Grüße und Küsse!
Kommt die Rede auf Jeff Bezos, bilden sich schnell zwei Fraktionen. Die einen sagen: „Oh Gottchen, dieser superreiche Schnösel, diese gigantische Ego-Show!“ Die andere decken einen mit Berichten von Grenzgenialität zu, mit Lobgesängen auf jene Garage in Seattle, in der Bezos 1994 das Prinzip des Allesverkaufs erfand. Super-Jeff, das Inbild des US-Megalodon-Kapitalisten!
Guter Rat ist manchmal jedoch nicht teuer. Wie jetzt? Von Bezos lernen? Der Unternehmer lebt offenbar gemäß der nachahmenswerten Maxime: Ach, es wäre schön, jetzt fort zu sein! Endlich raus aus dem nahe am Gefrierpunkt runter gekühlten Büro. Bezos könnte in diesem knallig heißen Sommer zum Beispiel am Strand der Soma Bay sitzen, die Zehen in den Sand bohren, knallbunte Fruchtcocktails schlürfen: glücksrauschiger Dreiklang, das Reisen als die reine Romantik. Oder doch lieber ein Kurztrip an Bord der „New Shepard“, Bezos‘ phallusähnlicher Rakete? Dabei könnte er Neid erregende Ansichtskarten schreiben: Die Welt und das Weltall sind groß. Grüße und Küsse! Von diesem Trend der Zweit- bis Dritturlaubsreise kann auch Unsereiner profitieren, der nur mit dem kleinen Nachteil des Mittelstandeinkommens zu kämpfen hat!
Der Sommer 2023 gehört Bezos. Noch nie hat sich der Milliardär so ausdauernd der Weltöffentlichkeit präsentiert: Jeff beim Flanieren mit Sängerin Katy Perry und deren Ehemann, dem Schauspieler Orlando Bloom, durch Dubrovnik; Jeff gemeinsam mit seiner Verlobten Lauren an Deck der Jacht „Koru“, seinem neuen, 127 Meter langen Spielzeug, das als futuristischer Klotz die Ozeane kreuzt (mehr über die Tiefsee lesen Sie im aktuellen Heft, über die aktuellen Untiefen der österreichischen Innenpolitik hier). Während sich Elon Musk und Mark Zuckerberg, Bezos‘ Kumpels aus dem Milliardärs-Club, wechselseitig über sämtliche Medienkanäle Käfigkämpfe androhen – womöglich noch unter Ehrenschutz von Mixed-Martial-Arts-Oberhaudrauf Conor McGregor, dem Netflix unlängst eine heranschmeißerische Dokumentation spendierte (siehe hier) –, während Musk und Zuckerberg also hitzköpfig ihre Sandkistentraumata in aller Öffentlichkeit kurieren, empfiehlt Bezos: Raus auf die Jacht, ran an den Spaß! Jetzt ist die hohe Zeit, den Sommer bis zum kalendarischen Herbstbeginn in 31 Tagen zu feiern, nicht einander die Fresse zu polieren und das Publikum zu vergraulen. Von Jeff Bezos lernen heißt, entspannt Urlaub machen lernen. Wehe nur, der Amazon-Mogul verfiele auf die Idee, den Sommer selbst zu kaufen. Wir hier denken, dass das entschieden zu weit ginge.
Einen schönen Sommertag wünscht
Wolfgang Paterno