Warum Forschende Moskitos manipulieren
Die Ergebnisse des Forschungsprojekts hätten für ordentlichen gesellschaftspolitischen Zündstoff sorgen können, wären sie nicht bloß in Wissenschaftsmedien veröffentlicht worden: Am Montag dieser Woche berichtete das Fachjournal „Nature“ von einem großen Feldversuch, dessen Ziel es war, Infektionen mit dem Dengue-Virus einzudämmen – einem tropischen Krankheitserreger, der von Stechmücken übertragen wird und zunehmend auch in Europa Probleme verursacht. Erst kürzlich kam es, wie profil erläuterte, zu Einschleppungen nach Frankreich und zu einem kleinen Ausbruch in Italien. In Südeuropa finden inzwischen ständig Dengue-Übertragungen statt, in Österreich werden die Viren jedes Jahr in Dutzenden Fällen von Reisen mitgebracht.
Um die exotischen Krankheitserreger zu bekämpfen, wurden nun drei urbane Ballungsgebiete in Kolumbien zum Testgebiet neuer, durchaus heikler Methoden: Forschende setzten modifizierte Moskitos frei, die mit einem Bakterium infiziert waren. Dieses Bakterium bewirkt, vereinfacht ausgedrückt, dass die Insekten keine Viren mehr übertragen können. Der Erfolg des Feldversuchs scheint beachtlich zu sein: Die Infektionsraten sanken um 94 bis 97 Prozent – Ansteckungen mit dem Dengue-Virus wurden somit fast unterbunden. Ähnlich könnte man mit anderen durch Moskitos übertragenen Krankheiten wie Zika verfahren.
Vergleichbare Forschungsprojekte gab es auch in anderen Gegenden, etwa in Florida: Dort wurden Millionen gentechnisch veränderter Moskitos ins Freiland entlassen, die die Reproduktion der Gelsenpopulationen verhindern sollten.
Eingriff ins biologische Programm
Allgemeiner ausgedrückt: Wir haben heute Technologien zur Hand, die offenbar sehr wirkungsvoll Krankheiten verhindern, indem sie in die Natur von Lebewesen und deren biologisches Programm eingreifen. Das ist beeindruckend und ermutigend, führt aber zwingend zur Frage: Darf man das, und wie weit darf man gehen? Dürfen wir gentechnisch veränderte Insekten in die Welt setzen, und kennen wir alle Konsequenzen solcher Maßnahmen?
Nicht nur dieses Beispiel zeigt: Die Instrumente der Wissenschaft werden immer mächtiger, immer effektiver. Ebenfalls Anfang dieser Woche vermeldete „Nature“, dass US-Behörden eine erste CRISPR-Therapie prüfen: eine Behandlung gegen eine erbliche Blutkrankheit, wobei mithilfe der „Genschere“ fehlerhafte Proteine korrigiert würden. Auch hier drängt sich ein Grundsatzdiskurs auf: CRISPR-Therapien könnten einerseits eine völlig neue Medizin begründen und gegen eine Vielzahl teils grausamer genetischer Leiden helfen. Andererseits stellt sich immer die Frage, inwiefern man den genetischen Code des Menschen manipulieren darf – und ob wir die Folgen wirklich abschätzen können. In Zusammengang mit der nun in Prüfung befindlichen CRISPR-Therapie wird diskutiert, ob dadurch bestimmte Krebserkrankungen begünstigt werden könnten.
Eine ethische Debatte ist dringend nötig
Die Wissenschaft hat in den vergangenen Jahren Methoden verfügbar gemacht, die sich Menschen früherer Epochen nicht einmal im Traum hätten vorstellen können. All die raffinierten Techniken können erheblichen Nutzen stiften und Millionen von Menschenleben retten, erfordern aber zugleich und noch vor ihrer breiten Anwendung eine umfassende Information und eine darauf aufbauende öffentliche ethische Debatte – andernfalls erleben wir, was man als mRNA-Effekt bezeichnen könnte: Eine fraglos segensreiche Technologie wie jene, auf der die Covid-Impfstoffe beruhen, löst vor allem Skepsis und Ängste aus, wenn die Politik es verabsäumt, solch eine Debatte anzustoßen und sich statt dessen vom Tempo des technologisch Machbaren überrollen lässt.
Tropische Krankheitserreger breiten sich immer weiter nach Norden aus und werden uns daher in Zukunft mit Sicherheit betreffen; Erbkrankheiten zählen zu den großen medizinischen Übeln, denen bisher schwer beizukommen war; nach und nach entwickeln Forschende Methoden dagegen – sie sind zu wichtig, um Debatten darüber zu verabsäumen.