Morgenpost

Wer bei der Fußball-WM garantiert verlieren wird

Ausgerechnet die österreichische Bundesregierung ist mitverantwortlich dafür, dass viele Menschen schlechte Karten haben.

Drucken

Schriftgröße

Wer gestern die blamable Niederlage der argentinischen Nationalmannschaft auf der Rechnung hatte, und auf einen Sieg von Saudi-Arabien wettete, konnte seinen Einsatz je nach Anbieter locker verzwanzigfachen. Aus 100 Euro wären 2000 Euro geworden.

Klingt verlockend? Ist es für viele Menschen auch. Wettanbieter werben derzeit mit aggressivem Marketing um neue Kunden. „Die einen werden Weltmeister, die anderen eben Geldmeister“, lockt einer der Slogans mit dem Jackpot – und stellt gar einen Bonus-Gewinn von 100.000 Euro in Aussicht.

Das Geschäft mit den Quoten könnte man als harmlose Spielerei abtun, als Zusatz-Kick für Fußballfans.

Das Problem daran: Vom legalen Wettangebot ist es auf den Websiten vieler Anbieter nur ein Klick bis zum konzessionslosen Online-Glücksspiel. Viele große Marken wie Interwetten und bwin bieten legale Tippspiele auf Sportergebnisse an. Einen Menüpunkt weiter locken sie aber auch mit Roulette und digitalen Walzenspielen, die laut Brancheninsidern deutlich lukrativer sind.

Die WM könnte so als Einstiegsdroge in die Spielsucht dienen. Denn wer sich erst einmal einen Account fürs Tippen angelegt hat, kann seine Einsätze ganz einfach auch in digitalen Casinos verzocken. Anders als bei Sportwetten, bei denen Spieler zumindest ihr Vorwissen über die Fußballmannschaften einkalkulieren können, entscheidet bei Roulette und digitalen Walzen-Spielen ausschließlich der Zufall.

Bereits die Corona-Pandemie bescherte den Betreibern von Online-Glücksspielen satte Gewinne. Dabei gibt es in Österreich nur einen Konzessionär für Online-Gaming, und zwar Win2Day, eine Tochter der Österreichischen Lotterien. Alle anderen Anbieter operieren mit Glücksspiel-Lizenzen aus Malta oder Gibraltar. Das Finanzministerium klassifiziert sie als „illegal“ – unternimmt aber nichts gegen das konzessionslose Treiben.

Im Gegenteil: Wie meine Kollegin Edith Meinhart und ich für das profil der Vorwoche recherchierten, kann sich der Finanzminister über die Verluste österreichischer Spieler in illegalen Online-Casinos freuen. Denn die Betreiber, egal ob mit oder ohne Lizenz, müssen ihre Glücksspielabgabe ans Finanzamt abführen, die immerhin 40 Prozent der Verluste der Spieler ausmacht. Im Corona-Jahr 2020 wanderten so 90,3 Millionen Euro in die Staatskasse. Das bedeutet, dass der illegale Markt zumindest 226 Millionen Euro pro Jahr umsetzt.

Die Bundesregierung könnte das Problem übrigens denkbar einfach lösen, seit Jahren liegt dazu ein fertiger Gesetzesentwurf im Ministerium herum: Mittels IP-Blocking könnten die Seiten der illegalen Anbieter für User aus Österreich gesperrt werden. Das wäre im Vorfeld der WM die sinnvollste Spielerschutzmaßnahme gewesen. Doch die Verhandlungen zum Glücksspielpaket, das bereits vor über einem Jahr angekündigt wurde, liegen auf Eis. Laut profil-Infos drängen die Grünen auf strengere Spielerschutzmaßnahmen beim stationären Angebot, also in Spielbanken und Automatensalons. Die ÖVP ist dagegen. Das IP-Blocking steht zwar außer Streit, wird aber trotzdem nicht umgesetzt. So verfahren kann Realpolitik manchmal sein.

Wetten, dass die Online-Casinos zu den großen Gewinnern der Fußball-WM werden?

Einen glücklichen Mittwoch wünscht Ihnen

Jakob Winter

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.