Trumps Begnadigungen: Freiheit für rechtsextreme Rädelsführer
Donald Trump war noch keine zwei Stunden angelobt, da unterzeichnete er schon die ersten Präsidialverfügungen. Damit kann er am Kongress vorbei Gesetzesvorhaben durchboxen – oder Begnadigungen aussprechen. Auf diese Weise verfügte Trump am Montag in Washington die Freilassung der Kapitolstürmer.
Aufgehetzt von Trumps Behauptung, Joe Biden habe ihm bei den Wahlen von 2020 den Sieg gestohlen, stürmte am 6. Jänner 2021 ein gewalttätiger Mob das Kapitol in Washington. Dort sollte der Kongress den Sieg Bidens formal bestätigen. Fünf Menschen kamen bei dem Ansturm auf den Parlamentssitz ums Leben, zahlreiche weitere wurden verletzt, und vier Polizisten begingen in den Wochen danach Suizid.
In einer groß angelegten juristischen Aufarbeitung der Krawalle wurden Hunderte Menschen verurteilt, die Rädelsführer fassten teils hohe Haftstrafen aus. Doch für Trump sind die Protagonisten des Ansturms Helden, die „nichts falsch gemacht haben“. In Anspielung auf das Datum spricht Trump von „J6-Geiseln“.
Rund 1500 Verurteilte kommen nun frei, darunter Mitglieder der rechtsradikalen Milizen „Proud Boys“ und „Oath Keepers“, denen besonders schwere Verbrechen zur Last gelegt werden. Unter den Begnadigten sind auch die Drahtzieher der Krawalle Enrique Tarrio und Stewart Rhodes.
„Wie ein General auf dem Schlachtfeld“
Der ehemalige Anführer der „Proud Boys“ Tarrio (42) war schon beim Aufmarsch von Neonazis in Charlottesville im Jahr 2017 dabei. Eine Frau wurde getötet und zahlreiche Menschen verletzt, als ein Neonazi mit seinem Auto in eine Gegendemonstration raste. Trump, auch damals Präsident, sprach von „einigen sehr feinen Menschen auf beiden Seiten“.
Beim Sturm auf das Kapitol war Tarrio zwar nicht vor Ort – ein Richter hatte ihn wenige Tage zuvor aus der Stadt verwiesen, nachdem er eine vorwiegend von Schwarzen besuchte Kirche beschädigt hatte –, agierte aber als Drahtzieher im Hintergrund. Wegen „aufrührerischer Verschwörung“ wurde er zu 22 Jahren Haft verurteilt, nun kam er frei. Am Dienstag wurde Tarrios Rückkehr in seine Heimatstadt Miami erwartet.
„Wie ein General auf dem Schlachtfeld“ war hingegen laut Anklage Stewart Rhodes am 6. Jänner aufgetreten. Vor dem Sturm auf das Kapitol hatte der 59-Jährige Waffen und Ausrüstung gekauft und in einem Hotel in der Nähe von Washington gelagert. Die Staatsanwaltschaft warf dem Gründer der „Oath Keepers“ vor, eine bewaffnete Rebellion gegen die Regierung geplant zu haben. Im Prozess bezeichnete sich der ehemalige Fallschirmspringer und Jus-Absolvent der Elite-Uni Yale, der stets mit Augenklappe auftritt, als „politischen Gefangenen“.
Rhodes wurde ebenfalls wegen „aufrührerischer Verschwörung“ verurteilt, Strafmaß: 18 Jahre.
Recht ist, was Trump für Recht hält
Unter den Demokraten sorgten Trumps Begnadigungen für Entsetzen. Die ehemalige Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi sprach von einer „ungeheuerlichen Beleidigung für das Justizsystem“.
Doch die Begnadigungen kommen alles andere als überraschend. Donald Trump behauptet nach wie vor, dass ihm 2020 der Wahlsieg gestohlen wurde, so auch am Montag bei seiner zweiten, inoffiziellen Angelobungsrede vor rund 1200 Ehrengästen. In der Verschwörungserzählung Trumps sind die Aufwiegler des Mobs vom 6. Jänner mutige Widerstandskämpfer, die versuchten, eine rechtswidrige Amtsübernahme im letzten Moment zu verhindern. Er habe lediglich jene aufhalten wollen, die das Land zerstören wollten, sagte Rhodes vor der Verkündung des Strafmaßes im vergangenen Herbst.
Die Beweislage – es gibt keinerlei Hinweise auf Betrug bei den Wahlen von 2020 – und die strafrechtlichen Verurteilungen jener, die am 6. Jänner 2021 zu Gewalt aufriefen oder tatsächlich auf Sicherheitskräfte losgingen, spielen für den 47. Präsidenten der USA keine Rolle.
Recht ist, was Trump für Recht hält.
Und die Republikaner? Sie haben sich Trump weitgehend unterworfen. Seiner Lüge vom Wahlbetrug widerspricht parteiintern kaum noch jemand. Und den Sturm auf das Kapitol bezeichneten die Republikaner bereits 2022 in einer Resolution als „legitime politische Meinungsäußerung“ – hervorgebracht durch „einfache Bürger“.