Von Raab zu Holzleitner: Was kommt für die Frauen?
In Frankreich gibt es die TV-Sendung „51%”, die sich explizit mit den Anliegen von Frauen auseinandersetzt. Denn rund 51 Prozent der französischen Bevölkerung sind weiblich – selbes ist auch in Österreich der Fall. Die Anliegen von 51 Prozent der Bevölkerung werden von einem Ministerium repräsentiert – zuletzt stand Susanne Raab an dessen Spitze.
Was bleibt aus ihrer Amtszeit? Die frühere Beamtin Raab war spezialisiert auf Integration, aber nicht auf Frauen. Kritisiert wurde das zu ihrem Amtsantritt scharf, als progressiv galt sie nicht. Nach ihrem Ausscheiden aus der Politik hat sich die gebürtige Oberösterreicherin schnell wieder ihrem Leibthema gewidmet, der Integration: Sie bewarb sich im Jänner als Nachfolgerin als Geschäftsführerin für die Migrationsorganisation ICMPD von Ex-Kanzler und ÖVP-Kollegen Michael Spindelegger.
Was hat Raab erreicht für die 4,6 Millionen Frauen in Österreich, die 51 Prozent? Mehr als nichts: Unter ihr wurde das Frauenbudget von zehn auf 33 Millionen verdreifacht, es wurden Frauen- und Mädchenberatungsstellen eingerichtet. Und: Der Aufbau von Gewaltschutzzentren und -ambulanzen in allen Bundesländern wurde angestoßen. Die Umsetzung, an der auch die grüne Ex-Justizministerin Alma Zadić maßgeblichen Anteil hatte, läuft noch.
All die Bemühungen konnten einen Trend nicht stoppen: Die Zahl der Femizide bei älteren Frauen ist auf einem „beunruhigenden Höchststand” vermeldete der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser am Mittwoch, der häufigste Tatort für Gewalt gegen Frauen ist das eigene Zuhause. Aktuell sind nur zwei Prozent der Frauen in Österreichs Gewaltschutzeinrichtungen über 60 Jahre alt. Ein blinder Fleck, den auch die neue Regierung in ihrem Programm verankert hat.
Der Begriff „Femizid” für Morde an Frauen soll einheitlich definiert und so in der Kriminalstatistik erfasst werden. ÖVP, SPÖ und Neos wollen eine verbesserte Opferbegleitung. Geplant sind Fußfesseln für Hochrisikogewalttäter, ein Aktionsplan gegen Gewalt an Frauen. Das Sexualstrafrecht soll verschärft und das Verschicken von Dick-Pics unter Strafe gestellt werden. Frauen- und Kinderarmut sollen mit Unterhaltsgarantie-Fonds bekämpft werden, Frauengesundheit soll durch mehr Förderung besser erforscht und auch die Versorgung soll ausgebaut werden. Auch in anderen Bereichen gibt es frauenpolitische Vorstöße, wie berufliche Qualifikationsoffensiven für Frauen.
Bei anderen Maßnahmen ist fraglich, ob sie Frauen nicht mehr einengen als ermächtigen: Von der Überstunden-Begünstigung würden Männer deutlich stärker profitieren. Denn Männer leisten die meisten Überstunden und so könnte Österreichs Gender-Pay-Gap weiter auseinanderdriften. 2024 lag er im Schnitt bei 16,6 Prozent.
Frauenthemen sind großteils Querschnittsmaterie zwischen den Ressorts: Wenn der hohe Anteil an Teilzeit-Arbeit problematisiert wird, steht dem eine stetig steigende Erwerbsquote von Frauen in Österreich gegenüber. Und Teilzeitbeschäftigung ist immer noch weiblich, denn unbezahlte Betreuungspflichten werden in Österreich mehrheitlich von Frauen gestemmt. Zwar schreitet der Ausbau der Kinderbetreuungsangebote voran, der Bedarf kann aber noch nicht gedeckt werden.
Die Forderungen von Frauen-Organisationen sind spezifischer als jene Ansätze im Regierungsprogramm. Sie wünschen sich eine Umsetzung der Forderungen aus dem Bericht des Europarates für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (GREVIO). Sie hoffen auf die Einführung primärpräventiver Maßnahmen, verpflichtender Schulungen von Richter:innen und Staatsanwält:innen oder das Sicherstellen der Erlassung von Einstweiligen Verfügungen bei psychischer Gewalt.
Die neue Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner bezeichnet sich dezidiert als Feministin. Aber was ist dieses Bekenntnis in der politischen Praxis wert? Den klassischen feministischen Forderungen der SPÖ hat Holzleitner gleich einmal eine Absage erteilt, es sei keine SPÖ-Alleinregierung. Ein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr und eine Streichung des Schwangerschaftsabbruches aus dem Strafgesetzbuch haben es nicht ins Regierungsprogramm geschafft, aber bleiben „auf jeden Fall ein Ziel”, so Holzleitner bei ihrer Pressekonferenz anlässlich des Weltfrauentages am morgigen 8. März.
Wie viele Meter die Regierung in der Frauenpolitik machen wird, muss sie erst zeigen. Ein Teil des Weges ist bereits abgesteckt: Die EU-Richtlinie zur Lohntransparenz muss bis 2026 umgesetzt werden. Dadurch soll das Gehaltstabu aufgebrochen werden, es soll ein individuelles Recht auf Durchsetzung auf gleiches Entgelt für einzelne Arbeitnehmer:innnen geben. Geplant ist ein Auskunftsanspruch von Angestellten gegenüber Unternehmen. Betroffen sein werden Betriebe ab 100 Beschäftigten.
Entgeltunterschiede sollen damit festgestellt, korrigiert und verhindert werden. Das muss passieren, wenn das Lohngefälle mindestens fünf Prozent in einer Gruppe liegt und nicht auf Basis objektiver Kriterien rechtfertigbar ist. Auch die Stellen, die diese Ungleichheit erfassen, die Gleichbehandlungsanwaltschaft und die Bundesgleichbehandlungskommission müssten deshalb mehr Ressourcen bekommen.
Bis 7. Juni 2026 hat die neue Ministerin dafür Zeit.