Wahrheit oder Gschicht?
Ich würde diesen Text gern mit ein paar unbestrittenen Tatsachen beginnen: Heute ist der 5. Oktober 2022, nur eine Handvoll Menschen in Österreich versteht zu hundert Prozent, woran der österreichische Nobelpreisträger Anton Zeilinger forscht, und: Es wird auch heuer wieder Weihnachten werden. Zu letzterem Ereignis erreichen uns dieser Tage die ersten Vorboten in Gestalt adventbezogener Werbeaussendungen und festlicher Terminankündigungen, aber damit werden Sie bestimmt noch früh genug behelligt, also bleiben wir lieber bei den Fakten: Genau ein Jahr ist es jetzt her, dass wir unsere Faktencheck-Abteilung „faktiv“ aus der Taufe gehoben haben. Mit Stand Ende September haben wir insgesamt 122 Behauptungen überprüft, von denen 72 Prozent falsch oder größtenteils falsch waren, 15 Prozent irreführend und acht Prozent unbelegt. Unsere Checks betrafen alle Parlamentsparteien (plus parteinahe Medien) und hatten teils auch handfeste Folgen: Unter anderem musste sich FPÖ-Chef Herbert Kickl persönlich für eine Fake-News-Meldung auf FPÖ TV entschuldigen, „Servus TV“-Intendant Ferdinand Wegscheider wurde wegen faktenfremder Aussagen vor die Medienbehörde KommAustria zitiert, und die Österreichische Gesundheitskasse besserte nach dieser Geschichte ihr Angebot an Psychotherapieplätzen nach.
Nobelpreis haben wir dafür natürlich keinen verdient, denn: Wir machen nur unsere Arbeit. Sie nennt sich auch: Journalismus. Was die Bestsellerautoren Richard David Precht und Harald Welzer in ihrem aktuellen Buch „Die vierte Gewalt“ beklagen, nämlich dass Medien vor allem Meinungen transportieren, und dass diese Meinungen so gar nicht repräsentativ seien, mag für TV-Talkshows und Formate wie „Der Wegscheider“ gelten, lässt sich aber nur mit einiger Quantenverschränkung auf profil umlegen. Wir arbeiten nämlich nicht nur bei faktiv mit belegbaren Tatsachen, sondern auch in unseren Investigativgeschichten, in Reportagen, Interviews und – ja, das geht! – in Meinungsstücken und Kommentaren. In Anlehnung an einen beliebten Werbespruch könnte man auch fragen: Wie viele Fakten hat Ihre Meinung?
Aber zurück zum Atom: Der österreichische Physiker Anton Zeilinger, dem die Schwedische Akademie gestern den Nobelpreis zuerkannte, hat erst vor kurzem – anlässlich seines Ausscheidens aus der österreichischen Akademie der Wissenschaften – in einem ausführlichen Gespräch mit meiner Kollegin Franziska Dzugan einige praktische Anwendungen seiner Grundlagenforschung erläutert:
In diesem Sinne: Haben Sie einen tatsächlichen Mittwoch!
Ihr
Sebastian Hofer