Morgenpost

Was steckt hinter der Großeltern-Karenz der ÖVP?

Die ÖVP will, dass Großeltern in Karenz gehen können. Ein Bonus soll sie finanziell entschädigen. Und sonst?

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Wer Kinder im betreuungspflichtigen Alter hat, braucht keine empirischen Belege dafür, aber die Statistik zeigt den Mangel an Kinderbetreuung in Österreich schonungslos auf: Nur die Hälfte aller Kindergärten, Krippen oder Horte erlauben es den Eltern, Vollzeit arbeiten zu gehen. Alle anderen haben entweder zu kurze Öffnungszeiten oder zu viele Schließtage im Jahr. Von insgesamt 9717 Einrichtungen sind überhaupt 2454 davon mehr als einen Monat im Jahr geschlossen, knapp 600 davon sogar mehr als 51 Tage. Ab Herbst soll die Entwicklung in einem interaktiven Dashboard zu beobachten sein. Immerhin, der Trend geht – wenn auch sehr langsam – in Richtung Verbesserung.

Die ÖVP versucht nun im Wahlkampf erneut für eine Idee zu werben, die Parteichef und Kanzler Karl Nehammer schon Anfang des Jahres ventiliert hatte. Zu seinem groß inszenierten Österreich-Plan im Jänner gehörte neben dem Ausbau der Betreuungsplätze auch eine sogenannte Großeltern-Karenz: Details hinter dem Schlagwort lieferte die Partei damals noch nicht. Sie forderte schlicht bis 2030 „die Einführung der Großelternkarenz und Ermöglichung des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld, wenn die Großeltern an Stelle der Eltern die Betreuungspflichten wahrnehmen“. 

Familienministerin Susanne Raab lieferte nun mit Seniorenbund-Chefin Ingrid Korosec zumindest einige Details nach. Ein Modell könnte folgendermaßen aussehen: „Die Mutter geht für 6 Monate in Karenz und steigt dann wieder ins Berufsleben ein. Anschließend übernimmt der Vater 6 Monate der Karenz. Die restlichen 12 Monate gehen Oma oder Opa in Karenz.“ Voraussetzung ist, dass die Eltern berufstätig sind. Großeltern erhalten einen Bonus in der Höhe des Kinderbetreuungsgeldes und, falls sie berufstätig sind, eine Freistellungsoption. 

Viele offene, praktische Fragen 

Allerdings ergeben sich daraus noch einige praktische Fragen. Denn die Zeit, die für die Betreuungskarenz eines Kindes vorgesehen ist, bleibt gleich. Derzeit gibt es einen gesetzlichen Karenzanspruch von insgesamt 24 Monaten, allerdings muss der zweite Elternteil mindestens zwei davon übernehmen, sonst verfällt diese Zeit. Geht es nach der ÖVP, sollen sich vier Personen (also Eltern und Großeltern) nun diese Zeitspanne aufteilen können. 

Auch das Entgelt soll sich an der jetzigen Regelung orientieren: Ein Elternteil kann maximal 365 Tage lang ein einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld beziehen. 80 Prozent der Letzteinkünfte sind dafür vorgesehen, maximal aber nicht mehr als rund 2300 Euro monatlich. Sollten die Großeltern berufstätig sein, würde sich auch ihr Bonus an dem Gehalt orientieren, heißt es aus Raabs Büro. Die Zeiten seien auf die Pension anrechenbar. Und wer schon in Pension ist, könnte ohnehin nur auf einen Pauschalbetrag zurückgreifen. 

Kritikerinnen und Kritiker dieser Idee, darunter die Grünen, sorgen sich um die Folgen am Arbeitsmarkt: Schon jetzt kämpfen vor allem ältere Frauen mit Nachteilen am Arbeitsmarkt. Ein weiterer offener Punkt: Die Pensionsansprüche. Betreuungszeiten und Teilzeitarbeit führen bereits dazu, dass Pensionistinnen im Monat weniger zur Verfügung steht. Man könne die Betreuungspflichten nicht weiter auf Frauen abwälzen, kritisiert der Koalitionspartner, nach den Müttern und auch die Großmütter: „Statt Ausreden und Verantwortungsabgabe braucht es endlich verlässliche, kostenlose und flächendeckende Kinderbetreuung in ganz Österreich." Auf die Skepsis des Koalitionspartners angesprochen, winkt die ÖVP ab: Es sei ein freiwilliges Modell. Niemand, vor allem nicht Omas, seien gezwungen, es anzunehmen. 

Iris Bonavida

Iris Bonavida

ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.