Abschreckgespenst
"Nichts." So knapp fällt die Antwort von Gabriele Wörgötter (links im Bild) aus. Sie ist forensische Psychiaterin und Gutachterin in spektakulären Strafprozessen. Die Frage lautete: Was bringen höhere Strafen bei Sexualstraftätern und Gewaltverbrechern? Wörgötter kennt die Klientel: "Gerade diese Täter handeln in der Regel infolge eines Triebdurchbruchs, der logisch geleitetes Denken per definitionem ausschließt, und denken vor Begehung einer Tat sicher nicht darüber nach, ob sie dafür mit fünf, sechs oder zehn Jahren bestraft werden."
Die von Staatssekretärin Karoline Edtstadler angeregten Verschärfungen hält die Psychiaterin schlicht für "sinnlos und populistisch", zumal das Ziel einer angekündigten Taskforce aus Experten im Vorhinein feststehe: So oder so sollen die Strafen für diese Delikte höher werden. Bleibt dann wenigstens mehr Zeit für Therapien in Haft? Auch hier winkt Wörgötter ab: "Sicher nicht. In unserem jetzigen System des Strafvollzugs sind ausreichende Therapien schon derzeit mangels Angebot de facto nicht möglich." Ginge es der Regierung tatsächlich um einen besseren Schutz vor Verbrechen, sollte man vielmehr aus den Lebensgeschichten der Täter lernen. Gerade bei jungen Gewalttätern und Sexualverbrechern zeige sich bei eingehender Begutachtung in so gut wie allen Fällen, was eine delinquente Laufbahn möglicherweise verhindert hätte: "Natürlich ist man erst im Nachhinein klüger, aber das zumindest sollte man nützen, um daraus für die Prävention zu lernen, statt ein Sicherheitsversprechen zu geben, das nicht einzulösen ist."