Worüber in Davos geredet wird
Im Nobelskiort Davos sind diese Woche (fast) alle Hotelzimmer und Ferienwohnungen ausgebucht. Wer doch noch etwas findet, muss tief in die Tasche greifen. Rund 4.000 Euro kostet eine Nacht. Restaurants und Bars haben ihre Preise erhöht und ausnahmsweise ist nicht die hohe Inflation der Grund dafür.
2.700 Gäste aus 130 Ländern reisen diese Woche zum Weltwirtschaftsforum in die Schweizer Berge, darunter 52 Staats- und Regierungschefs. Der österreichische Kanzler Karl Nehammer ist nicht vertreten, dafür Außenminister Alexander Schallenberg. Die Konferenz dauert vier Tage und findet seit 1971 statt. Finanziert wird das Treffen nicht von Staaten, sondern von global agierenden Unternehmen, die mehr als fünf Milliarden US-Dollar Umsatz machen.
Davos ist so etwas wie eine Kontaktbörse für Entscheider aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Sie treffen sich – unter höchsten Sicherheitsmaßnahmen – in einem Kongresszentrum, um über die Probleme der Welt zu beratschlagen.
Das diesjährige Motto lautet: Zusammenarbeit in einer fragmentierten Welt. Was das genau bedeutet? Darüber wird in Davos die nächsten Tage geredet. Ein Überblick.
Soziale Ungleichheit
Enormer Reichtum und enorme Armut – das ist laut der Hilfsorganisation „Oxfam“ unter einer zersplitterten Welt zu verstehen. Pandemie, Ukraine-Krieg und Klimawandel hätten die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vertieft. Das geht aus einem Bericht hervor, den „Oxfam“ im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums veröffentlicht hat. Er trägt den Titel „Überleben der Reichsten“ (Survival of the Richest) und kommt zu dem erschreckenden Schluss, dass zwei Drittel aller Vermögenszuwächse an gerade einmal ein Prozent der Weltbevölkerung fließen. Oxfam nutzt die Bühne in Davos, um für eine höhere Besteuerung der Reichen zu werben.
Krise der Globalisierung
Fragmentiert, das ist auch der Weltmarkt. Dieser zerfalle mehr und mehr in geopolitische Blöcke, warnt der deutsche Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Im Gespräch mit dem Deutschlandfunk sagte er gestern: „Die globale Welt verfällt immer mehr in Einzelinteressen. Wir sehen bei einigen Ländern, dass sie die Isolation gewählt haben. Nicht nur bei Russland, sondern auch bei China. Jetzt ist die Frage, wie Indien, die USA oder der asiatische Raum darauf reagieren.“ Handelskriege, warnt er, könnten in den nächsten Jahren zur Norm werden.
Weltwirtschaft
Die gestörten Lieferketten treiben viele Top-Manager in Davos um. Dicht gefolgt von der hohen Inflation. Das zeigt ein jüngster Bericht des Beratungsunternehmens PwC, für den rund 4500 Entscheider aus 71 Ländern befragt wurden. Ergebnis: Sie sind so pessimistisch wie nie zuvor. 73 Prozent der Befragten erwarten einen Rückgang des Weltwirtschaftswachstums. Fast 40 Prozent der deutschen CEOs gaben an, dass die Inflation ihr Unternehmen sehr stark gefährde.
Energie & Klimawandel
Grund zum Aufatmen gibt ausgerechnet das Thema Energie. Die Preise für Strom und Gas sinken wieder, verkündet die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Als Folge des Ukrainekriegs habe Europa seine Abhängigkeiten von fossilen Brennstoffen aus Russland abgebaut – und das rasant. 80 Prozent des russischen Pipelinegases wurden ersetzt. „In den nächsten Jahrzehnten werden wir den größten industriellen Wandel unserer Zeit erleben – vielleicht sogar aller Zeiten“, versprach von der Leyen in ihrer gestrigen Rede. Europa wolle der „Weltmarktführer für saubere Energien“ werden.
Ukraine
Zentrales Thema in Davos ist der Krieg in der Ukraine. Lange wurde spekuliert, ob der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich in Davos erscheinen würde. Aus Sicherheitsgründen ließ er sich dann doch per Video zuschalten. Stattdessen reiste seine Frau, die First-Lady Olena Selenska, in die Schweizer Berge. „Wir müssen der Bedrohung ins Auge sehen, der Bedrohung, dass die Welt wie wir sie kannten, nicht weiter bestehen wird“, warnte sie und warb einmal mehr um schwere Waffen aus dem Westen. Unterstützung bekommt sie vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda. Dieser wirbt in Davos dafür, Leopard-2-Panzer im europäischen Verbund zu liefern. Europa müsse „ein neues Kapitel“ in der Militärgeschichte aufschlagen. Dieser Appell war vor allem an den deutschen Kanzler Olaf Scholz gerichtet, dessen Rede für heute Mittwoch angekündigt wurde.
Franziska Tschinderle