Zahlungsempfänger: Bundesministerium für Inneres
Der 16. Februar 2019 ist ein schwarzer Tag im Leben von Martin Brunner, 57. Der IT-Techniker hatte alles in die Waagschale geworfen, um das Leben eines jungen Afghanen besser zu machen. Payman Qalandari, 22, sein Schützling, schien jeden Einsatz wert zu sein. Sehr schnell hatte er Deutsch gelernt, Freunde gefunden und geholfen, wo er konnte. Er gab anderen Flüchtlingen Nachhilfe, arbeitete in einem Altenheim, übersetzte bei Gericht. Einen Lehrvertrag hatte er praktisch in der Tasche.
Doch am 9. Jänner kam Payman Qalandari in Schubhaft. Am 16. Februar saß er im Flieger. Am nächsten Morgen um 6.50 Uhr landete er in Kabul. Für Martin Brunner, seinen „europäischen Vater“, brach eine Welt zusammen. Bis zum letzten Moment hatte er darum gekämpft, dass Qalandari in Österreich bleiben durfte. 2500 Menschen unterschrieben eine Petition. profil besuchte den jungen Afghanen Ende Jänner in Schubhaft.
Der 22-Jährige wirkte niedergeschlagen. „Mein Leben wird vernichtet“, sagte er hinter der Glasscheibe im Besucherraum des Polizeianhaltezentrums am Hernalser Gürtel in Wien. Martin Brunner versuchte, ihn aufzurichten: „Du bist unfassbar beliebt. Es wird alles Menschenmögliche gemacht. Du steigst nicht in diesen Flieger.“ Und: „Kopf hoch! Du musst essen, trinken. Bewegung machen. Einatmen. Ausatmen.“
Nun kann Brunner selbst Unterstützung brauchen. Vergangene Woche stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) Qalandaris Anwältin einen Bescheid zu. Darin steht, der Bund wolle „die Kosten der Durchsetzung der […] aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie die entstandenen Dolmetschkosten“ ersetzt haben. Der abgeschobene Afghane hat das Geld natürlich nicht. Die Republik könnte sich nun an dessen Helfer schadlos halten. Dem 57-Jährigen blieb die Luft weg, als er den Betrag las: 5421,83 Euro soll er auf ein Konto des Bundesministeriums für Inneres überweisen. 5302,33 Euro stehen laut Bescheid für „Flugticket und Esc“ [Eskorte, Anmerkung]. Dazu kommen 119,50 Euro für „Dolmetschleistungen“. Ironie am Rande: Der 22-jährige Afghane beherrscht Deutsch auf C1-Niveau, lernte vor seiner Abschiebung für die C2-Prüfung und war in Niederösterreich bereits als Übersetzer in Gerichtsverfahren eingesetzt worden.
"Innenminister Herbert Kickl setzt alles daran, Paten und Unterstützerinnen zu desavouieren"
Payman Qalandari hatte im Vorjahr einen rechtskräftig negativen Asylbescheid erhalten. Im Mai 2018 suchte seine Anwältin Vera Weld um ein Bleiberecht an. Freunde und Unterstützer standen für den jungen Afghanen ein. Und Martin Brunner unterschrieb eine Patenschaftserklärung, mit der er auch einwilligte, für Kosten aufzukommen, die sein Schützling dem Bund verursachen könnte. Das Papier liegt dem BFA vor. „Ich hätte damals nicht für möglich gehalten, dass man einen Menschen wie Payman Qalandari, der so begabt und so vorbildlich integriert ist, jemals abschieben würde“, sagt Brunner: „Das sind doch genau die Leute, die wir in Österreich brauchen.“
Am 9. Jänner lud das BFA den jungen Afghanen vor und nahm ihn völlig überraschend in Schubhaft – vor den Augen seiner Anwältin. Sie verfasste eine Beschwerde. Und sie wird auch den jüngsten BFA-Bescheid „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen“. Nach der Einschätzung von Herbert Langthaler vom Verein Asylkoordination dreht der jüngste Bescheid erneut an der Eskalationsschraube: „Innenminister Herbert Kickl setzt alles daran, Paten und Unterstützerinnen zu desavouieren. Das ist ein weiterer Schlag gegen die Solidarität aus der Zivilgesellschaft.“ Flüchtlingshelferin Doro Blancke fürchtet, dass dieser Bescheid nicht der letzte gewesen sein wird: „Dieses Vorgehen empfinde ich mittlerweile wirklich als politischen Angriff auf Zivilpersonen, die Großartiges leisten, Flüchtlinge unterstützen und in Ausbildungen bringen.“
Dass Payman Qalandari tatsächlich abgeschoben wurde, konnte Martin Brunner erst glauben, als die Maschine der Turkish Airlines mit dem jungen Afghanen und drei Begleitpolizisten an Bord in Wien-Schwechat vor seinen Augen aufstieg. Brunner und einige weitere Unterstützer halten nun täglich Kontakt mit Qalandari in Kabul. „Er traut sich kaum außer Haus, weil es draußen so gefährlich ist“, sagt Brunner: „Wir denken Tag und Nacht darüber nach, wie wir ihm von hier aus helfen können, in Afghanistan einen Job zu finden, in dem er seine exzellenten Deutschkenntnisse brauchen kann.“ Bisher vergeblich.