Kugelkoller erfreulicherer Klasse findet sich dagegen in drei neuen Kompendien, die gewissermaßen die Spiele der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland flankieren, auf den Platz gestellt von Könnern ihres Fachs. Lucas Vogelsang, Jahrgang 1985, sagt von sich selbst, er sei „ein Kind der Bundesliga“. Da es aber nicht zum Fußballer reichte, wurde er Autor und preisgekrönter Podcaster. In „Nachspielzeit“ porträtiert Vogelsang Meistertrainer, Weltfußballer und Spielfeldtragiker. Javier Cáceres tauscht in „Tore wie gemalt“ Schreib- gegen Zeichenstift: Cáceres, geboren 1970 in Chile und Sportredakteur der „Süddeutschen Zeitung“, versammelt darin 118 eigenhändige Skizzen und Kurzkommentare von bekannten Fußballern über ihr schönstes und wichtigstes Tor. 118 Heldenstücke, eilig gekritzelt. „In der Freude über das Tor gibt es keine sozialen Klassen, keine Rassen oder Geschlechter“, bemerkt der ehemalige argentinische Spieler Jorge Valdano im Vorwort, der auch einige wichtige Tore schoss und bis heute als Fußballphilosoph brilliert: „Auch wenn wir im Alltag lästige Beweise dafür finden, dass wir uns zu unterscheiden scheinen, so sind wir einander auf verblüffende Weise gleich, und es gibt keinen größeren Beweis dafür als die Explosion der Sinne, die man Tor nennt.“
Schließlich „Mutproben“ des ehemaligen deutschen Nationalspielers Thomas Hitzlsperger, dem beim Schreiben Cáceres’ Redaktionskollege Holger Gertz, 55, zur Seite stand. Hitzlspergers Mutprobe bestand darin, sich Anfang Jänner 2014 als erster deutscher Fußballprofi öffentlich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Vor zehn Jahren wurde die heile Fußballwelt, die lange Zeit mit Verlogenheit und Versteckspiel einherging, mit der gesellschaftlichen Realität konfrontiert.
Die drei Bücher fassen ihr Thema weit, in einer Prosa, die das Terrain des „wichtigsten aller unwichtigen Dinge im Leben“ (Arrigo Sacchi) ohne eilfertige Schwärmerei und mit viel Schalk durchmisst. Man merkt bald: Fußball ist Spiel – und Erzählung. Milliardenbusiness – und Emotionshochschaukel. Penalty, Platzverweis, Pressing – und Politikum. Die Mär vom Fußball als letztem unpolitischen Flecken auf Erden im Standardmaß 105 mal 68 Meter kommt langsam an ihr Ende.
Pelé, Franz Beckenbauer, Zico oder Luís Figo zeichnen ihre Traumtore (in „Tore wie gemalt“); der Europameister-Trainer Otto Rehhagel und die tragische Figur des Tormanns Tim Wiese, der nie Angst beim Elfmeter, sondern vor dem Leben hatte, in Porträts, die diesen Namen verdienen (in „Nachspielzeiten“); als Fußballer seine Liebe leben (in „Mutproben“): Fußball schreibt die besten Geschichten.