Bidens letzter Akt
Am vergangenen Sonntagabend ruinierte Joseph Robinette Biden Jr., 46. Präsident der Vereinigten Staaten, sowohl sein Vermächtnis als aufrechter, prinzipientreuer Politiker, als auch den Ruf seiner Demokratischen Partei als Hüterin der rechtsstaatlichen Institutionen. Er benötigte dafür bloß ein einziges Statement, das auf der Webseite des Weißen Hauses veröffentlicht wurde. Der erste Satz darin lautet: „Heute unterzeichne ich die Begnadigung meines Sohnes Hunter.“
Hunter Biden, 54, war in zwei Strafverfahren schuldig gesprochen worden und erwartete die Verkündung des Strafausmaßes durch die Gerichte. Er hatte gegen das Waffengesetz verstoßen, weil er beim Kauf einer Waffe im Jahr 2018 nicht angegeben hatte, dass er zu diesem Zeitpunkt Drogenkonsument war. Weiters hatte er Steuergesetze verletzt. Politiker der Republikanischen Partei machten aus den minder schweren Delikten dank befreundeter, sensationsgieriger Medien eine Staatsaffäre und versuchten jahrelang, Hunters Taten mit seinem Vater Joe Biden in Verbindung zu bringen. Letzteres misslang.
Joe Biden argumentiert, dass sein Sohn von der Justiz niemals so hart beurteilt worden wäre, wenn er nicht der Sohn des Präsidenten wäre, und er deutet an, dass ein bereits ausverhandelter Vergleich mit der Staatsanwaltschaft auf politischen Druck geplatzt sei.
Biden bricht erstens sein Versprechen, sein Privileg als US-Präsident, Begnadigungen auszusprechen, niemals zugunsten seines Sohnes anzuwenden. Zweitens folgt aus seinem Statement, dass er die US-Justiz für politisch manipulierbar erachtet. Das ist ein gefundenes Fressen für Bidens Nachfolger Donald Trump, der seit Jahren genau das behauptet. Der designierte Präsident bezeichnet alle Verfahren gegen seine Person und auch die Strafverfolgung gegen die Täter des Sturms auf den Kongress am 6. Januar 2021 als „politische Hexenjagd“, für die er Rache üben will, sobald er wieder im Amt ist.
Joe Biden schreibt, er hoffe, „die Amerikaner werden verstehen, warum ein Vater und ein Präsident zu der Entscheidung kamen“, die er traf.
Emotional kann wahrscheinlich jeder Vater und jede Mutter nachvollziehen, dass man seinem gefallenen Kind mit allen Mitteln zu Hilfe kommt. Doch als Präsident hat Biden eine ungleich größere Verantwortung. Er darf die Justiz nicht dem Verdacht aussetzen, inkorrekt und politisch motiviert agiert zu haben. Am allerwenigsten darf er dies unmittelbar vor dem Amtsantritt eines Mannes tun, von dem alle Welt weiß, dass er praktisch keine Institution des Staates respektiert, und ganz sicher nicht die unabhängige Justiz.
Was Biden getan hat, lässt Trump und die Republikaner jubeln. Er hat ihnen die Rechtfertigung für all ihre kommenden unlauteren Eingriffe in die Justiz geliefert.