Ärztekammer „prüft“ den Mediziner, dem Impfgegner Rutter vertraut
Es kommt nicht oft vor, dass sich Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) mit einem einzelnen Arzt anlegt. Im Falle von Wolfgang K. hatte der Ressortchef aber seine Gründe: Der Mediziner verbreitete – profil berichtete exklusiv – auf einer Veranstaltung des „Impfopfer“-Vereins von Coronaleugner Martin Rutter wildeste Verschwörungsmythen über die Impfung.
Der Wahlarzt aus Niederösterreich verstieg sich etwa zu der Falschbehauptung, dass Geimpfte einen Chip implantiert bekommen hätten, der mittels 5G gesteuert werden könnte. Rauch reagierte darauf mit einer Disziplinaranzeige bei der Ärztekammer. Besonders empört zeigte sich Rauch über den Umstand, dass Rutters Verein für die Eventreihe eine Förderzusage des Landes Niederösterreich bekommen hatte.
Ob die öffentlichen Gelder tatsächlich an den Impfgegner-Verein fließen werden, ist offen. Zumindest für den Arzt könnte der Auftritt nun Folgen haben: Bisher hat die Ärztekammer zu dem Mediziner geschwiegen, nun wird auf profil-Anfrage bestätigt: Der Fall werde „jedenfalls geprüft“.
Rutters Wahlarzt
Noch ist der Mediziner in der Ärzteliste eingetragen, noch praktiziert er als Wahlarzt in der niederösterreichischen Kleinstadt Berndorf (Bezirk Baden).
Stellt die Ärztekammer allerdings ein Disziplinarvergehen fest, droht dem Mann im Extremfall die „Streichung aus der Ärzteliste“. Vorerst liegt der Fall beim Disziplinaranwalt der Kammer, der darüber entscheidet, ob ein Verfahren eingeleitet wird.
Auch wenn der Arzt seit Jahrzehnten der Alternativmedizin zugeneigt sein dürfte, trat er öffentlich bisher nicht in Erscheinung. Auf seiner inzwischen gelöschten Webseite fanden sich Behandlungsmethoden, die aus wissenschaftlicher Sicht wirkungslos sind, darunter etwa Homöopathie und Bachblüten.
Ein Experte der Ärztekammer Niederösterreich formuliert es vorsichtig: K. beschäftige sich offenbar mit „mehr oder weniger und auch nicht-etablierten Therapieformen” sowie „vielen alternativmedizinischen Ansätzen – auch abseitigeren”. Grundsätzlich könne man aber „jede Methode gut verwenden – und wenn es nur ist, um Vertrauen zum Patienten zu fassen.”
In seiner Heimatgemeinde habe sich der Arzt mit seinen impffeindlichen und verschwörungstheoretischen Überzeugungen nie exponiert, heißt es von Gemeindepolitikern. Er engagiere sich lediglich für eine Umweltinitiative, die Bebauungspläne der Gemeinde bekämpft.
Falsche Angaben
Zur Veranstaltung, bei der K. Ende April seine kruden Thesen verbreiten durfte, liegen profil jedenfalls neue Erkenntnisse vor: Das Event wurde im Bundessportzentrum Südstadt (südlich von Wien) abgehalten und soll von einem Schweizer Hersteller für Nahrungsergänzungsmittel angemeldet worden sein. Der Hersteller ließ eine profil-Anfrage unbeantwortet.
Abgerechnet worden sei die zweistündige Veranstaltung dann über Rutters „Impfopfer“-Verein mit Sitz in Klagenfurt, so das Veranstaltungszentrum. Das ist bemerkenswert: Schließlich können nur Vereine mit Sitz in Niederösterreich eine Förderung aus dem niederösterreichischen Covid-Fonds beantragen. Zumindest fünf Mal haben Vereine, in denen Rutter Obmann ist, das getan. Insgesamt hat Rutter mindestens 24 nahezu gleichlautende Vereine in Niederösterreich angemeldet. Damit könnte er theoretisch eine sechsstellige Fördersumme abgreifen.
Mittlerweile hat der Geschäftsführer der Bundessporteinrichtungen allen Standorten per Weisung verboten, Rutters Verein „Räumlichkeiten zu vermieten oder eine andere Gelegenheit zur Präsentation zu bieten”. Auch vergangenen Sonntag musste Rutter kurzfristig ausweichen: Das Veranstaltungszentrum Grunerhof in Leobendorf wollte seinem Verein nach den Medienberichten keinen Platz mehr geben. Der Verein wich daraufhin in das City Hotel Stockerau aus. Laut ORF wurden dort keine klaren Falschinformationen verbreitet. Weitere Veranstaltungen werden auf der Website des Vereins aktuell nicht angekündigt.
Rutter ließ eine Anfrage von profil unbeantwortet. Die Vizeobfrau seiner Vereine empfahl profil allerdings, „sehr genau zu recherchieren, bevor Sie wieder Dinge schreiben, die wir klagen werden”.