Tim Walz (l) und Kamala Harris (r).
Morgenpost

Tim Walz, Erfinder einer Beleidigung und Vizepräsidentschaftskandidat

Die Personenschutz-Abteilung des Secret Service, Untergruppe „Candidate Nominee Operations Section“, hat seit gestern einen neuen Auftrag: Timothy James Walz, 60, Gouverneur des Bundesstaates Minnesota, wurde von der Präsidentschaftskandidatin der Demokraten Kamala Harris als Vizepräsidentschaftskandidat ausgewählt.

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Wie aufregend ist diese Entscheidung? Nun ja, kurzfristig durchaus ein wenig, mittelfristig kaum. Die Wahl des „Running Mates“ wird traditionell als bedeutsame politische Weichenstellung interpretiert, schließlich treten die Präsidentschaftskandidaten jeweils als Duo an. Tatsächlich aber folgt auf den Paukenschlag der Ernennung der vorgezeichnete Weg in ein Schattendasein.

Tim Walz also. Falls Sie, was nicht verwunderlich wäre, noch nie von ihm gehört haben, kennen Sie ihn vielleicht dennoch als Urheber einer – maßvollen – Beleidigung, die Walz kürzlich den Republikanern zugedacht hat: Unter ihnen fänden sich Leute, die „weird“ (seltsam) seien. Der Begriff wurde von mehreren Demokraten und auch Kamala Harris dankbar aufgegriffen. Trump und dessen Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance gelten seither im Wahlkampfsprech der Demokraten als „weird“.

Und sonst? Walz gilt als Konsens-Figur. Er vertrat vormals als Kongressabgeordneter einen ländlichen Bezirk Minnesotas und ist Mitglied der „Demokratischen Bauern- und Arbeiterpartei“, deren Name zu Unrecht ein wenig an die DDR erinnert, tatsächlich handelt es sich um eine eigenständige Partei, die nationalstaatlich der Demokratischen Partei angeschlossen ist. Trotz des eher konservativen Umfelds können sich auch die progressiven Kräfte für Walz erwärmen, weil er sich als Gouverneur etwa für Gratis-Mahlzeiten in Schulen eingesetzt hat. Als ihm das kürzlich in einem TV-Interview auf CNN als möglicher Beleg für allzu „linke“ Politik vorgehalten wurde, antwortete Walz ironisch: „Was für ein Monster! Kinder können sich satt essen, ehe sie wieder lernen gehen!“

Weiß, männlich, moderat – das war allem Anschein nach das Anforderungsprofil bei der Kandidatenauswahl, denn auch die anderen in Frage kommenden Personen entsprachen diesen Kriterien. Kann Walz‘ Kandidatur wahlentscheidend sein? Minnesota ist kein so genannter Swing State, ein Sieg der Demokraten gilt dort als sehr wahrscheinlich. Aber Walz soll wohl Wählerschichten ansprechen, die mit einem älteren, weißen Mann besser klarkommen als mit einer schwarzen Frau. Solche wahltaktischen Überlegungen werden gern gewälzt, deren Stichhaltigkeit ist aber schwer zu belegen.

Harris und Trump liegen in Umfragen derzeit in etwa gleichauf. Das Match wird zwischen ihnen entschieden, die Vizekandidaten bleiben Nebendarsteller. Aber wann immer Harris ihren Kontrahenten „weird“ nennt, weiß Tim Walz, dass er einen Teil seines Jobs schon erfüllt hat.

Robert   Treichler

Robert Treichler

Ressortleitung Ausland, stellvertretender Chefredakteur