Josef Pühringer (M/OÖ) und Erwin Pröll (R/NÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP).

Glanz oder gar nicht: Eine Abschiedswürdigung

Gibt es ein Leben nach Pühringer und Pröll? Gewiss. Aber wird es auch so prickelnd sein? Gernot Bauer über den Abschied zweier bemerkenswerter Politiker.

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Wer um oder nach 1980 in Ober- beziehungsweise Niederösterreich geboren wurde, kennt keinen anderen Landesvater als Josef Pühringer, 67, beziehungsweise Erwin Pröll, 70. Pühringer war 22 Jahre lang im Amt, Pröll fast 25 Jahre. Landeshauptmänner von solcher Haltbarkeit werden heutzutage gar nicht mehr hergestellt. Eine Abschiedswürdigung in drei Kategorien.

Land & Leute

Ein Gedankenexperiment: Könnte man sich Josef Pühringer als Landeshauptmann von Niederösterreich vorstellen? Eher nicht, obwohl Landeshauptleute (Jörg Haider, Herwig van Staa, Franz Schausberger, Gabi Burgstaller) einmal ein oberösterreichischer Exportschlager waren wie sonst nur Most und Stahl. Wer aber Niederösterreich regieren will, muss dort geboren worden sein. Erwin Pröll stammt aus Radlbrunn im Weinviertel: Rebstöcke auf sanften Hügeln, mildes pannonisches Klima, Kellergassenromantik. Mehr Heimat geht gar nicht. Das Erfolgsgeheimnis von Pröll bestand darin, eine Identität zwischen Herrscher und Herrschaftsgebiet herzustellen. Erwin Pröll war Niederösterreich - und jeder Angriff auf den Landeshauptmann gleichzeitig einer auf das Land. Pröll bescherte Niederösterreich eine neue Landeshauptstadt (St. Pölten), eine neue Autobahn (A5) und sogar einen neuen Landesanzug (dunkelblauer Loden, grüner Stehkragen, Quetschfalte mit Dragoner). Die Bürger revanchierten sich für so viele Wohltaten mit drei absoluten Mehrheiten.

Erwin Pröll und Johanna Mikl-Leitner

Josef Pühringer hatte es schwerer. Er war zwar für alle Oberösterreicher "der Sepp“, aber die Einheit von Land und Landeshauptmann ist zwischen Mühl-, Inn-, Hausruck- und Traunviertel schwerer herstellbar. Ober- ist heterogener als Niederösterreich. Das liegt zunächst daran, dass St. Pölten (53.000 Einwohner) eine In-vitro-Landeshauptstadt ist und Linz (200.000 Einwohner) im direkten Vergleich eine Donaumetropole. Hätte Oberösterreich nicht Linz, wäre Wels seine Hauptstadt - und mit 60.000 Einwohnern immer noch größer als St. Pölten. Die Gegensätze zwischen Stadt und Land, zwischen Alpenvorland und Gebirge fallen in Oberösterreich schärfer aus. Josef Pühringer selbst stammt aus Traun im oberösterreichischen Zentralraum. Das triste Konglomerat aus Bau-, Fliesen- und Möbelmärkten zwischen Linz, Wels und Steyr ist mittlerweile das größte planlos zusammenhängende Gewerbegebiet Österreichs und Gottes Korrektiv zum nahen Salzkammergut.

Getrennt werden Ober- und Niederösterreich von der Enns, vereint durch die Westautobahn. Beide Bundesländer begnügen sich nicht nur mit einem Landespatron, sondern benötigen gleich deren zwei: In Oberösterreich wirken Hl. Florian und Hl. Leopold, in Niederösterreich Hl. Leopold und Lh. Erwin. Dankbarkeit ist für den niederösterreichischen Landeshauptmann eine politische Kategorie und wird vom Bürger auch erwartet. Bürgermeister in Niederösterreich bedankten sich in den vergangenen Jahren bei Pröll, indem sie Aussichtswarten, Kindergärten und Brücken nach ihm benannten. Josef Pühringer erwarb sich bereits zu Lebzeiten ein kleines Stück Ewigkeit, indem er seine "drei M“ gegen alle Widerstände erbitzelte: Musikschulen, Musiktheater und Medizin-Fakultät.

Glanz & Gloria

Wenn die nobelste Aufgabe eines Landeshauptmanns darin besteht, das kleine Ganze im Auge zu behalten, haben Pröll und Pühringer ihre Pflicht erfüllt. Der real existierende Föderalismus bleibt die österreichische Weltformel. "In Wien lauert hinter jeder Ecke ein Zentralist“, pflegte Josef Pühringer zu sagen. Erwin Pröll setzte 1997 mit dem Auszug der niederösterreichischen Landesregierung aus Wien den sezessionistischen Akt schlechthin. Und wenn sich zwei wie Pühringer und Pröll etwas gegen den Willen der Bundesregierung in den Kopf setzen, dann kommt es auch (Medizin-Fakultät Linz) - oder eben die längste Zeit nicht (Semmering-Basistunnel). Niemand gibt das von anderen eingehobene Geld anderer Leute zwangloser aus als ein österreichischer Landeshauptmann.

Wer wie Pühringer und Pröll so oft wiedergewählt wurde, muss aber irgendetwas richtig gemacht haben - als Landeshauptmann und als ÖVP-Landeschef. Beider Rezept sind Präsenz und Sichtbarkeit. Betriebsjubiläen, Zeltfeste, Eröffnungen von Kindergärten, Messen oder Ausstellungen, Feiern aller Art - wo immer größere Mengen von Ober- oder Niederösterreichern anlassbezogen zusammenkamen, war ihr Landeshauptmann mitten unter ihnen. Der Kontakt zum Bürger ist das beste Mittel, um sich dessen Stimme zu sichern. Wahrscheinlich verbrachten Pröll und Pühringer genauso viel Zeit in ihren Dienstwägen wie in ihren Büros. Als ÖVP-Landeschefs sorgten sie für professionelles Parteimanagement und verwendeten viel Zeit zur Pflege der Funktionäre. Und fraglos haben sich Ober- und Niederösterreich in den vergangenen 20 Jahren gut entwickelt.

Zu einer gloriosen Laufbahn gehört auch ein glanzvoller Abgang. Erwin Pröll zeigte schon bei den pompösen Feierlichkeiten (3000 Gäste) zu seinem 70. Geburtstag, warum der Titel "Landesfürst“ in seinem Fall gerechtfertigt ist. Vergangenen Freitag verabschiedete sich die niederösterreichische Volkspartei in einer als Parteitag getarnten Danksagungsorgie endgültig von ihrem Obmann. Josef Pühringer gleitet nicht ohne Gloria, aber doch etwas stiller in die Pension. In der "Kronen Zeitung“ antwortete er auf die Frage, ob es ihm als ehemaligem Religionslehrer "nicht die größte Freude“ wäre, einmal heiliggesprochen zu werden, mit dem Verweis auf einen Gebetstext: "Oh Herr! Ich möchte kein Heiliger sein. Mit ihnen lebt es sich so schwer.“

Thomas Stelzer löst Josef Pühringer nach 22 Jahren an der Spitze des Landes Oberösterreich ab.

Macht & Elend

Als Obmänner der mächtigsten Landesparteien der ÖVP verstärkten Pröll und Pühringer regelmäßig das Elend der jeweiligen Bundesparteiobmänner. Erhard Busek war 1995 der erste ÖVP-Chef, an dessen Demontage beide mehr (Pröll) oder weniger (Pühringer) mitwirkten, Michael Spindelegger 2014 - bei umgekehrter Intensität - der bislang letzte. Allerdings waren Ober- und Niederösterreich in schwarzen Machtkämpfen nicht nur Verbündete, sondern auch Kontrahenten. Derzeit verkörpern die Oberösterreicher Kraft und Herrlichkeit der Volkspartei. Sie stellen den Bundesparteiobmann (Reinhold Mitterlehner) sowie die Präsidenten von Wirtschafts-(Christoph Leitl) und Bauernbund (Jakob Auer). Im September 2016 ging auch die Führung des schwarzen Arbeitnehmerbunds von Nieder-auf Oberösterreich über. Auf Johanna Mikl-Leitner folgte der Innviertler Abgeordnete August Wöginger - wobei diesen Machtverlust Pröll höchstpersönlich verschuldete: Auf dem Höhepunkt des Bundespräsidenten-Wahlkampfs beorderte er vor einem Jahr die damalige Innenministerin in die Landesregierung nach St. Pölten und Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka nach Wien. Dass Pröll Mikl-Leitner bis zur Amtsübergabe ein Jahr lang darben ließ, kommt einer Schädigungsabsicht schon sehr nahe. Sollte die neue Landeshauptfrau bei der Landtagswahl 2018 deutlich verlieren, könnte sich Sobotka seinen Traumjob "LH NÖ“ unter Umständen doch noch erfüllen. Auch Josef Pühringer brauchte lange, um seine Nachfolge zu regeln. Wenn einer zaudert, streiten zwei andere: In aller Öffentlichkeit rangelten Wirtschaftslandesrat Michael Strugl und der designierte Landeshauptmann Thomas Stelzer monatelang um künftige Einflussbereiche.

Am Ende ihrer bemerkenswerten Karrieren bleiben zwei Fragen: Wie sehr werden Pühringer und Pröll ihren Bürgern und uns politisch interessierten Restösterreichern fehlen? Und wie sehr ihre Bürger und wir ihnen?

Beide verwenden in ihren Abschiedsreden und -interviews jene Signalworte, die ein Spitzenpolitiker im Abgang einsetzen muss: "Dankbarkeit“, "Demut“, "Vertrauen“, "Menschen“, "Heimat“. Aber ganz so leicht trennt man sich nicht von Amt und Würden. Es mag Erwin Pröll egal sein, dass er als Privatmann nicht mehr für das niederösterreichische Dampfkesselwesen, das Luftbildmanagement und den Schutz des Landeswappens verantwortlich ist. Bei der Eröffnung des Grafenegg Festivals - oder, in Pühringers Fall, des Brucknerfestes - nicht mehr als Erster begrüßt zu werden, dürfte dann doch ein wenig schmerzen.

Allerdings wird beider Ausstieg für sie und uns etwas abgefedert. Pühringer wird Obmann des oberösterreichischen ÖVP-Seniorenbundes und damit unter den 1,4 Millionen Oberösterreichern wenigstens für die Teilmenge der schwarzen Pensionisten zuständig bleiben. Und Erwin Pröll wird fortan "den ländlichen Raum als Raum für Kreativität und kulturellen Dialog weiterentwickeln“. Zu diesem Zweck dotierte die niederösterreichische Landesregierung bekanntlich eine eigens eingerichtete Dr. Erwin Pröll-Privatstiftung mit einer Million Euro.

Josef Pühringer überlässt das Letzturteil über sein Wirken einem Höheren. Unlängst meinte er, zufrieden zu sein, wenn in seiner letzten Stunde "der oberste Chef“ zu ihm sagte: "Sepp, das hast du nicht so schlecht gemacht.“

Dieser Artikel stammt aus dem profil Nr. 13 vom 27.3.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.