Morgenpost

Nach Internet-Betrug: Wie zwei Worte zu Millionen Euro werden

Die österreichischen Firmen Rondo-Ganahl und FACC wurden um Millionen betrogen. Die Justiz erwischte die Betrüger und stellte das Geld sicher – behielt es aber aufgrund einer Rechtslücke. Nach Berichterstattung von profil und einer Gesetzesreform erhielten die Geschädigten nun ihr Geld zurück.

Drucken

Schriftgröße

Zwei Worte sind für die österreichischen Firmen FACC und Ganahl wortwörtlich Millionen wert. Konkret: 10,8 Millionen Euro für FACC und 3,79 Millionen Euro für Ganahl für die Worte „oder Vermögenswerte“ in einem Gesetzestext. Dies ist eine kurze, positive Geschichte über internationale Betrüger, erfolgreiche Ermittler, überholte Gesetze, wichtige Reformen und den Wert von Journalismus.

Einen Tag vor Weihnachten 2015 wird der Vorarlberger Verpackungshersteller Rondo Ganahl Opfer eines Internet-Betrugs. 3,79 Millionen Euro verschwinden nach China. Die Firma handelt schnell, erstattet noch am selben Tag Anzeige. Kurz nach Weihnachten wird ein Konto der Betrüger in China eingefroren, es gibt nur eine Einzahlung, keine Auszahlung und der Kontostand beträgt: 3,79 Millionen Euro. Auch der Innviertler Luftfahrtzulieferer FACC wird Opfer der Betrugsschiene, hier können die Behörden aber von 54,2 Millionen Euro nur 10,8 Millionen sicherstellen. Besser als nichts. Doch der lange Leidensweg der beiden Firmen beginnt damit erst.

Jahrelange Rechtsposse

Denn nachdem das Geld zurück in Österreich ist, weigert sich die Justiz, es auch an die geschädigten Firmen zurückzugeben. Beschlagnahmte Gegenstände sollen zwar per „Ausfolgung“ so rasch wie möglich an ihre Eigentümer übergeben werden. Das beziehe sich aber „allein auf körperliche Sachen“, argumentiert etwa die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien am 12. September 2019. „Unkörperliche“ Dinge wie elektronische Konten seien davon nicht betroffen. 

Anders gesagt: Wird ein Geldschein gestohlen, kann er zurückgegeben werden. Wird digitales Geld erschwindelt, bleibt es bei der Justiz. Die beiden Firmen fahren alle juristischen Geschütze auf, um an ihr Geld zu kommen, doch die rechtliche Lücke bleibt durch alle Instanzen offen.

Im September 2023 berichtet profil erstmals über die Rechtsposse. „Man kann schon sagen, dass die Ausfolgung von Geld auf elektronischen Konten einfach nicht ordentlich geregelt ist“, sagt damals Strafrechtsexperte Robert Kert am Institut für Wirtschaftsstrafrecht der WU Wien. Und das Justiz-Ressort erklärt gegenüber profil, man prüfe, ob es eine Gesetzesänderung brauche, Zusatz: „Eine gesetzliche Änderung könnte gegebenenfalls im Rahmen der Reform der Strafprozessordnung (StPO) erfolgen.“ 

Ende 2024 ist es dann so weit: ÖVP und Grüne überarbeiten die StPO, beschließen dabei unter anderem neue Regeln zur Handysicherstellung, stärken die Beschuldigtenrechte – und reparieren den Umgang mit beschlagnahmtem Digitalvermögen. Zwei Worte brauchte es dafür: In den relevanten Paragrafen wird nunmehr geregelt, dass die Staatsanwaltschaft Gegenstände „oder Vermögenswerte“ an Opfer zurückgeben darf. Seit Anfang 2025 können also nicht nur Geldscheine an Opfer überreicht, sondern auch Geldsummen überwiesen werden.

Am 17. März 2025 trauen die Verantwortlichen bei Ganahl ihren Augen dennoch kaum. Nach mehr als neun Jahren ist das Geld der Firma tatsächlich zurück auf ihrem Konto. „Ich glaube, dass der Artikel in profil der Hauptanschub in der Sache war“, sagt Klaus Schneider-Paier, CFO der Rondo Ganahl AG: „Dadurch ist meines Erachtens der notwendige Druck entstanden, um eine Veränderung zu bewirken.“ Ende März erhält auch die FACC ihr Geld zurück. „Die schlussendliche Rücküberweisung der Gelder an die FACC beendet ein langjähriges juristisches Kapitel“, sagt  Vorstandschef Robert Machtlinger in einer Aussendung. 

Ende gut, alles gut.

PS: Kritischer Journalismus zeigt Lücken auf. Die besten und wichtigsten Geschichten aus 55 Jahren bringt profil jetzt auch auf die Bühne: Zu Programm, Terminen und Karten.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und mag Grafiken. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.