Fußballstar Hinteregger nach dem Ausstieg aus dem Spitzensport: „Plötzlich wieder durchschlafen“
Die Verletzung bahnte den Weg in die Freiheit. Knapp bevor der Weltverein AC Milan den Kärntner Fußballstar und Fanliebling bei Eintracht Frankfurt Martin Hinteregger, damals 29 und am Zenit seiner Karriere, verpflichten wollte, fiel er für einige Wochen aus – mit der erstaunlichen Konsequenz „plötzlich durchschlafen zu können“: „Ich habe gesehen, wie schön das ist, wenn du keinen Druck hast.“
Inzwischen hat der heutige 30-jährige Hinteregger das Gefühl der Druck-Freiheit festgehalten, indem er den Millionendeals, der Fanmaschinerie und dem goldenen Spitzensport-Käfig, in dem ständig Leistung zu liefern war, den Rücken kehrte, und in sein 300-Seelen zählendes Heimatdorf in den Kärntner Nockbergen zurückkehrte. Dort besuchte ihn profil-Autor Gerald Gossmann nach einer langen idyllischen Fahrt an Kühen vorbei und unterbrach die Akkordeon-Übungsstunde seines Interviewpartners, denn Hinteregger hatte sich gerade seine Ziehharmonika umgeschnallt. In der einfühlsamen Reportage erzählt der blonde Hüne, wie er den Entschluss fasste, diesem Leben, in dem zunehmend Alkohol, immenser Stress, Lügen bei Interviews und Schlafstörungen zum Alltag gehörten, zu entkommen. Und nichts schöner findet, als ein normales Leben: „Essen, wenn man hungrig ist. Schlafen, wenn man müde ist.“
Besonders im Spitzensport galt es jahrelang als totales Tabuthema, wenn Versagensängste und permanenter Druck sich in die psychische Gesundheit frästen. Traumatisierend für deutsche Fußballfans war der Suizid des deutschen National-Torwarts Robert Enke, der seiner Frau noch erklärt hatte „Alles ist ok“, ehe er sich 2009 in seiner Heimatgemeinde Himmelreich auf die Schienen legte. Die Witwe Teresa, die mit ihrem Mann eben eine Tochter adoptiert hatte, rief eine Stiftung zur Aufklärung gegen Depressionen ins Leben.
Mutige Pionierin, was die Offenlegung ihrer psychischen Verletztheiten betrifft, war die japanische Tennisspielerin Naomi Osaka, die inzwischen ein Baby erwartet und sich auf Platz 439 der Weltrangliste befindet, als sie sich 2021 vorzeitig in Paris von einem Grandslam-Turnier verabschiedete und sich auf Twitter zu ihren Depressionen bekannte. Im selben Jahr erregte die 24-jährige Spitzenturnerin Simone Biles weltweites Aufsehen, als sie sich zum „Kampf mit ihren inneren Dämonen“ bekannte und sich aus den Wettkämpfen bei den Olympischen Spielen in Tokio zurückzog.
Wie wichtig es für das öffentliche Bewusstsein und die Reduktion des Schamgefühls Betroffener ist, dass auch solche scheinbar unverwundbaren Idole sich zu ihren mentalen Einbrüchen bekennen, dokumentieren zahlreiche Studien und wird von Expertinnen bestätigt.
Dass „Barbies brutales Schönheitsevangelium“, so die australische Feministin Germaine Greer, jetzt wieder in ironisierter Form mit Greta Gerwigs „Barbie“-Film alle Einspielergebnisse durchbricht, muss man nicht nur super finden. Denn schließlich evoziert der Hype um ein surreales Körperbild nicht nur quietschpinke Laune, sondern bestärkt ein Heer von Selbstoptimierungs-Jüngerinnen auf TikTok und Instagram, die sich alle dem sexuell offensiven Einheitslook des Barbieschen Schönheitsideals verschrieben haben. Und beflügelt durch die sozialen Medien Essstörungen und Schönheits-OPs, die immer häufiger auch bei immer jüngeren Frauen auftreten. „Man verliert sukzessive das Bild von sich selbst“, erklärte die Wiener Influencerin und Bachelor-Mitstreiterin Sabrina Wlk, 25, die 77.000 Follower hinter sich hat und gerne als Austro-Barbie punziert wird. Im profil-Interview erklärte sie: „Hey, wir sind alle individuell auf die Erde gesetzt, aber machen wir das Beste draus.“ Möglicherweise geht diese Form von Empowerment ein wenig in die falsche Richtung.
In der Hoffnung, Ihnen nicht den Barbie-Spaß verdorben zu haben
Angelika Hager