Australia's Rachael Gunn, known as Raygun competes in the Women's Breaking dance Round robin of the Paris 2024 Olympic Games at La Concorde in Paris, on August 9, 2024. (Photo by Odd ANDERSEN / AFP)
Morgenpost

Lasst sie doch einfach breaken!

Von Terror und Tanzeinlagen: Alle gegen eine. Einer gegen alle. Warum nur muss es immer so enden?

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Das Wort „Tragikomödie“ will den Eindruck erwecken, als sei die Welt ein großes Irren-Freuden-Haus, in dem die Menschenkinder spielen und toben. Oft derart, dass sie gar nicht mehr wissen, wie ihnen geschieht. Es bleibt also bis auf Weiteres dabei: Katastrophen finden neben Komödien statt, und täglich winkt die Posse der Tragödie zu. Besonders anschaulich wird der Galopp dieser ewig verschärften Gegensätze stets dann, wenn Einzelne sich auf die Weltbühne verirren, Drama und Farce unnachgiebig ihren Lauf nehmen, bevorzugt in folgender Ausgangsstellung: Einer beziehungsweise eine gegen alle – und vice versa. 

Vergangenes Wochenende soll ein 19-Jähriger, der zuvor dem IS die Treue geschworen hatte, einen islamistischen Anschlag auf die Taylor-Swift-Konzerte in Wien geplant haben, die daraufhin abgesagt wurden. Bei einem Polizeigroßeinsatz waren im niederösterreichischen Ternitz laut Zeitungsmeldungen ein hochexplosiver Stoff, eine Machete und Messer sowie IS-Propaganda gefunden worden. Laut Polizei hatte der Mann in einer ersten Vernehmung zunächst vollumfänglich gestanden – kürzlich widerrief er offenbar sein Geständnis. Das ist die eine Seite von Terror und Zerstörungswahn, polizeilicher und juristischer Aufarbeitung. Die andere: Ein Einzelner mit Anschlagsplänen voller Verachtung und  Niedertracht verdirbt 180.000 im Ernst-Happel-Stadion erwarteten Swifties den Spaß ihres Lebens. Keine Frage: Es waren trübe Tage für uns alle. Wir alle haben es einem Religionsfanatiker aus Ternitz zu verdanken, dass der August 2024 voller Wirrnisse und Düsternis ist. Es ist im Hochsommer wieder ein wenig kälter geworden. 

Umgekehrt reagieren die Vielen bisweilen unerbittlich auf eine Einzelne, in diesem Fall auf die australische Athletin Rachael Gunn aka Raygun und ihre Performance in der Sporttanzdisziplin Breaking bei den soeben zu Ende gegangenen Olympischen Spielen in Paris. Raygun erhielt bei ihren drei Auftritten jeweils null von 56 möglichen Punkten. In den sozialen Medien schlugen darauf Häme und Spott in beträchtlichen Wellen über der 36-Jährigen zusammen. Mein Gott, ließe sich einwenden: Es war doch nur Breaking, lasst Gunn doch tanzen! Bei den nächsten Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles steht die Disziplin ohnehin nicht mehr auf dem Programm. Gunn selbst erwiderte das große Gegeneinander immerhin mit Worten voller Schwermut und Weisheit: „Beim Breaking geht es vor allem um Positivität. Wir richten einander auf. Ich weiß, dass es für die Leute auf X schwer ist, eine Welt zu verstehen, in der man nicht versucht, einander herunterzumachen. Aber es ist traurig zu sehen, wie viele Leute versuchen, über das Set von jemandem zu lachen, unabhängig davon, wie beeindruckend es sein mag.“ Break on!

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.