Der Trump-Crash
Es ist ein Ranking, in das man es erst einmal schaffen muss: US-Präsident Donald Trump ist offiziell drittgrößter Börsenschreck seit Beginn der entsprechenden Aufzeichnungen im Jahr 1990.
Während Trump mit seinen Zoll-Ankündigungen die Aktienkurse weltweit auf Talfahrt schickte, stieg ein ganz bestimmter Marktindikator in den vergangenen Tagen in lichte Höhen: der Volatilitäts-Index („VIX“) der Optionsbörse von Chicago (CBOE), den es seit 35 Jahren gibt. Der „VIX“ errechnet sich aus den Preisen von Finanzoptionen auf wichtige US-Aktien und zeigt an, wie groß erwartete Schwankungen ausfallen. Je höher der Index-Wert, umso größer die Volatilität. Je größer die Volatilität, umso weniger können Investoren abschätzen, worauf sie sich einstellen müssen. Umgangssprachlich heißt der „VIX“ daher auch „Angst-Index“.
Die Trump-Angst
Aktuell lässt sich sagen: Die Angst ist extrem groß. Gestern, Montag, knackte der Index den Wert von 60. Abgesehen von einem wohl technisch bedingten Ausreißer im August 2024 wurde diese Marke bisher nur zweimal übertroffen: als die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Herbst 2008 die ganze Welt in eine tiefe Finanzkrise stürzte und als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie mit voller Kraft zuschlug.
Montagfrüh herrschte praktisch überall an den Aktienmärkten das gleiche Bild: der ATX – minus 7,42 Prozent; der DAX – minus 7,3 Prozent; der Euro-Stoxx-50 – minus 6,3 Prozent; der Nikkei-225 – minus 7,8 Prozent; der Dow-Jones-Industrial – minus 3,77 Prozent; der S&P-500 – minus 3,95 Prozent; der Nasdaq-Composite – minus 4,21 Prozent. Verluste, die nicht für sich alleine standen, sondern die Fortsetzung einer ohnehin schon blutroten Vorwoche bedeuteten.
Wild-West-Manier
Anders als bei Corona muss man beim Trump-Crash nicht lange nach dem Ursprung suchen. Das Contact-Tracing führt direkt in den Rosengarten des Weißen Hauses in Washington, in dem der US-Präsident am vergangenen Mittwoch in einer bizarren Ansprache massive Zölle gegen zahlreiche Handelspartner der Vereinigten Staaten ankündigte. Ein Basis-Zoll von zehn Prozent ist mittlerweile in Kraft getreten. Teils enorme, individuell auf einzelne Ursprungsländer zugeschnittene Zusatzzölle sollen ab morgen, Mittwoch, gelten.
Trump stellt die USA als Opfer unfairer Handelspraktiken dar. Im Endeffekt versucht er jedoch, in Wild-West-Manier Außenhandelsdefizite mit bestimmten Ländern zu reduzieren. Solche Defizite entstehen, wenn ein Staat mehr importiert als er exportiert. Für Trump offenbar eine unerträgliche Schmach. „Hunderte von Milliarden Dollar gehen jedes Jahr mit China verloren“, meint der US-Präsident. Und in Richtung Europa: Die EU sei nur gegründet worden, „um die Vereinigten Staaten abzuzocken“.
Trump: Andere Länder sollen zahlen
Was die US-Wirtschaft aus ihrem Eigenen heraus nicht leisten kann, soll also auf Raubritter-Art korrigiert werden. Potenziell verhandlungswilligen Politikern aus Europa und Asien gab Trump folgendes mit auf den Weg: „Es gibt keine Gespräche, wenn sie uns nicht jedes Jahr eine Menge Geld zahlen.“
Gestern, Montag, berieten die Handelsminister der 27 EU-Staaten bei einem Treffen in Luxemburg wie Europa mit der Situation umgehen soll. Die EU könnte natürlich ihrerseits Waren aus den USA mit höheren Zöllen belegen. Darüber soll am Mittwoch abgestimmt werden, erste Gegenzölle könnten dann am 15. April in Kraft treten. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erneuerte am Montag jedoch gleichzeitig ein Friedensangebot an die USA: die Aufhebung aller gegenseitigen Zölle auf Industriegüter. Kurioserweise plädierte zuletzt auch Trumps exzentrischer Chef-Berater Elon Musk für eine Freihandelszone zwischen Nordamerika und Europa.
Unübersichtlich und erratisch
Mit anderen Worten: Die Situation ist völlig unübersichtlich und erratisch. Niemand weiß, was wann tatsächlich in Kraft tritt. Trump agiert nach dem Prinzip, zunächst für den größtmöglichen Aufruhr zu sorgen, um dann aus dem Chaos heraus möglicherweise einen guten Deal zu erreichen. Das ist nicht nur für die Börsen Gift, sondern auch für die Realwirtschaft, in der Vertrauen und Planbarkeit an oberster Stelle stehen.
Vertrauen und Planbarkeit: Die USA unter Trump haben aus taktischen Gründen beides aufs Spiel gesetzt. Kaum etwas bildet das in Echtzeit besser ab als der „VIX“-Index. Und wer weiß, was noch alles kommt? Trump gilt üblicherweise nicht als jemand, der sich mit Platz drei zufrieden gibt.