Morgenpost

Wieso wir das EU-Lieferkettengesetz doch brauchen

Diesmal steckt nicht die Ware fest, sondern das Gesetz. Der EU-Rat hätte heute über das Lieferkettengesetz abstimmen sollen. Daraus wird nichts. Wieso eigentlich?

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Es ist noch früh, also worum geht es in der aktuellen Debatte rund um die geplatzte Abstimmung über ein EU-Lieferkettengesetz? Unternehmen und ihre Konsumenten sollen Menschen und Umwelt weniger schaden – und zwar weltweit. Dafür müssten Unternehmen genau wissen, was in ihren Fabriken, bei ihren Lieferanten und Subunternehmern passiert, es berichten und gegebenenfalls Arbeitsbedingungen und Umweltstandards verbessern – und zwar weltweit. Das ist der Kern des EU-Lieferkettengesetzes.

Zwei Jahre lang wurde darüber diskutiert, verhandelt und die Feinheiten abgestimmt. Vergangene Woche hätte in Brüssel auf Botschafterebene über das Gesetz abgestimmt werden sollen. Aber die deutsche FDP sprach sich gegen den Gesetzesentwurf aus, der heimische Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) zog nach und kündigte an, dass sich Österreich bei der Abstimmung in Brüssel enthalten werde. Italien zögert nun auch. Damit der Text verabschiedet werden kann, braucht es aber eine qualifizierte Mehrheit (also 15 von 27 Mitgliedstaaten, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren). Die Abstimmung wurde daher verschoben – auf heute, dann auf Freitag und nun vermutlich auf nächste Woche. 

Warum aber das Tauziehen rund um eine eigentlich beschlossene Sache? Ein Versuch der Erklärung anhand von zwei Argumenten gegen das geplante Gesetz und was trotzdem dafür spricht.

Bürokratie für weniger Kinderarbeit ist in Ordnung

Die Industriellenvereinigung meinte, das Gesetz sei zu bürokratisch. Bürokratie findet so ziemlich jeder mühsam. In diesem Fall geht es aber darum, Kinderarbeit und Ausbeutung zu reduzieren. Ein durchaus valider Grund für mehr Papierwerk. Das Gesetz betrifft außerdem nur große Firmen. Es richtet sich an Betriebe, die ihre Niederlassung im Land haben, mindestens 500 Mitarbeiter beschäftigen und 150 Millionen Euro Umsatz weltweit erzielen. Das österreichische Start up Prewave schlägt etwa mittels einer eigens dafür entwickelten KI eine technologische Lösung vor, um den bürokratischen Aufwand zu reduzieren. Und man könnte argumentieren, dass eine verschachtelte Unternehmensstruktur auch einen hohen bürokratischer Aufwand darstellt. Wird trotzdem gemacht

Der Status quo schadet Menschen im globalen Süden

Vom wirtschaftsliberalen Forschungsinstitut Eco-Austria hieß es, das Gesetz schade Entwicklungsländern. Es gibt wenig Evidenz dafür, dass sich Unternehmen aus Entwicklungsländern zurückziehen werden, schreibt Werner Raza von der österreichischen Forschungsstiftung für internationale Entwicklung auf X (früher Twitter). Falls doch, sei „gerade aufgrund der überragenden Bedeutung des Bekleidungssektors in Ländern wie Kambodscha (14% des BIP) oder Bangladesch (12% des BIP) ist zu erwarten, dass Industrie & Regierung mit Schritten zur Verbesserung der Standards reagieren werden.“ 

Wie geht es nun weiter?

Am Donnerstag möchte die SPÖ im EU-Unterausschuss einen Antrag zu diesem Thema einbringen. Mit einer Mehrheit will sie Minister Kochers Abstimmungsverhalten binden. Das wird vermutlich schwierig. Justizministerin Alma Zad von den Grünen hat sich zwar für das Gesetz ausgesprochen. ÖVP, FPÖ und NEOS sind aber skeptisch.

Wirtschaftsminister Kocher spricht sich für eine Rückkehr zum Verhandlungstisch aus. Das ist bereits das zweite Mal. Im Dezember 2022 stimmten die Wirtschaftsminister über einen ersten Entwurf des Gesetzes ab, damals enthielt sich Kocher ebenfalls. Es brauche mehr Zeit, hieß es aus dem Ministerium. Zwei weitere Verhandlungsjahre haben wohl nicht gereicht.

Clara Peterlik

Clara Peterlik

ist seit Juni 2022 in der profil-Wirtschaftsredaktion. Davor war sie bei Bloomberg und Ö1.