Warum österreichische Politiker (fast) nicht bestochen werden können
Es war der erste große Prozess im Zuge der juristischen Aufarbeitung nach dem Ibiza-Video: Im Jahr 2021 musste der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Zusammenhang mit einer Parteispende eines befreundeten Unternehmers wegen Bestechungsverdachts vor Gericht. Und alle rätselten: Wie würde das ausgehen?
Tatsächlich war es schwierig, das vorauszusehen: Vergleichbar Fälle hatte es – zumindest in den Jahren davor – nicht gegeben. Das, was landläufig als Korruption verstanden wird, war da unter einer juristischen Krücke abgehandelt worden – nach dem sogenannten Untreue-Paragraphen, bei dem es um die Frage geht, ob mit fremdem Geld nicht ordnungsgemäß umgegangen wird. Für „reine“ Bestechungs-Causen in der obersten politischen Liga fehlten Erfahrungswerte – nicht nur dem Autor dieser Morgenpost, sondern offenbar auch in der Justiz. So gab es im ersten Strache-Prozess zunächst einen glatten Schuld-, letztendlich aber dann einen rechtskräftigen Freispruch.
Die Unbestechlichen
Bei juristischen Paragrafen kommt es mitunter auf kleinste Begrifflichkeiten an. Und mittlerweile scheint die Justiz – nach einer Reihe von Urteilen, aber auch ausgefeilt begründeten Verfahrenseinstellungen – zu einer einheitlichen Grundlinie gefunden zu haben. Gleich vorneweg: Für politisches Spitzenpersonal fällt diese ziemlich günstig aus.
Im Detail dargelegt wurde diese rechtliche Grundlinie zuletzt von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im Zuge der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens aus dem sogenannten Casinos-Komplex, der nach dem Ibiza-Video im Jahr 2019 seinen Ausgang nahm und zahlreiche verschiedene Vorwürfe behandelt. Im konkreten Fall ging es um das „Institut für Sicherheitspolitik“ (ISP) – einen FPÖ-nahen Verein – und um Zahlungen von insgesamt 240.000 Euro, welche das ISP vom Glücksspielkonzern Novomatic erhalten hatte. Der Verdacht, der im Raum stand: Schmiergeld. Alle Betroffenen haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten.
Die WKStA hat ihre Ermittlungen vor Kurzem eingestellt und eine schriftliche Begründung dafür verfasst, in welcher da und dort auch noch allgemeine Überlegungen enthalten sind, die über den Einzelfall hinausgehen. So ergibt sich eine ziemlich umfassende Darstellung, die zur Erkenntnis führt: Politiker können per se gar nicht bestochen werden.
Die Sache mit dem „Amtsgeschäft“
Im Wortlaut heißt es dazu: „Verdeckte Vorteile an Politiker:innen in dieser Eigenschaft als Politiker:innen (Anm.: Unterstreichung durch die WKStA) wären nach dem Korruptionsstrafrecht aber ohnehin straflos (gewesen), solange sie nicht (zumindest auch) an diese in ihrer jeweiligen Eigenschaft als Amtsträger im Zusammenhang mit Amtsgeschäften gewährt werden sollten, wofür aber wiederum kein Beweissubstrat vorliegt.“
Abgeschlossen wurde der ISP-Vertrag im Vorfeld der Regierungsbeteiligung der FPÖ im Jahr 2017. Die WKStA geht zwar sehr wohl davon aus, dass die Auswahl des ISP durch Novomatic für das Sponsoring „im Zusammenhang mit dessen Nähe zur FPÖ“ gestanden sei. Mehr noch: Mitausschlaggebend für die Zahlungen sei „eine wohlwollende Beachtung der Individualinteressen der Novomatic“ gewesen, die sich allenfalls auch „auf die Amtstätigkeit niederschlagen“ sollte. Strafrechtlich relevant ist das für sich allein genommen aber nicht. Zwar sollte mit dem Sponsoring-Vertrag „der Zugang zur FPÖ als Regierungspartei gefördert“ werden. Eine „unmittelbare Verknüpfung“ zwischen den Zahlungen und „konkreten Amtsgeschäften oder einer konkreten Amtstätigkeit von Heinz-Christian Strache oder eines sonstigen Amtsträgers“ habe jedoch nicht festgestellt werden können.
Obwohl eine Firma, an der Strache über einen Treuhänder mit 25 Prozent beteiligt war, ihrerseits Geld vom ISP erhalten hatte, ließ sich aus Sicht der Justiz nicht belegen, dass Strache vom Vertrag zwischen dem ISP und Novomatic wusste. Was ISP-Obmann und FPÖ-Politiker Markus Tschank betrifft, hätten sich wiederum keine Anhaltspunkte für eine Verknüpfung zu dessen späterem Aufgabenbereich als Nationalratsabgeordneter ergeben.
Hohe Beweishürde
Man sieht schon: Es geht ums Detail. Politiker als solche kann man nicht bestechen, sondern nur in ihrer Eigenschaft „als Amtsträger“ – also zum Beispiel als Abgeordneter oder als Minister. Doch die Beweishürde liegt noch deutlich höher: Der gewährte Vorteil muss nämlich unmittelbar mit einer konkreten Amtstätigkeit verknüpft sein, um im strafrechtlichen Sinne eine Bestechungszahlung darzustellen.
Was beispielsweise nicht als derartige Amtstätigkeit anzusehen ist, hält die WKStA in der Einstellungsbegründung ebenfalls fest: Regierungsverhandlungen. Aus Sicht der Ermittler ist „nachweisbar“, dass Novomatic wollte, dass die FPÖ bei den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP Ende 2017 „im Sinne der Novomatic AG“ tätig werden sollte. Das ändert aber nichts an der rechtlichen Beurteilung. Bei Regierungsverhandlungen gehe es nämlich „nicht um Amtsgeschäfte oder Amtstätigkeit eines aktuellen Amtsträgers, sondern um parteipolitische Verhandlungen zur Regierungsbildung“. Dass gerade in Koalitionsgesprächen entscheidende inhaltlichen Vorgaben für die folgende Legislaturperiode festgezurrt werden, spielt offenbar keine Rolle.
Kleine und große Fische
Allgemein weist die WKStA noch auf zwei weitere Punkte hin: Aus der Rechtssprechung des Oberlandesgerichts Wien ergebe sich, dass der Nachweis einer Vorteilsgewährung alleine nicht ausreiche. Eine Person könne nämlich mehrere Rollen einnehmen: „Privatperson/Geschäftsmann und/oder Parteimitglied/Politiker und/oder allfälliger Amtsträger“. Zu einer Verurteilung wegen Bestechung kann es erst dann kommen, wenn die Zurechnung zur Amtsträger-Rolle entsprechend bewiesen ist. Je mehr Hüte jemand aufhat, umso schwieriger. Und dann muss auch noch bewiesen werden, dass sich der Amtsträger vom gewährten Vorteil überhaupt beeinflussen hat lassen – und nicht zufälligerweise von selbst auf dieselbe Idee gekommen ist.
Man sieht schon: Wenn es um Bestechungsverdacht – und um dessen Nachweis – in der Spitzenpolitik geht, wird es richtig kompliziert. Einfach gestrickte Fälle sind wohl eher in den unteren Ebenen der Verwaltung zu finden. Ein Korruptionsstrafrecht für die „kleinen Fische“? Auch, wenn alles oben Beschriebene juristisch begründbar sein mag, ist dieser Eindruck nicht ganz von der Hand zu weisen.