Schwarzarbeit

Abgabenbetrug: Seit der Kassenreform gibt es zu wenige Prüfer

Bei der Krankenkasse und der Finanz fehlen aktuell 85 Kontrolleure, die Abgabenbetrug von Unternehmen aufdecken sollen. Gründe dafür sind eine vermurkste Reform und ein „Aufnahmestopp“.

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Wer auf einer Skihütte stolze sechs Euro oder mehr für ein Krügerl bezahlt, der würde erwarten, dass die Kellner von diesem Geld ordentlich bezahlt und alle Abgaben abgeführt werden.

Doch offenbar ist vielfach das Gegenteil der Fall. Kontrolleure der Finanzpolizei schwärmten vor zwei Wochen in mehrere Skigebiete aus und fanden dort Ungeheuerliches: Schwarzarbeit, nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuerhinterziehung.

Zuvor hatten die Prüfer von Finanzpolizei und Österreichischer Gesundheitskasse (ÖGK) – die laut Gesetz für die „Gemeinsame Prüfung von Lohnabgaben und Beiträgen“ zuständig sind – bei Securityfimen und Paketdienstleistern ganz ähnliche Machenschften entdeckt.

Prüfer treiben weniger ein

Doch so spektakulär die Fälle sind, verdecken sie den Blick auf ein Problem. profil konnte einen exklusiven Blick in die Statistik der Prüfer werfen – ein durchwachsenes Bild. Denn im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren konnten die Prüfer der Kasse und der Finanz im Jahr 2023 deutlich weniger Abgabennachzahlungen eintreiben.

Es geht um gewaltige Summen: Zwischen 2015 und 2019 fanden die Prüfer pro Jahr im Schnitt 348 Millionen Euro an hinterzogenen Lohnsteuern und Sozialversicherungsabgaben. Während Corona lagen die Prüfergebnisse erwartbar deutlich darunter. Doch 2023 konnten die Kontrolleure nicht an ihre Ergebnisse vor der Pandemie anknüpfen: Sie fanden bloß 244 Millionen Euro.

Zahl der Prüfer im Sinkflug

Das dürfte auch daran liegen, dass aktuell deutlich weniger Prüfer im Einsatz sind – eine indirekte Folge der umstrittenen türkis-blauen Kassenreform.

Denn damals, 2019, wurden nicht nur die neun Gebietskrankenkassen zur Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) fusioniert, sondern auch die gemeinsame Beitragsprüfung abgeschafft – die Prüfkompetenz sollte ab Jänner 2020 exklusiv in die Verantwortung des Finanzministeriums wandern.

Die Gebietskrankenkassen reagierten im Jahr 2019 mit einem „Nachbesetzungsstopp“ bei den Prüfern, wie aus einem vertraulichen internen Bericht der ÖGK hervorgeht, der profil vorliegt: „Im Vorfeld zur geplanten Übertragung der Prüferinnen und Prüfer an die Finanz wurden allerdings 2019 von den Gebietskrankenkassen Nachbesetzungen nicht mehr vorgenommen. Auch die Finanz hat im 1. Halbjahr 2020 keine neuen Prüferinnen und Prüfer bestellt bzw. zur Ausbildung frei gegeben. Somit kam es 1,5 Jahre zu keinen Nachbesetzungen, jedoch fanden Pensionierungen statt.“ 

Ab Mitte 2020 war die neu geschaffene ÖGK dann allerdings doch wieder für die gemeinsame Prüfung mit der Finanz zuständig – die Verfassungsrichter hatten den Passus der Reform aufgehoben.

Kompetenz-Wirrwarr stört Prüfungsarbeit

Im internen Bericht der Kassa wird dazu festgehalten: „Sowohl die Überführung der Prüferinnen und Prüfer an das BMF als auch die Rückführung zur ÖGK führten zu Verzögerungen in der Prüfungsabwicklung.“ 

Das Ergebnis dieses Hin und Hers: Aufseiten des Finanzministeriums sind derzeit nur 184 Vollzeitäquivalente im Einsatz, wie das Ressort auf profil-Anfrage erklärt. Das ist ein Viertel weniger als vereinbart, die Finanz und die Kasse haben seit zwei Jahrzehnten den Deal, dass beide Organisationen jeweils 250 Prüfer stellen. Das BMF dürfte das Problem erkannt haben, denn aktuell werden 113 Vollzeit-Prüfer ausgebildet.

Auch bei der Kasse waren 2023 zu wenige Prüfer im Einsatz (insgesamt 231), während vor der Kassenreform der Soll-Wert von 250 meist erreicht wurde. Die ÖGK bildet laut profil-Infos derzeit 28 Prüfer aus.

Lerneffekt bei Unternehmen

Neben dem eigens verschuldeten Personalengpass dürfte es noch einen weiteren Grund für den Rückgang der Prüferträge geben: Für Unternehmen wurde es rechtlich heikler, Abgaben zu hinterziehen und neuerdings können auch Steuerberater bei Verstößen belangt werden. Die Kasse bezeichnet sie intern als „lernende Organisationen“. 

Der Lerneffekt hat allerdings auch seine Grenzen – wie die jüngsten Fälle von Schwarzarbeit belegen.

Jakob   Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.