühren, sondern um Steuern“, lässt das Finanzministerium wissen: „Der Arbeitsaufwand oder die Kosten der Behörden haben daher keine Auswirkungen auf eine Gebührenpflicht oder die Höhe der Gebühr. Auch ein vollautomatischer Online-Prozess ändert daher nichts an einer etwaigen Gebührenpflicht.“ Warum auch? Da könnte ja jeder kommen!

Im Kreis geschickt

Offen blieb die Frage, wie hoch die Einnahmen des Bundes aus Online-Meldeauskünften in den vergangenen Jahren waren – und wie hoch die Einnahmen sind, die man heuer erwartet. Die Höhe der Gebühren sei für das Finanzministerium nicht feststellbar, da diese vom – für die Abwicklung zuständigen – Innenministerium gesammelt überwiesen würden, heißt es aus dem Finanzministerium. Das Innenministerium wiederum verwies profil mit seiner Anfrage ans Finanzministerium, da dieses die Änderung der Gebührenstruktur veranlasst habe. Auf die konkrete, neuerliche Nachfrage, wer diese Änderung aus welchem Grund entschieden habe, teilte wiederum das Finanzministerium mit: „Dafür ist das BMI zuständig.“ Ein toter Punkt für die Recherche – nicht, dass auch noch eine Journalisten-im-Kreis-schicken-Abgabe in unbekannter Höhe anfällt.

Zusammengefasst heißt das: Im Finanzministerium, im Innenministerium oder wo auch immer hat man – gerade noch rechtzeitig vor dem Antritt der neuen Regierung – durch die Hintertür eine Art Zusatz-Steuer eingeführt, indem man eine bestehende Steuer augenscheinlich auf einen neuen Sachverhalt ausgeweitet hat. Der neue SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer muss sich keine Sorgen machen: Einnahmenseitige Budgetmaßnahmen beherrscht der Bund aus dem Effeff. Dass dabei die Digitalisierung der Verwaltung ad absurdum geführt wird, nimmt man offenbar in Kauf.

Damit wäre es also wohl am Gesetzgeber, die Preise für vollautomatisierte Leistungen auf ein angemessenes Niveau zu senken. Es ist ja nicht so, dass das strenge Gebührengesetz keine Ausnahmen kennen würde. Zum Beispiel von Gebühren befreit: Armutszeugnisse.

Stefan Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ). 2022 wurde er mit dem Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis ausgezeichnet.