Die gesamte Vorarlberger Arlbergregion inklusive Zürs steht unter Quarantäne

Ärztekongress Zürs: „Das Coronavirus kommt nicht nur vom Arlberg“

AKH-Herzchirurg Günther Laufer betont, man habe die Situation ernst genommen und das Meeting in Zürs abgebrochen. Die Coronavirus-Ansteckung zweier AKH-Ärzte könne auch anderswo passiert sein

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Am Dienstag zogen die Behörden die Notbremse: Mehrere Gemeinden in der Arlberg-Region mussten wegen Coronavirus-Fällen unter Quarantäne gestellt werden. Die strengen Maßnahmen gelten nunmehr nicht nur für einige Tiroler Skigebiete, sondern auch jenseits der Grenze zu Vorarlberg. Einer der betroffenen Orte ist Zürs – und dorthin blickte man im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) in Wien zuletzt mit großer Sorge.

Nicht einmal eineinhalb Wochen zuvor, beginnend mit 8. März, hatten sich dort in einem Hotel Ärzte des größten Spitals Österreichs ein Stelldichein mit Kollegen aus anderen Kliniken, teilweise auch aus Deutschland, gegeben. Sie trafen einander zum jährlich stattfindenden „Heart Team Winter Summit“ – einem Kongress von Herzspezialisten. Als zwei der teilnehmenden AKH-Ärzte dann vor wenigen Tagen positiv auf das Coronavirus getestet wurden, war Feuer am Dach. Wie viele Mediziner könnten angesteckt worden sein? Hätte man den Kongress überhaupt noch starten sollen? profil hat mit einem der Organisatoren, dem Abteilungsleiter für Herzchirurgie am AKH, Günther Laufer, gesprochen.

Anweisungen des Rektorats

Laufer sagt, es sei lange überlegt worden, ob der Kongress stattfinden solle. Es habe sich aber um ein „sehr kleines Meeting“ gehandelt. Angesichts hoher Stornogebühren „und auch der Tatsache, dass … in der U6 … oder im Lift im AKH … die Ansteckungsgefahr größer“ sei als auf dem Kongress, entschied man sich, die Veranstaltung zunächst nicht abzusagen. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits eine Empfehlung des Rektorats der – mit dem AKH eng verzahnten – Medizinischen Universität Wien (MUW), bei einer entsprechenden Risikoeinschätzung auf nicht unbedingt notwendige Dienstreisen und Kongressteilnahmen zu verzichten. Laufer erklärt, dass Ärzte der MUW im konkreten Fall für das wissenschaftliche Programm verantwortlich waren und die Teilnahme somit notwendig war: „Es hat klare und völlig gerechtfertigte Anweisungen vom Rektorat gegeben und wir haben uns daran gehalten.“

Der Chirurg verweist darauf, dass Vorarlberg damals nicht als Gefahrenregion gesehen wurde. In Innsbruck wiederum habe zwei Tage zuvor noch ein ungleich größerer Kardiologenkongress stattgefunden. Laufer erklärt, das Treffen in Zürs habe „am Sonntagabend begonnen, und wir haben gesagt, wir schauen uns das an“. Nachdem am Montagabend die Coronavirus-Fallzahlen gestiegen seien und die Ärztekammer aufgefordert hatte, medizinische Veranstaltungen mit mehr als 25 Personen zu unterlassen, habe man das Meeting am Dienstag um 9 Uhr in der Früh abgebrochen. Eigentlich hätte es bis Freitag dauern sollen.

„Wir haben das sofort ernst genommen“

Laufer betont: „Wir haben das sofort ernst genommen.“ Es sei dann niemand mehr Skifahren gegangen oder habe etwas Ähnliches unternommen. Die beiden Anästhesisten – ein Mann und eine Frau -, die später positiv auf das Coronavirus getestet werden sollten, seien gleich abgefahren und zwar über St. Anton. Dort hätten sie sich im Supermarkt mit Proviant versorgt und seien mit zwei weiteren Ärzten in den Zug eingestiegen. „Am Dienstagabend waren alle zuhause.“

Laufer ist nicht davon überzeugt, dass sich die beiden Anästhesisten tatsächlich beim Kongress infiziert haben. „Es kann sein, dass sie sich dort angesteckt haben, das will ich gar nicht ausschließen, aber im Endeffekt wissen wir es nicht.“

„Das Coronavirus kommt nicht nur vom Arlberg“

Von rund einem Dutzend AKH-Ärzten, die in Zürs waren, seien bis auf die beiden nunmehr bekannten Fälle alle negativ getestet worden, darunter auch Laufer selbst. Die zwei Ärzte, die mit den Anästhesisten im Zugabteil gesessen sind, seien ebenfalls negativ. Der Herzchirurg verweist darauf, dass es in der gesamten vergangenen Woche keine Zugangsbeschränkungen zum AKH gegeben habe. Ärzte, Besucher und Patienten seien im gleichen Lift nach oben und nach unten gefahren. Ins AKH kämen alle Krankheiten: „Das Coronavirus kommt ja nicht nur vom Arlberg.“ Und: „Es ist naiv zu glauben, dass man das über Zürs einschleppen muss, damit man es bekommt.“ In Bezug auf die beiden AKH-Ärzte verweist Laufer allerdings auch auf die Möglichkeit, falscher positiver Testergebnisse.

Mögliche Streuwirkung

Sollte es im Rahmen des Kongresses dennoch zu Ansteckungen gekommen sein, könnte die Streuwirkung beträchtlich sein. Laut Laufer waren bis zum Abbruch des Kongresses rund 35 bis 40 Personen anwesend – darunter Ärzte aus Graz, Innsbruck, Wels, Feldkirch, Bregenz, Hamburg und Nürnberg. Anfang dieser Woche seien alle ausländischen Gäste mit einem Schreiben verständigt worden. „Wir haben alle von dieser Situation informiert, dass sie die dementsprechenden Vorkehrungen treffen.“ Im AKH selbst ging man zuletzt davon aus, dass dort keine Infektionskette entstanden sei.

Lage schlecht eingeschätzt

Aus heutiger Sicht meint Laufer, er wäre nicht nach Zürs gefahren, wenn er gewusst hätte, dass sich die Situation so entwickelt. Die Lage sei generell schlecht eingeschätzt worden. In Bezug auf den Kongress meint der Chirurg: „Wenn man es noch einmal entscheiden würde, würde man logischerweise sagen: nein.“

Stefan   Melichar

Stefan Melichar

ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).