Video zeigt Meteoriten-Einschlag auf dem Mond
Morgenpost

Was uns der Mond über die Erde verrät

Gerade glückte Indien die erste Mondlandung. Sollen wir das gut finden?

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Die Erfolgsmeldung ging vor zwei Tagen um die Welt: Indien gelang erstmals eine Landung auf dem Mond, nur wenige Tage, nachdem eine russische Mission gescheitert war. Fachleute lobten das raffinierte Anflug- und Landemanöver der indischen Sonde Chandrayaan-3. Nun erkundet der Rover Pragyan zwei Wochen lang eine Region am Südpol des Mondes und untersucht unter anderem mithilfe eines Röntgenspektrometers das Oberflächengestein des Erdtrabanten.

Kein Zweifel, die Mission ist geglückt. Widmen wir uns heute einer Frage, die nicht thematisiert wurde: Sollen wir das gut finden? Präziser ausgedrückt: Welchen Nutzen hat es, rund ein halbes Jahrhundert nach den legendären Apollo-Missionen wieder zum Mond zu fliegen? Gibt es dort noch Wichtiges zu entdecken oder liefern einander die Raumfahrtmissionen, die USA, China, Russland, Japan und Indien, bloß ein kostspieliges Wettrennen, ein technologisches Wettrüsten im All?

 

Die Frage wird uns in naher Zukunft noch öfter beschäftigen, denn alle Länder betreiben derzeit ambitionierte Raumfahrtprogramme. Die NASA startete vor genau einem Jahr die Nachfolgeserie der Apollo-Missionen, das Artemis-Programm. Artemis I umrundete im Vorjahr den Mond, Teil zwei soll kommendes Jahr eine bemannte Umrundung absolvieren, mit Artemis III sollen 2025 wieder Astronauten über die Mondoberfläche spazieren. Alle Länder verfolgen ehrgeizige Ziele: Sie wollen die Pole und die erdabgewandte Seite des Mondes studieren, dauerhafte Behausungen bauen, sogar eine Startrampe für weitere Missionen zum Mars errichten.

Fenster in die Vergangenheit

Sicher ist: Wenn die Nationen es richtig anstellen, können wir vom Mond noch viel lernen – und zwar auch und ganz besonders über unseren Heimatplaneten. In den 1970er-Jahren wurden rund 400 Kilo Mondgestein zur Erde gebracht, doch das Material stammt von einigen wenigen Stellen, die US-Astronauten damals inspizierten. Weitere Proben von anderen Regionen, aus Kratern und Tiefebenen, können viele weitere Aufschlüsse bringen – besonders aus der Frühphase des Mondes, über die ersten ein bis zwei Milliarden Jahre. Dort sind die uralten Gesteine praktisch unverändert erhalten und öffnen eine Art Fenster in die Vergangenheit. Auf der Erde dagegen sorgen Wind und Wetter, Atmosphäre und Erosion dafür, dass die Spuren der Vergangenheit allmählich ausgelöscht werden. Die Untersuchung des Mondes kann somit auch Einblicke in die Jugendtage der Erde bringen – wenn man also den Wert wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns akzeptiert, können die geplanten Mondmissionen von großem Nutzen sein.

Es gibt aber auch Anlass zu einer kritischen Betrachtung der gegenwärtigen Bestrebungen. Denn abseits des bloßen Wissenserwerbs verfolgen fast alle Nationen auch noch andere Pläne: die Gewinung von Rohstoffen, vor allem Metallen und seltenen Erden. Auch wenn geeignete Technologien noch Zukunftsmusik sind, ist das Ziel definiert: Bergbau am Mond und damit der Beginn des Ressourcengewinns auf anderen Himmelskörpern. Der Hunger nach Rohstoffen speziell für die Energiewende ist nahzu unstillbar: Viele Lagerstätten in den Ländern der Erde sind bis an die Grenzen der Rentabilität ausgebeutet. Nun verlagern sich die Begehrlichkeiten erstens in die Tiefsee, wo sogenanntes Deep Sea Mining das größte weitgehend unerforschte Ökosystem der Erde zerstören würde, und zweitens zum Mond – und vielleicht eines Tages zum Mars und weiter.

Zum Glück ist wenigstens im Weltall die Machbarkeit dieser Pläne noch sehr weit entfernt, manche Forschende halten sie für überhaupt absurd. Daher dürfen wir uns vorerst darüber freuen, dank all der Mondmissionen neues, vielleicht spektakuläres Wissen über unsere kleine Nische im Kosmos zu gewinnen.

Alwin   Schönberger

Alwin Schönberger

Ressortleitung Wissenschaft