
August Wöginger vor Gericht in Linz.
Großes Medieninteresse bei der Gerichtsverhandlung gegen August Wöginger in Linz am 7. Oktober.
Diversion für Wöginger: Ein Triumph für die Korruption
Es kommt nicht oft vor, dass ein Korruptionsdelikt so wasserdicht vor Gericht kommt wie der Fall von August Wöginger gestern am Landesgericht Linz. Und dennoch kommt der ÖVP-Spitzenpolitiker ohne Verurteilung davon. Juristisch mag das in Ordnung sein, politisch ist das eine Katastrophe.
Gestern stand Wöginger, Klubobmann der ÖVP-Fraktion im Parlament, als Angeklagter vor Gericht. Er hat einem Parteifreund einen Job als Leiter eines Finanzamtes zugeschanzt, obwohl es eine besser qualifizierte Bewerberin gegeben hatte. Mein Kollege Julian Kern war gestern in Linz und hat hier berichtet, worum es in der Sache geht, und hier, wie es ausgegangen ist.
Kurz gefasst, erklärte August Wöginger dem Gericht, dass es ihm leid tut und zahlt eine Geldbuße von 44.000 Euro. Eines vorweg: Ich finde es positiv, dass es im österreichischen Strafrecht die Möglichkeit einer Diversion gibt. Das bedeutet, dass die Angeklagten Verantwortung für ihr Tun übernehmen. Sie geben dazu eine Erklärung vor Gericht ab und akzeptieren zum Beispiel eine Geldstrafe oder leisten gemeinnützige Arbeit. Dafür ersparen sie sich eine Verurteilung und die Justiz erspart sich Gerichtsverfahren.
Juristisch mag es auch keinen Unterschied machen, dass Wöginger erst „Verantwortung” gegenüber dem Gericht übernommen hat, nachdem seine beiden Mitangeklagten ihr Fehlverhalten eingeräumt hatten. Davor hat Wöginger seine Intervention für den Parteifreund als eine besonders engagierte Form von „Bürgernähe” dargestellt - eine groteske Verharmlosung für Korruption. Das politische Problem ist nicht unbedingt das individuelle Vergehen von Wöginger oder die Frage, ob es dem Mann an der Integrität fehlt, sein Mandat auszuüben. Das politische Problem ist, dass weder Wöginger noch die ÖVP das Problem auch nur als solches erkennen wollen. Die Volkspartei ist seit dem Jahr 2000 quasi durchgehend in Regierungsverantwortung und ebenso lange in die verschiedensten Korruptionsskandale verwickelt: Von der Parteienfinanzierung über schwarze Kassen der teilstaatlichen Telekom Austria Anfang der Nullerjahre bis zur (mutmaßlichen) Inseratenkorruption rund um Sebastian Kurz - und ständig: Postenschacher. Es ist schön, wenn die Richterin in Linz erkennt, „dass ein solches System des Postenschachers keinen Platz in unserer Rechtsordnung hat“. Aber in unserer Regierung schon?
August Wöginger hat nach der Gerichtsverhandlung gestern ein Statement abgegeben, das wenig mit Verantwortung, dafür viel mit Selbstmitleid zu tun hat: „Das ist nicht einfach, wenn man immer wieder mit Vorwürfen konfrontiert wird und vor allem auch, dass ständig in den Medien berichtet wird. Um so größer ist die Erleichterung heute, dass mir das Gericht ein Angebot gemacht hat und damit diese Sache für mich auch erledigt ist.”
Und auch Bundeskanzler und ÖVP-Parteiobmann Christian Stocker hielt umgehend in einer Aussendung fest: „Damit ist die Angelegenheit für ihn und für die Volkspartei erledigt.“ Sollte es aber nicht, liebe Volkspartei.