Wie Jubeln und Packeln die türkis-grüne Beziehung renaturieren
Nach dem Alleingang der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler in Brüssel - sie stimmte dem Renaturierungsgesetz gegen den Willen der Volkspartei zu - sah es kurz nach einem vorzeitigen Ende der Regierung aus. ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer entschied sich bloß für eine Eiszeit und eine Anzeige Gewesslers wegen Amtsmissbrauchs. Es war nicht der erste Knatsch in der Regierung. Warum die so ungleiche Polit-Ehe seit 4,5 Jahre hält, ist nicht zuletzt Nehammers Draht zu Vize-Kanzler Werner Kogler geschuldet. Und wer die beiden nach dem historischen Sieg in der Kabine des Nationalteams jubeln sah, der ahnt: Auch diese Eiszeit ist schon wieder stark angetaut.
Tickets für Spitzenplätze zu vergeben
Zweiter Grund für das Tauwetter: Man will noch eigene Leute unterbringen, bevor die Regierungsperiode nach der Wahl im September endet. Die entsprechende Vorbereitung war wohl zu weit gediehen, um sie dem Streit über wieder begrünte Wiesen zu opfern. Es geht um die Spitzenposten in der Oesterreichischen Nationalbank OeNB und der Finanzmarktaufsicht.
Neuer Gouverneur der Nationalbank soll auf einem Ticket der ÖVP der bisherige Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher werden. Er würde Robert Holzmann beerben, der es einst auf dem Ticket der FPÖ an die Spitze schaffte. Holzmanns Vertrag endet erst im Sommer 2025. Durch seine ungewöhnlich frühe Nachbesetzung können ÖVP und Grüne sicherstellen, dass keine neue Regierung dazwischenfunkt. Auch der bisherige Fixspieler der ÖVP in der OeNB, Direktor Thomas Steiner, könnte so frühzeitig auf seiner Position verweilen. Der einst von Blau gebrachte Direktor, Eduard Schock, soll wiederum durch einen Vertrauten von Kogler ausgetauscht werden.
Rot-Weiß-Rote Traditionen
Auch ein Führungsposten in der Finanzmarktaufsicht wird neu besetzt. Die von der Regierung favorisierte Kandidatin steht in der Kritik, mäßig geeignet zu sein. Eine Kritik, die sich einst auch FPÖ-Mann Schock gefallen lassen musste. Damals wurden Rufe nach öffentlichen Hearings, transparenteren Verfahren, Cooling-Off-Phasen laut. Und heute?
FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz wirft der türkis-grünen Regierung nun „übelsten Postenschacher" vor. Das mutet skurril an. Denn es war der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der den traditionellen Postenschacher in rot-weiß-rot mit einem SMS amtlich machte: „Der zweite Nationalbank-Direktor muss auch von uns sein, sonst wird unsere Macht geschwächt", textete er im November 2018.
Was ebenfalls schräg anmutet: Wie leise die Kritik an den OeNB-Rochaden heute ist im Vergleich zu damals, und wie alte Polit-Traditionen auch unter grüner Regierungsbeteiligung fortgesetzt wurden.
Wie man mit österreichischen Traditionen - wie häufigen Fehlpässen und Nervenschwäche bei Großereignissen - bricht, konnten Kogler und Nehammer beim historischen Fußballabend beobachten.
Gemma, Burschen!