Morgenpost

Weißmann, Wumms und Westen

Fällt das ORF-Radio-Symphonieorchester Sparzwängen zum Opfer? Was sagt Erich Maria Remarque zum Krieg in der Ukraine? Und was nährt die Hoffnung auf den Frühling? Das sind die drei Fragen von Donnerstagmorgen.

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Bis gerade eben war Österreich die selbsternannte Musiknation. „Deutsche wollen unseren Mozart klauen!“, empörte sich die „Kronen Zeitung“ vor 20 Jahren, als das ZDF seinen Zuschauern Sigmund Freud und eben das Wolferl als die „größten Deutschen aller Zeiten“ unterjubeln wollte, beides im engeren Sinne eher Ösis als Deutsche.

Die Risse in der Erzählung vom berühmten Tralala-Hollaröhdulliöh-Land sind derzeit leicht zu finden: Geht es nach den Sparplänen von ORF-Chef Roland Weißmann, droht dem Radio-Symphonieorchester (RSO) das baldige Aus. Noch im August 2021 hatte Weißmann als Kandidat für den ORF-Chefsessel das RSO als Produzent „zeitgenössischer Musik auf Weltniveau“ bezeichnet. Einst Kuschelrock, nun die Weißmann’sche Death-Metal-Abrissbirne. Man wird einfach nicht schlau aus ihm.

Um die Diskussion, die gerade dabei ist, auf gut Österreichisch zu eskalieren – großes Drama in jedem Nebensatz –, hier etwas unsanft ins eher Private abzubiegen: Für all jene, die Anfang November vorigen Jahres beim RSO-Erinnerungsabend des Neuen-Musik-Festivals Wien Modern für den kurz zuvor verstorbenen Komponisten, Kurator und Wien-Modern-Mitbegründer Lothar Knessl dabei waren (oder bei vielen anderen Gelegenheiten), dürfte sich die Frage nach Einstellung/Weiterführung eher nicht stellen. Drücken wir es einmal angemessen in Weißmann-ZDF-Mischung aus: Superklasseniveau, eines der besten Orchester, nicht gerade aller Zeiten, was in unserer Zeit als Gütesiegel ohnehin nur bis übermorgen gälte. In Deutschland, um auch noch einmal darauf zurückzukommen, hat Kanzler Olaf Scholz das Zeitalter des Wumms ausgerufen. In Österreich ist das RSO für schönstes Ohr-Wummern zuständig.

Am morgigen Freitag ist es ein Jahr her, da der russische Präsident Wladimir Putin seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine entfesselte. Erich Maria Remarque hat vor 95 Jahren in seinem Roman „Im Westen nichts Neues“ viel von Putins Feldzug vorweggenommen. „Trommelfeuer, Sperrfeuer, Gardinenfeuer, Minen, Gas, Tanks, Maschinengewehre, Handgranaten – Worte, Worte, aber sie umfassen das Grauen der Welt“, schrieb Remarque: „Das Grauen lässt sich ertragen, solange man sich einfach duckt – aber es tötet, wenn man darüber nachdenkt.“

Da es keinen sinnfälligen Übergang vom Krieg zur Fastenzeit gibt, gebührt das letzte Wort ohne viel Firlefanz profil-Gourmet und Essens-Epiker Klaus Kamolz und dem Risotto Royal: „Die Muscheln löse ich – bis auf drei schöne Exemplare pro Portion – aus der Schale. Wenn der Reis fast fertig gegart ist, was etwa 15 bis 20 Minuten dauert, rühre ich die Lauchpaste, die Schnecken und die Muscheln unter und schmecke mit Salz und Pfeffer ab. Vor dem Servieren entferne ich den Thymian und dekoriere den Risotto mit je drei ganzen Muscheln und Erbsensprossen, was auch geschmacklich Sinn ergibt und noch dazu die Hoffnung auf den Frühling nährt.“ (nachzulesen im aktuellen E-Paper)

Schöner kann man es kaum ausdrücken, das mit den Muscheln und der Hoffnung.

Einen Tag voller Fragen wünscht

Wolfgang Paterno

Wolfgang   Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.