"Verdammt noch einmal - einfach illegal"
Manche Geschichten sind zu gut. Zu gut, um wahr zu sein. Die Start-Up-Welt ist voll von diesen Geschichten, bei denen oft PR wichtiger scheint als finanzielle Kennzahlen. Kluges Storytelling gehört zum Produkt ebenso dazu wie charismatische Gründer-Figuren - vorzugsweise im Rollkragenpulli.
Aktuelle Beispiele: Uber und Bitpanda. Beide Start-ups betreten den Markt als – wie es so schön heißt – disruptive Kräfte, wollen Transport- bzw. Finanzwirtschaft revolutionieren. Und wie zwei profil-Geschichten zeigen, agieren die Unternehmen dabei höchst fragwürdig.
Im Fall von Uber werden massives Lobbying und technische Tricks angewendet, um den Markteintritt in verschiedenen Ländern zu ermöglichen. Koste es was es wolle – finanziell, technisch und moralisch. Oder wie es eine Uber-Mitarbeiterin formuliert:
„Denke daran, dass nicht alles unter deiner Kontrolle ist und dass wir manchmal Probleme haben, weil wir - verdammt noch einmal - einfach illegal sind.“ Im englischen Originalton: „...remember that everything is not in your control, and that sometimes we have problems because, well, we're just fucking illegal.“
Ob legal oder nicht, das massive Lobbying, die Anwendung von technischen Tricks und politischen Einfluss machte sich Uber zu eigen um am europäischen Markt Fuß zu fassen. Millionen wurde für politisches Lobbying eingesetzt, um Gesetze zu beeinflussen. So schreibt man schon mal direkt an den damaligen französischen Wirtschaftsminister, einem gewissen Emmanuel Macron: „Könnten Sie Ihr Kabinett veranlassen, uns dabei zu helfen zu verstehen, was vorgeht?“ Macron antwortete am nächsten Morgen: „Ich werde mir das persönlich ansehen. Lassen Sie mir alle Fakten zukommen und wir werden diesen Abend entscheiden. Lassen Sie uns in diesem Stadium ruhig bleiben, ich vertraue Ihnen.“
profil – besser meine Kollegen Michael Nikbakhsh und Stefan Melichar – ist teil dieser investigativen Recherche – den Uber Files. Mehr als 180 Journalist:innen aus 29 Ländern werteten interne Dokumente unter der Führung des britischen Guardians aus. Den ersten Teil der Recherchen können Sie hier auf profil.at nachlesen.
Szenenwechsel nach Wien, genauer gesagt in das Viertel Zwei am Rande des Wiener Praters. Dort – wo auch die OMV ihren Sitz hat - residiert das heimischen Bitcoin-Start-up Bitpanda. Offiziell ist das Unternehmen mehr als drei Milliarden Dollar wert - im Start-up-Sprech also ein Unicorn – und wuchs in den letzten Jahren gewaltig. Bis vor wenigen Wochen zählte man mehr als 1000 Mitarbeiter:innen. Nun Radikalkur, der fallende Krypto-Markt setzt das Unternehmen – Mitarbeiter:innen wurden auch mit unbegrenztem Urlaub gelockt – unter Druck. Mehrere hundert Mitarbeiter:innen müssen das Unternehmen verlassen. Wie Michael Nikbakhsh in seiner Recherche zeigt, hat sich das Unternehmen im Wachstum verkalkuliert. Seinen Bericht “Gib dem Panda Zucker” über Bitpanda lesen Sie hier.
In der neuen Bitpanda-Zentrale sorgt ein hauseigener Barista für Kaffee, neue Mitarbeiter:innen wurden auf “Hypergrowth” eingeschworen und mit Merchandise versorgt. “Welcome Pandas”, hieß das im Konzern-Sprech. Nicht einfach ein Produkt will man anbieten, sondern gleich eine neue Welt. Für Kunden wie Mitarbeiter:innen.
Klingt zu gut. Scheint es auch zu sein.
Genießen Sie dennoch ihren Kaffee,
Sebastian Pumberger