Wagenburgstimmung in den Landhäusern
„Das Wahlergebnis war für uns nicht so super.“ Wer hat’s gesagt? Ein hochrangiger SPÖler, weil das Ergebnis unter der Erwartung lag? Oder ein einsichtiger ÖVPler, weil man trotz Kanzlerbonus den ersten Platz verloren hat? Vielleicht ein Grüner, weil man unter die 10-Prozent-Marke gerutscht ist? Unerwartbar stammt diese Aussage von einem hochrangigen FPÖler. Was überraschend sein mag, ist auch logisch.
Herbert Kickl hat die Nationalratswahl gewonnen und im zweiten Moment realisiert, dass er eher nicht Kanzler wird. Keine der infrage kommenden Parteien will ihm auf diesen Stuhl helfen. Nun versucht Kickl, künstlich Druck aufzubauen, indem er erfundene Verhandlungszeitpläne veröffentlicht. Realpolitisch hilft ihm das auch nicht. Anders hätte es ausgesehen, wenn die ÖVP auf Platz eins gelandet wäre, dann hätte die FPÖ einen ganz anderen Hebel gehabt, um die Schwarzen zu einer Koalition zu drängen. Vielleicht dann auch ohne Kanzler Kickl. Es wäre wohl ähnlich wie in Niederösterreich gelaufen, am Ende Schwarz-Blau, ein schwarzer Parteiobmann in blauer Geiselhaft.
Spätfolgen
Die schädigende Langzeitwirkung einer solchen Liaison, zu deren Legitimierung man auch noch durch ständiges Selbstlob beiträgt, bekommt nun ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zu spüren. Zwar konnte sie den ersten Platz bei den Wahlen verteidigen, aber der Boden für Umbruch ist aufbereitet. Von Wahl zu Wahl wird der Abstand zwischen ÖVP und FPÖ geringer, im Jänner stehen Gemeinderatswahlen an. Bei den ÖVP- und SPÖ-Bürgermeistern herrscht Panik. Sie sehen und fühlen deutlich, was bei der Wahl am 29. September passiert ist: Ihre Wahlbeisitzer sind plötzlich mit von Blauen Nominierten im Komitee gesessen. Früher herrschte wenig Interesse. Es dämmerte. Da ist etwas im Gange, das ist neu. Am Ende des Tages holte Kickl viele Stimmen aus dem Nichtwählerlager.
Johanna Mikl-Leitner wird diese Entwicklung in den eigenen Reihen zunehmend angekreidet: Man habe sich zu oft zu Bundespolitik, aber zu wenig zu Landespolitik geäußert, heißt es da – Themen wie Schnitzelliebe, eine Debatte zum Thema „Normalität“ oder die Forderung nach einer härteren Asyllinie hätte man sich sparen können.
Man solle sich doch besser auf die Themen des Landes konzentrieren. Und auch da passierten erstaunliche Hoppalas. Gerade wurde bekannt, dass man in Niederösterreich über Spitalsschließungen nachdenkt. Das mag inhaltlich sinnvoll sein, gesellschaftspolitisch aber (speziell vor einer Wahl) Gift, wenn man kommunikativ nicht exzellent vorbereitet ist. Und das war Mikl-Leitner nicht, das ging ordentlich in die Hose.
Eine Umkehr des Trends zu stetig sinkenden Beliebtheitswerten wird man so nicht schaffen. Auch das Vertrauen in die von ihr angeführte Regierung ist seit Antritt deutlich gesunken. Diese Schwäche nutzen ihre Kritiker – die Bünde bringen sich in Stellung, und der Bauernbund sägt, mit den Bürgermeistern im Schlepptau.
Sie kann sich trösten. Sie wird nicht die einzige Spitze einer Partei im Land sein, die sich in einem Sturm und heftigen Debatten wiederfinden wird.
Köche gesucht
Die Steiermark wählt in wenigen Wochen – dass sie kippt, ist nicht unwahrscheinlich. Die Verantwortlichen werden – auch persönlich – Konsequenzen ziehen müssen. Auch der rote starke Mann, Hans Peter Doskozil, kann sich anschnallen. Die FPÖ legte auch in seinem Bundesland massiv zu. Mit FPÖ-Urgestein Norbert Hofer bekommt er für die Landtagswahl am 19. Jänner einen starken Gegner – das ist keine gemähte Wiese.
Wien wählt 2025 als letztes Bundesland im Herbst. Das Ergebnis von SPÖ-Bürgermeister Michael Ludwig war bei der Nationalratswahl zwar gut, die SPÖ konnte sogar leicht zulegen, aber auch er muss aufpassen, nicht zu straucheln. Er bekommt neue Konkurrenz, die Prozente kosten kann: wenn eine Liste Strache antritt, die Bierpartei im urbanen Raum doch punktet – und eine Liste Gaza die Stimmen der Migranten fängt. Um zu alter Stärke zurückzukehren, dafür werden allerorts Rezepte gesucht. Aber nicht nur, dass es daran fehlt, es finden sich auch wenige Köche am Politmarkt, die für die verschiedenen gesellschaftlichen Geschmäcker mehrheitsfähige Menüabfolgen kreieren können. Sie zu finden, wird ein Schlüssel zum Erfolg sein.