Ärztekammer-Präsident befangen? Grüne wenden sich an Stadtrechnungshof
Die Korruptions-Affäre in der Wiener Ärztekammer wird zum Politikum: Die Wiener Grünen wollen den Stadtrechnungshof prüfen lassen, ob die rot-pinke Stadtregierung ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen ist. Grundlage für das Misstrauen der Oppositionspartei ist ein Gutachten im Auftrag der Ärztekammer, das die Handlungsfähigkeit von Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart zumindest in Teilen in Frage stellt: In jeglichen Entscheidungen zur "Equip4Ordi"-Affäre, in der Steinhart von der Staatsanwaltschaft Wien als Beschuldigter geführt wird, sei er befangen, heißt es in dem Gutachten, über das zunächst "Dossier"-Journalist Ashwien Sankholkar berichtete. Jegliche Weisung Steinharts in diesen Belangen sei somit nichtig - und müsste von der zuständigen Wiener Magistratsabteilung (MA 40) aufgehoben werden.
Doch von Beginn: Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen Ärztekammer-Präsidenten Johannes Steinhart und zehn weitere Beschuldigte wegen des Verdachts der Untreue, wegen einer möglicher Scheinanstellung und im Falle Steinharts auch wegen Bestechung, Nötigung und Vorteilsannahme. Es geht um mutmaßlich kriminelle Vorgänge und Millionenschäden in mittlerweile maroden Tochtergesellschaften der Wiener Kurie niedergelassener Ärzte, deren Obmann Steinhart bis 2022 war. Alle Beschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Steinhart witterte in den Anschuldigungen gegen seine Person stets auch eine politische Intrige mit dem Ziel, ihn von der Spitze der Standesvertretung zu entfernen. Tatsächlich forderte das Präsidium der Ärztekammer Wien im Herbst den Rücktritt ihres Präsidenten. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit in den Gremien der Kammer fehlte den Aufmüpfigen allerdings, Steinhart schmiedete neue Allianzen und blieb - seine Widersacher warfen nach und nach das Handtuch und werden innerhalb der Ärztekammer nun selbst hinterfragt. Doch kaum ist die Bedrohung von innen besiegt, droht dem Ärztekammer-Präsidenten Ungemach von außen: Die Wiener Grünen wenden sich in der Causa an den Stadtrechnungshof. Sie wollen nun prüfen, ob die MA 40 ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen ist. Sollte die Aufsicht versagt haben, stellen die Grünen gar eine Untersuchungskommission in den Raum.
Die zuständige MA 40 kannte das mit 5. Dezember 2023 datierte Rechtsgutachten bisher noch nicht, wie der Pressesprecher von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker auf "X" (vormals "Twitter") bekanntgab. Die Aufsichtsbehörde fordert das Gutachten nun von der Ärztekammer an.
Laut profil-Informationen wurde das Gutachten bereits Mitte September beauftragt als sich Steinhart noch im Krankenstand befand. Die Ärztekammer Wien erklärt auf Anfrage, dass "bei Beschlüssen zu einem laufenden Verfahren naturgegeben eine Befangenheit vorliegt". Das von der Ärztekammer beauftragte Gutachten habe daher "keinerlei neue Erkenntnis" gebracht, wird von der Kammer erklärt, sowohl die Ärztekammer Wien als auch Präsident Steinhart würden sich aber daran halten. Anders gesagt: Steinhart ist befangen und spricht daher laut Ärztekammer keine Weisungen bezüglich der "E4O"-Affäre aus - und falls doch, würden sie von anderen Funktionärinnen und Funktionären der Ärztekammer Wien ignoriert. Es bleibt kompliziert.
Korrektur
In einer vorangegangenen Version dieses Artikels wurde fälschlicherweise von "mittlerweile maroden Tochtergesellschaften der Wiener Kurie angestellter Ärzte" berichtet. Die Gesellschaften befinden sich im Eigentum der Kurie niedergelassener Ärzte. Der Fehler wurde korrigiert.