Viktor Orbáns größter Fan
Bevor wir zum eigentlichen Thema kommen. Haben Sie das Foto von Sebastian Kurz in Budapest gesehen? Es zeigt ihn – vor einer österreichischen Flagge – beim Händedruck mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Kurz war privat zur Leichtathletik-Weltmeisterschaft angereist, wurde aber in Ungarn wie ein Staatsmann empfangen.
Darf Orbán das? Na klar. Er tut genau das seit Jahren.
Mekka für Rechte aus aller Welt
Ob Politiker oder Privatpersonen, die es noch (oder wieder) werden möchten. Budapest ist das neue Mekka für Rechtskonservative aus aller Welt. Sebastian Kurz gehört da noch zu den moderateren Gästen. Es begann mit Steve Bannon, Trumps ehemaligen Wahlkampfleiter, der sich im Vorfeld der Europawahl von 2019 mehrfach mit Orbán traf, um eine rechte Allianz von europäischen Patrioten zu starten. „Wenn das ginge, würde ich die Zentrale der Bewegung in Budapest eröffnen“, sagte Bannon damals.
Vergangenes Jahr fand in Budapest außerdem eine Konferenz des „Conservative Political Action Committee“ (CPAC) statt. FPÖ-Chef Herbert Kickl war zu Gast und der ehemalige deutsche Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen. Donald Trump schickte eine Videobotschaft und auch Tucker Carlson, einer der einflussreichsten, rechten Stimmen in den USA.
Der 53-jährige Moderator warnt regelmäßig davor, dass Medien lügen. Dabei ist er selbst seit über 30 Jahren Journalist. Seine abendliche Show auf „Fox News“ erreichte Millionen Amerikaner. Im Mai wurde er wegen geleakten Textnachrichten vom Sender entlassen.
Seitdem lädt Carlson seine Videos auf Twitter hoch, wo er fast 10 Millionen Follower hat. Oder er spricht live, so wie diesen Dienstag in Budapest.
Attacken auf den US-Botschafter
Anlass war ein Open-Air-Event des „Mathias Corvinus Collegium“ (MCC). Tucker war bereits 2021 Gast gewesen. Die Bildungseinrichtung gilt als Kaderschmiede des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Seine Regierung hat das Collegium mit knapp 1,7 Milliarden Euro gefördert – das ist mehr als alle anderen Universitäten des Landes zusammengenommen bekommen. Was für Gastredner lädt so eine Schule ein? Und was wird auf der Bühne gesagt? Leider gab es keinen Live-Stream. Eine Kollegin aus Budapest, die im Publikum gesessen ist, war aber so freundlich, mir eine Aufnahme zu schicken. Dann hören wir mal rein.
Carlson eröffnet seine Rede mit einer Entschuldigung. Der US-Botschafter in Budapest sei „ekelhaft“ und kein Diplomat, sondern ein „politischer Aktivist“. Carlson schäme sich, dass er als US-Bürger sein Gehalt bezahlen müsse. Jubelrufe im Publikum.
Was war passiert? Der US-Botschafter David Pressman, der offen schwul ist, hatte wiederholt den Anti-LGBT-Kurs der Orbán Regierung kritisiert.
„Sie hassen Ungarn!“
Pressmann sollte gefeuert werden, wetterte Carlson. Und dann macht er einen eigenartigen, historischen Vergleich: „Die Sowjets haben euch einst eingebläut, Lenin zu verehren. Heute bläuen euch die Amerikaner ein, Transvestiten zu verehren.“ Standhaft gegen den kulturellen Imperialismus – das ist Carlsons Parole.
„Sie hassen Ungarn“, sagt Carlson weiter, „nicht für das, was Ungarn getan hat, sondern für das, was es ist. Es ist ein christliches Land und das hassen sie.“ Die Demokraten in den USA seien die „Partei der Kinderlosen“, der Unverheirateten, der Menschen, die für große Banken arbeiten, aber in kleinen Wohnungen in überfüllten Städten leben. Sie leben in „seelenlosen“ Städten und lassen sich ihr Essen von Migranten nach Hause liefern. In ihrer „Isolationszelle“ fernab der Natur können sie all das, „was Gott geschaffen hat“, nicht mehr sehen. „Und das Nächste, woran du dich erinnern kannst, ist dass du plötzlich eine Covid-Maske trägst“, sagt Carlson.
Er springt wild hin und her – Kritik an Big-Tech, Kritik an der Globalisierung, Überfremdung und Wokeness. Aber im Grund schürt Tucker Carlson genau dieselben Ängste, wie Viktor Orbán. Sie – die Eliten – wollen euch, den „normalen“ Bürgern, euer Land wegnehmen, wie ihr es gekannt habe.
Carlson hat Orbán mehrfach interviewt und einen Film über dessen liebstes Feindbild, den ungarischstämmigen Milliardär George Soros, gedreht. 2021 ließ er sich in einem Helikopter an die ungarische Grenze fliegen, um den dort errichteten Zaun zu bestaunen.
Für Orbán sind diese millionenfach geklickten Videos ein PR-Coup. Ungarischen Journalisten gibt er so gut wie nie Interviews. Vor zwei Jahren wurde sogar bekannt, dass er kritische Reporter mit Spähsoftware hat überwachen lassen. Für seinen „Freund“ Tucker hat er aber immer Zeit. „Ich wünschte, Tucker Carlson wäre 24/7 on air“, gab er letztes Jahr zu.
Rund um die Uhr Tucker Carlson im Fernsehen? Das muss die Mediendystopie sein, die sich Heinz-Christian Strache damals auf Ibiza gewünscht hat.