Kamala Harris und Donald Trump
US-Wahl

„In Springfield essen sie Hunde“: Vier Lehren aus der Debatte Trump vs. Harris

Das TV-Duell zwischen Kamala Harris und Donald Trump war ein Konglomerat aus alten und neuen Lügen, im Zentrum stand der Kulturkampf. Harris konnte argumentativ überzeugen, hat aber auch einige Chancen verpasst.

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Eine weltberühmte Stimme hat Kamala Harris nach der Debatte gegen Donald Trump am Dienstagabend (Ortszeit) jedenfalls hinter sich: Taylor Swift, Amerikas einflussreichster Popstar, ließ ihr Millionenpublikum nach dem Fernseh-Duell wissen, wo sie im Wahlkampf steht: „Ich werde bei der Präsidentschaftswahl 2024 für Kamala Harris und Tim Walz stimmen“, postete Swift nach dem Ende der TV-Konfrontation auf der Plattform Instagram.

Beigestellt ist dem Testimonial ein Foto von Swift mit einer ihrer drei Katzen, gezeichnet ist es mit den Worten „in Liebe und Hoffnung, Taylor Swift, kinderlose Katzenfrau“. Der Begriff „Childless Cat Lady“ ist im Wahlkampf zum geflügelten Wort geworden, weil sich J. D. Vance, der republikanische Anwärter auf das Vizepräsidentenamt, abfällig über „kinderlose Katzenfrauen“ geäußert hatte.

Swifts Unterstützung könnte den Demokraten in den kommenden Wochen noch nützen. Und auch sonst war die Debatte für Kamala Harris ein Erfolg – zumindest über weite Strecken.

Trumps Lügen: Choose your battle

Eines ist schon lange klar, und es hat sich auch in der TV-Debatte am Dienstagabend wieder gezeigt: Donald Trump ist ein notorischer Lügner, der nicht nach den herkömmlichen Regeln der Politik spielt.

In der Debatte gegen Harris verbreitete er einmal mehr Verschwörungstheorien, sprang zusammenhanglos von einem Thema zum nächsten, und tat alles, um seiner Basis zu gefallen. Er lobte Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán, beschimpfte Harris als Marxistin, machte die Demokraten für das Schussattentat auf ihn verantwortlich und verweigerte eine Antwort auf die Frage, ob die Ukraine den Krieg gewinnen sollte.

Zu den abstrusesten Lügen am Dienstagabend gehörte eine Behauptung in Zusammenhang mit dem Thema Abtreibung: In Amerika würden Ärzte mitunter Babys nach der Geburt exekutieren.

Bizarr war auch die Behauptung, wonach kriminelle Migranten in den USA Haustiere verspeisen würden. „In Springfield (Ohio, Anm.) essen die, die kommen, Hunde und Katzen“, so Trump empört. Zuvor hatte sich auf Sozialen Medien das Gerücht verbreitet, ein Migrant aus Haiti habe eine Katze getötet und gegessen. Dafür gibt es zwar keinerlei Hinweise, und die städtischen Behörden haben das Gerücht längst widerlegt, doch von Fakten hat sich Trump noch nie stören lassen.

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Das Erfinden und Verbreiten von Lügen, die in seine Agenda passen, gehören schon lange zu Trumps politischer Strategie. Bei Debatten im Fernsehen bräuchte es ein eigenes Team, um seine Aussagen zu überprüfen. Doch ein Faktencheck durch die Moderatoren fand auch diesmal nur in Einzelfällen statt – und Trumps Gegenüber, in diesem Fall Harris, kann unmöglich auf alle seine Behauptungen eingehen.

Harris' Stärken und verpasste Chancen

Einige Male gelang es aber durchaus, Trumps Lügen zu enttarnen. Als er behauptete, dass die Kriminalität unter Joe Bidens Präsidentschaft gestiegen wäre, stellte der Moderator klar, dass das Gegenteil der Fall sei. Und Harris legte nach: Es sei schon recht anmaßend von einem verurteilten Straftäter, den Umgang der Regierung mit Kriminalität anzuprangern.

Punkten konnte Harris auch beim Thema Schwangerschaftsabbrüche. Anders als Trump, der seine Positionen dazu in den vergangenen Jahren immer wieder geändert hat, wirkt sie beim Thema Abtreibungen besonders souverän.

Ihre argumentative Stärke bewies die ehemalige Staatsanwältin auch im Streit über den Krieg in der Ukraine, den Umgang mit Russland, den Nahostkonflikt und den Sturm auf das Kapitol in Washington durch Anhänger Trumps am 6. Jänner 2021.

„Ich will Präsidentin aller Amerikaner sein“, sagte Harris gegen Ende des Duells versöhnlich, und: „Lasst uns nicht zurückkehren“. Gemeint ist eine zweite Amtszeit Trumps, die verhindert werden solle. Harris bemühte sich, den Blick nach vorn zu richten und die Spaltung zu überwinden; Trump sprach viel von der Vergangenheit und goss weiter Öl ins Feuer der Polarisierung.

Doch zur Realität der amerikanischen Politik gehört auch, dass Trump und Harris nach unterschiedlichen Maßstäben beurteilt werden.

Für ihn ging es in der Debatte darum, nicht ins totale Fiasko zu schlittern; das Ziel war, Harris mit dem notorisch unbeliebten Biden gleichzusetzen. Das ist Trump zumindest teilweise gelungen. „Sie treten nicht gegen Joe Biden an, sondern gegen mich“, sagte Harris zu Trump. Doch seinen Tiraden über die vermeintlich schlechte Wirtschaftspolitik Bidens und die hohe Inflation unter seiner Präsidentschaft hielt sie wenig entgegen.

Für Harris war die Konfrontation eine Chance, sich als souverän und staatstragend zu präsentieren, und den Menschen zu zeigen, wer sie wirklich ist. Noch vor wenigen Wochen wussten 30 Prozent der Amerikaner nicht, wer Harris überhaupt ist. Nach der Debatte kennt man sie nicht wirklich besser. Harris hat wenig über ihre eigenen Inhalte und Pläne gesprochen. Auf die Frage nach ihren Meinungsänderungen etwa zu Fracking oder der Dekriminalisierung von illegalen Grenzübertritten im Süden des Landes stellte sie lediglich klar, dass sie Fracking nicht verbieten würde. Danach ging sie wieder zum Gegenangriff auf Trump über.

Laut einer Umfrage des Fernsehsenders CNN schnitt Harris dennoch besser ab als Trump. Rund 45 Prozent der Befragten äußern sich positiv über Harris; bei Trump sind es 39 Prozent. Umgekehrt stehen 44 Prozent Harris nicht wohlwollend gegenüber, 51 Prozent gaben Trump eine negative Bewertung. 

Körpersprache: Stirnrunzeln und finstere Miene

Ausschlaggebend bei Fernsehduellen wie der Debatte Trump vs. Harris ist nicht nur der Inhalt. Wer sich die Bilder ohne Ton ansieht, bemerkt schnell grobe Unterschiede in der Körpersprache der beiden Kontrahenten.

Während Trump sprach, sah Harris zu ihm hinüber, lachte (etwa bei der Behauptung mit den verspeisten Haustieren), hob ungläubig die Augenbrauen, schürzte spöttisch die Lippen. Umgekehrt blickte Trump stur geradeaus und lauschte Trump Harris' Erörterungen mit finsterer, kaum bewegter Miene.

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Sichtbar zornig wurde er, als Harris die Wahlniederlage Trumps gegen Biden im Jahr 2020 als den Moment bezeichnete, in dem er „von 81 Millionen Wählern gefeuert wurde“. Seiner Wut machte Trump Luft, indem er die Stimme erhob. Das ist Harris nicht passiert.

Am Ende bleibt der Eindruck einer selbstbewussten und souveränen Harris und eines grantigen und zornigen Trump. Harris‘ Ziel war es, cool und überlegen zu wirken, dafür hatte sie mit ihrem Team (ein Mitarbeiter soll sich sogar als Trump verkleidet haben) tagelang trainiert – mit Erfolg. Trump hingegen ließ sich mehr als einmal von Harris aus der Fassung bringen.

Polarisierung 2.0: Mobilisierung der Unpolitischen

Eines der wichtigsten Ziele von Fernsehduellen ist es, Unentschlossene zu überzeugen. Doch von ihnen gibt es im polarisierten Amerika immer weniger. Die Zahl der sogenannten Independents, also jener Wählerinnen und Wähler, die sich keiner Partei zugehörig fühlen und wechselnd republikanisch oder demokratisch wählen, ist in den vergangenen Jahren deutlich geschrumpft. Das hat dazu geführt, dass sich die Parteien vermehrt auf ihre jeweilige Basis konzentrieren – und sich inhaltlich immer weiter voneinander entfernen.

Mehr noch als die Independents könnte eine Gruppe in den kommenden Wochen an Relevanz gewinnen: Die Uninteressierten, Unpolitischen – also jene, die nicht planen, überhaupt wählen zu gehen. Die jungen Leute unter ihnen hat nun womöglich Taylor Swift mobilisiert. Sollte sie auch nur einen Bruchteil ihrer Millionen Anhängerinnen (Swift hat allein auf Instagram 283 Millionen Follower) überzeugt haben, sich mit den Wahlen zu befassen, könnten diese Stimmen durchaus etwas bewegen.

Voraussetzung dafür ist, dass die „Swift Army“ auf den Sozialen Medien ausschwärmt, um Stimmung für Harris zu machen. Nötig wäre das vor allem in Swing States, die Harris gewinnen muss, um Trump zu schlagen. Zum Beispiel in Pennsylvania, jenem Bundesstaat, aus dem Swift ursprünglich stammt – und in dem Harris demnächst einen Wahlkampfstopp einlegen wird.

Siobhán Geets

Siobhán Geets

ist seit 2020 im Außenpolitik-Ressort.