140.000 Senior:innen stimmen über die Zukunft der SPÖ ab
63 Jahre - das ist nicht nur fast das Durchschnittsalter des Pensionsantritts in Österreich, sondern auch der Altersschnitt der Mitglieder der SPÖ; also jenen Personen, die sich bald zwischen Rendi-Wagner, Doskozil und Kowall entscheiden müssen.
Die SPÖ-Mitglieder sind also alt - und werden immer weniger. 1980 hatte die Partei in Österreich noch rund 700.000 Mitglieder; als Pamela Rendi-Wagner 2020 die Vertrauensfrage stellte, zählte sie nur noch 158.000 Genossinnen und Genossen mit Parteibuch. Zur nächsten Mitgliederbefragung werden 140.000 Wähler:innen gebeten.
Ein Minus von 18.000 in knapp drei Jahren: Kein Ergebnis, auf das man stolz sein darf. Die ÖVP zählt im Vergleich dazu offiziell rund 600.000 Parteimitglieder.
Entscheiden also 140.000 Pensionist:innen darüber, wer künftig der SPÖ vorsitzt? “Das politische Engagement bei jungen Menschen ist weiterhin da, nur das Verständnis für Politik hat sich geändert”, verteidigt der ehemalige SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina den Mitgliederschwund. “Es gibt fast keine Stammwähler mehr, auch das Lagerdenken hat sich aufgehört.”
Einen Masterplan, um junge Menschen wieder für die SPÖ begeistern zu können, gibt es laut Kalina nicht. Eine Antwort darauf könnte aber Nikolaus Kowall bieten, der überraschend am Dienstag seine Kandidatur als Spitzenkandidat ankündigte. Der 40-Jährige Bezirksfunktionär aus Wien-Alsergrund war 13 Jahre lang Wortführer der parteikritischen Sektion 8.
“Wir haben gute Leute in der Partei, von Landeshauptleuten abwärts. Erfolg in der Politik kommt von einer klaren Programmatik, die die Leute verstehen”, führt Josef Kalina weiter aus. Nur: Diese “Programmatik” geht in der SPÖ-Führungsdebatte aktuell unter. Kernthemen wie die Bekämpfung der Teuerung, Arbeitsmarkt, Gesundheit und leistbares Wohnen werden durch die internen Machtkämpfe verdrängt. “Wie hole ich die Wählerinnen und Wähler wieder zurück?”, fragt sich auch Kalina. “Man braucht eine klare, emotionale Antwort. Diese Frage muss im Rahmen dieser Führungsdebatte ebenso abgeklärt werden.”
Wer wählt die SPÖ?
Urban, Pflichtschulabschluss und 60 Jahre oder älter. Das ist die Blaupause eines klassischen SPÖ-Wählers, zumindest bei der letzten Nationalratswahl 2019.
Bei den 16- bis 29-Jährigen erreichte die SPÖ nämlich gerade einmal 14 Prozent - und den vierten Platz hinter der ÖVP (27 Prozent), den Grünen (27 Prozent) und der FPÖ (20 Prozent).
Allerdings ist die SPÖ die einzige Partei, die annähernd gleich oft von Männern als auch Frauen gewählt wurde.
Von der ursprünglichen Stammwählerschaft ist 2023 nicht mehr viel übrig. Von rund 4,4 Millionen Erwerbstätigen in Österreich sind lediglich knapp 980.000 Arbeiterinnen und Arbeiter. Und bei der letzten Nationalratswahl gaben diese vorwiegend der FPÖ (48 Prozent) ihre Stimme. Die SPÖ wählten nur 23 Prozent der Arbeiterinnen und Arbeiter.
Quo vadis, Sozialdemokratie?
Die SPÖ will - und muss - ein breiteres Publikum ansprechen, um bei der nächsten planmäßigen Nationalratswahl im Herbst des nächsten Jahres zu punkten. Nach teils zweistelligen Verlusten bei den Landtagswahlen in Niederösterreich und Kärnten wartet in Salzburg der nächste Stresstest auf die Genossinnen und Genossen. Die Zeichen stehen auch dort angesichts der aktuellen Personaldebatten auf Verluste.
Sozialdemokratische Parteien versuchen europaweit, neue Wählerschichten von ihren Themenschwerpunkten zu überzeugen. In Dänemark und Deutschland rückte man deshalb Richtung Mitte, in Asylfragen sogar teilweise weit rechts davon. In Italien wiederum versucht sich Neo-Parteichefin Elly Schlein mit einem klar linken Kurs und will damit die progressive Bildungselite in Städten ansprechen. Ein Spagat, den sich auch der, oder die künftige SPÖ-Parteichef:in überlegen muss.