Es hat gerumpelt aber gehalten: Die Koalition aus ÖVP und Grünen wäre die erst zweite Regierung, der das seltene Kunststück gelingt, die volle Legislaturperiode durchzuregieren.
Morgenpost

Wenn eine Koalition platzt, kann das viel Steuergeld kosten

Viele Last-Minute-Wahlzuckerl summieren sich auf Milliardensummen. Je kürzer eine Regierung hält, desto teurer die Goodies. Dafür fehlt anderswo Geld – etwa für Kindergärten.

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Viel kann jetzt nicht mehr passieren, nur ein paar Wochen muss sie noch durchhalten. Dann ist der Schwarz-Grünen-Bundesregierung gelungen, was ihr kaum jemand zugetraut hätte: Sie ist, obwohl die beiden ungleichen Koalitionspartner bei fast jedem Sachthema inhaltlich weit auseinanderliegen, nicht vorzeitig in die Luft geflogen, sie hat Krisen (von Corona bis Energie) genauso überstanden wie Kanzlerwechsel und Korruptionsskandale. Und ist nicht in vorzeitige Neuwahlen geschlittert – sondern hat als erst zweite Regierung (nach SPÖ-ÖVP, konkret Werner Faymann und Michael Spindelegger 2008 bis 2013) das seltene Kunststück geschafft, die volle Legislaturperiode durchzuregieren. Es hat gerumpelt, aber gehalten.

Das kann eine gute Nachricht für das Budget bedeuten. Die peniblen Datenfüchse vom Fiskalrat haben akribisch zusammengestellt, wie teuer so genannte „Wahlzuckerl“ kommen - also Last-Minute-Geschenke, die in keinem Regierungsprogramm stehen. Die ernüchternde Summe: Erkleckliche 31 Milliarden Euro an Wahlzuckerln belasten seit 2008 den Staatshaushalt. Auffällig dabei: Je früher eine Koalition platzt, je lauter dabei gestritten, je heftiger sich die ehemaligen Regierungspartner gegenseitig die Schuld daran vorwerfen, desto zahlreichere und noch dazu besonders kostspielige Wahlzuckerl werden beschlossen.

Paradebeispiel ist das Jahr 2008: „Es reicht“ donnerte die ÖVP damals im Juli nach nur eineinhalb Jahren Regierungszeit der SPÖ entgegen, davor war monatelang gestritten worden. Vier Tage vor der Neuwahl im September 2008 kam es zur berühmten Nationalratssondersitzung, in der von Steuererleichterungen bis zur Sonderpensionsform Hacklerregelung Goodies beschlossen und Familienbeihilfen erhöht wurden. Kosten: Knapp drei Milliarden Euro. Fixiert vom freien Spiel der Kräfte mit wechselnden Mehrheiten ausgerechnet zu einer Zeit, als die US-amerikanische Investmentbank Lehman bereits pleite war und die Weltwirtschaftskrise nach Europa schwappte. Kurz: Viele falsche Maßnahmen zur falschen Zeit - die sich bis heute aufsummieren. 

Deutlich billiger gab es die nächste Regierung: Sie hielt bis zum Ende – und sich mit Wahlzuckerln vergleichsweise zurück. Danach fanden SPÖ und ÖVP zur nächsten Koalition zusammen. Die endete wieder vorzeitig: Sebastian Kurz kündigte nach seinem Aufstieg zum ÖVP-Parteichef im Frühsommer 2017 die Koalition auf – und SPÖ und ÖVP führten einen hitzigen Wahlkampf gegeneinander. Die teure Folge: Wahlzuckerln. Ebenso ins Volle griffen die Parteien 2019: Die ÖVP-FPÖ-Regierung war nach dem Ibiza-Video nach rund zwei Jahren in die Luft geflogen, ein Experten-Kabinett unter Übergangskanzlerin Brigitte Bierlein regierte – und die wahlkämpfenden Parteien gaben sich, von Pensionen bis Pflege, spendabel.

Der Langzeit-Kanzler der 1970er Jahre, Bruno Kreisky, gilt als Erfinder der Faustregel, wonach eine erfolgreiche Wahlkampagne je eine Forderung „fürs Herz, fürs Hirn und fürs Geldbörsel“ beinhalten muss. Getreu diesem Motto versprach er unter anderem 10.000 Schilling Geburten- und 15.000 Schilling Heiratsbeihilfe. Für Wahlerfolge braucht es aber mehr als Geldgeschenke.

Außerdem fehlt dafür ohnehin der Spielraum. Christoph Badelt, Präsident des Fiskalrats, warnt eindrücklich vor der wachsenden Verschuldung Österreichs. Die ÖVP geißelt zwar gerne die Defizitpolitik der SPÖ – besetzt aber seit über zwei Jahrzehnten das Finanzministerium und ist vom Nulldefizit weit entfernt. Das engt, so warnt Badelt, den finanziellen Radius für notwendige Investitionen ein. Zu besichtigen ist das etwa bei den Kindergärten, das bittere Ergebnis einer Erhebung: Im Jahr 2024 ist nur jeder zweite Kinderbetreuungsplatz mit einem Vollzeitarbeitsplatz vereinbar, Österreich hinkt anderen Staaten weit hinterher. Die schwarz-grüne Regierung hat den Ausbau zugesagt - endlich.

Vielleicht hält sie sich im herandräuenden Wahlkampf auch mit Wahlzuckerln zurück.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin