Affäre: WKStA ermittelt gegen Präsidenten des Internationalen Biathlonverbands
Von Moritz Ablinger, Gernot Bauer und Anna Thalhammer
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Es ist ein länderübergreifendes Verfahren: In Österreich ermittelt seit dem Jahr 2017 die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), in Norwegen Økokrim, die zentrale Anti-Korruptionsagentur mit staatsanwaltschaftlicher Befugnis. Eine gemeinsame österreichisch-norwegische Ermittlungsgruppe wurde eingesetzt. Die Norweger haben weniger Verdachtsfälle zu bearbeiten – und sind schon weiter. Am 9. Jänner begann in der norwegischen Kleinstadt Hokksund daher einer der größten Korruptionsprozesse in Zusammenhang mit dem internationalen Sport-Business der vergangenen Jahrzehnte. Schauplatz des Skandals ist Anif bei Salzburg, wo die Internationale Biathlon Union (IBU) ihren Sitz hat.
Die Affäre wirkt wie aus einem schlechten Film: Den Bösewicht gibt ein Funktionärsbonze aus Norwegen, der sich in Russland junge Damen zuführen lassen haben soll und teure Uhren besitzt, die er angeblich nicht bezahlen musste; es geht um Jagdeinladungen in Vorarlberg und Tschechien; um groß angelegtes Doping im Spitzensport und dessen versuchte Vertuschung; um angeblich gratis überlassene Luxusautos, Intrigen und wechselseitige Gefälligkeiten im Sportfunktionärswesen. Die Beschuldigten bestreiten auf Anfrage alle Vorwürfe.
Im Zuge einer Recherche-Kooperation konnten profil und „Süddeutsche Zeitung“ brisante Verschlussakten der österreichischen und norwegischen Behörden einsehen. Ein aktuelles Schriftstück im umfangreichen Akt der WKStA stammt vom 4. Oktober 2023. Darin ordnete die Korruptionsstaatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung in den Büroräumlichkeiten der Infront Sports & Media AG an der Adresse Grafenauweg 2 im Schweizer Zug an. Die Ermittler interessierten vor allem Korrespondenzen und Buchhaltungsunterlagen zu Geschäftsbeziehungen der Infront mit der IBU. Am 5. Februar führte die Zuger Polizei die Razzia durch. Schon im April 2023 war es zu einer Hausdurchsuchung in der Österreich-Dependance der Infront in der Stadt Salzburg gekommen. Wie ernst die WKStA die den Fall beurteilt, zeigt sich an den eingesetzten Mitteln: Verdächtige wurden vom Bundeskriminalamt observiert, Telefone abgehört.
Hauptverdächtiger ist ein Norweger, den die Økokrim nun vor Gericht brachte. Seine mutmaßlichen Mittäter führt die WKStA als Beschuldigte, darunter: ein Jagdfreund des Norwegers; der Geschäftsführer der Infront Austria; ein langjähriger Spitzenfunktionär des ÖSV. Für alle gilt die Unschuldsvermutung. Die polizeiliche Aufklärung des Kriminalfalls beginnt vor sechs Jahren in Norwegen.
Der Bonze
Am Nachmittag des 10. April 2018 wird Anders Besseberg das erste Mal verhört. Er sitzt in einem Bürogebäude mitten in Oslo, in der Økokrim-Zentrale. Das Verhör wird lange dauern und am nächsten Tag fortgesetzt werden. Doch gleich zu Beginn sagt der damals 72-jährige Besseberg einen Satz, der sein Leben sehr gut zusammenfasst: „Ich muss laut reden. Ich habe so viele Schüsse abgefeuert, dass mein Gehör nicht mehr so gut ist.“
Besseberg war selbst Biathlet. 1973 holte er den norwegischen Staatsmeistertitel in der Staffel. Der Sport war da noch kein Publikumsmagnet, es gab keinen Weltcup, regelmäßige Bewerbe waren eine Seltenheit. 1976 wurde Besseberg Trainer des norwegischen Nationalteams, vier Jahre hatte er den Posten inne. Anfang der 1980er-Jahre übernahm er erstmals eine Funktion im Biathlon-Weltverband, der bis 1993 UIPMB hieß. Im selben Jahr gründete sich die Internationale Biathlon-Union, deren Präsident er wurde.
Doch es waren nicht nur die Schüsse, die Besseberg auf die schwarzen Zielscheiben entlang der Loipe abfeuerte, die sein Gehör beschädigten. Der Norweger ist leidenschaftlicher Jäger. Das bemerkten auch die Polizeibeamten, die am Vormittag des 10. Aprils 2018 Bessebergs Haus in Vestfossen, eine Autostunde von Oslo entfernt, durchsuchten. Mehrere Wände waren voller Trophäen – Hirsch- und Elchgeweihe hingen dort, ausgestopfte Köpfe von Stein- und Rehböcken. Sie fanden Fotos, die Besseberg bei der Jagd zeigen: kniend und mit geballter Faust über einem Bären; hockend unter zehn Fasanen. Die Beamten entdeckten auch Dutzende Uhren – manche davon von Luxusherstellern – und Banknoten in zehn verschiedenen Währungen. Der umgerechnete Gesamtwert betrug circa 40.000 Euro.
Es ist so: Besseberg ist Sportfunktionär alten Zuschnitts mit ausgeprägtem Hang zum Luxus und offenbar umso geringerem Interesse an Compliance-Richtlinien und Transparenz. Der langjährige Präsident des Fußballweltverbandes FIFA, der Schweizer Joseph Blatter, würde auch in diese Kategorie fallen, sein Amtskollege im Handball, der Ägypter Hassan Moustafa, ebenso. Beide trotzten viele Jahre lang andauernden Korruptionsvorwürfen, Moustafa ist noch heute im Amt.
Wie es um das Selbstverständnis Bessebergs bestellt war, zeigt eine Geschichte, die er im Verhör zu Protokoll gab. Im Jahr 2013 sei er anlässlich eines Biathlon-Showbewerbs in Moskau gewesen. Eines Abends hätte es dann an seiner Hotelzimmertür geklopft, vor der Tür wäre ein „junges, hübsches Mädchen“ gestanden. Die Verständigung sei schwer gewesen, die Dame sprach nur Russisch, geschlafen hätten sie dennoch miteinander. Am nächsten Tag sei er beim Frühstück von einem Funktionärskollegen gefragt worden, ob auch ihm eine Prostituierte geschickt worden sei. Wie aus dem Akt hervorgeht, sei Besseberg vor allem bei Veranstaltungen in Russland von jungen Frauen begleitet worden. Eine galt als seine Dolmetscherin.
Die Einblicke zeigen nicht nur ein Sittenbild: Sie sind auch Teil der Ermittlungen. Die norwegische Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Jagdausflüge, die Uhren und die Prostituierten als Bestechung gedacht waren. Im Gegenzug habe Besseberg den russischen Biathlonverband unterstützt und sich dafür eingesetzt, dass positive Dopingproben russischer Athleten verschwinden und Biathlon-Bewerbe in russische Wintersportorte vergeben werden. Überdies soll sich Besseberg auch von der österreichischen Tochter der Sportvermarktungs-Agentur Infront bestechen haben lassen. Jagden für Besseberg, Verträge für Infront, so der Verdacht.
An dieser Stelle kommt Herr S. ins Spiel. Auch der heute 79-Jährige ist seit Jahrzehnten im Sport aktiv, allerdings nicht als Funktionär, sondern als Geschäftsmann. 1982 heuerte S. bei der Vermarktungsfirma APF an. Das Geschäftsmodell: Sportverbände können Werbeflächen nicht direkt an Kunden verkaufen, da ihnen Ressourcen und Know-how fehlen. Deswegen wenden sie sich an Agenturen wie APF. Anfang der 1980er-Jahre war die Branche noch jung, die Erlöse niedrig und das Geschäftsfeld kaum reguliert. 1988 stieg S. zum Anteilseigner der APF auf, 2009 wurde die Agentur an den Branchengiganten Infront in der Schweiz verkauft und heißt seither Infront Austria. S. zog sich aus dem operativen Geschäft zurück, blieb aber Berater. Infront Austria wollte von dessen Netzwerk weiter profitieren.
„Es ist bitter, sich wie ein Wildschwein in Norwegen zu fühlen.“
Wie ein Wildschwein
Besseberg und S. lernten einander 1994 kennen. Es entstand eine Männerfreundschaft, die beiden liebten es zu jagen. Im Prozess in Hokksund sagte Besseberg aus, er sei der Mentor von S. gewesen. Der gebürtige Oberösterreicher begann, Jagdreviere zu pachten, vier davon in Zwischenwasser im Bezirk Feldkirch. Besseberg war dort regelmäßig zu Gast. Laut den Ermittlungsakten schoss der Norweger im Lauf der Jahre zwölf Tiere: neun Hirsche, zwei Rehböcke und einen Gamsbock.
Laut den Ermittlern haben weder Besseberg noch S. für die Jagd bezahlt, sondern Infront Austria. Der Verdacht: S. habe Besseberg mit den Einladungen bestochen, und der IBU-Präsident habe sich im Gegenzug dafür eingesetzt, dass Infront Austria die Vermarktungsrechte des Biathlonverbandes zum Freundschaftspreis bekommt. Beide bestreiten die Vorwürfe. In seinem Prozess beschrieb Besseberg laut norwegischen Medienberichten umfassend die Einzelheiten der Jagden. Die Anschuldigungen gegen ihn würden auf Falschmeldungen der österreichischen Behörden beruhen. In seinem Schlussplädoyer am 15. Februar gab er das Opfer: „Es ist bitter, sich wie ein Wildschwein in Norwegen zu fühlen.“ Die Staatsanwaltschaft fordert dreieinhalb Jahre Haft. Das Urteil wird für Anfang April erwartet.
Der ÖSV-Funktionär
Am 20. Oktober 2022 erhielt Klaus Leistner unangenehme Post an seine Innsbrucker Adresse. In einem fünfseitigen Schreiben teilte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft mit, dass ein Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt werde. Und Schuld daran trägt Anders Besseberg. Was auch immer Besseberg getan hat – Leistner trug nach Ansicht der WKStA dazu bei. Die Jagdeinladungen, die teuren Geschenke, die Prostituierten – Leistner soll davon gewusst haben. Die Vertuschung der russischen Doping-Skandale – Leistner soll Besseberg dabei unterstützt haben. Die mutmaßliche Bevorzugung der Infront – Leistner unterschrieb die Verträge.
Im wohlverdienten Ruhestand muss Dr. Klaus Leistner, Jurist, geboren 1945 in Linz, um seine Reputation bangen, die er sich in der Welt des Wintersports – und des Wintersport-Funktionärswesens – erwarb. Als Generalsekretär des Österreichischen Skiverbands zählte Leistner jahrzehntelang zu den mächtigsten Sportfunktionären im Land. Peter Schröcksnadel, Jahrgang 1941, war der Präsident des ÖSV, Leistner der operative Geschäftsführer. Leistner trat 2020 zurück, Schröcksnadel im Jahr darauf. Im Juni 2021 erhielten beide aus der Hand des damaligen Innenministers Karl Nehammer ein Ehrenzeichen für ihre Verdienste um Sicherheit im Sport.
Klaus Leistners Erfolgsbilanz kann sich sehen lassen. In seiner – und vor allem Schröcknadels – Ära entwickelte sich der ÖSV vom Sportverband zum Wintersportkonzern. Das letzte Großevent, das Leistner als Chef verantwortete, war die Nordische Ski-WM 2019 in Seefeld. 50 Jahre lang arbeitete er für den ÖSV, davon 43 Jahre als Generalsekretär.
Ausgelastet war er damit offenbar nicht, auch für die IBU blieb Zeit. Im August 2006 war Leistner beim internationalen Biathlon-Kongress in Chanty-Mansijsk (Sibirien) zum für die Finanzen verantwortlichen Vizepräsidenten in den IBU-Vorstand gewählt worden. Im ÖSV war Schröcksnadel sein Boss, in der IBU Anders Besseberg. Als dieser aufgrund der massiven Korruptionsvorwürfe im April 2018 zurücktrat, wurde Leistner zum interimistischen IBU-Präsidenten bestellt. Von den Enthüllungen über Besseberg sei er „geschockt“, so Leistner damals. „Als Aufklärer und Reformer“ sei er aber nicht in Erscheinung getreten, wie die Austria Presse Agentur festhielt.
Leistner überstand die Affäre zunächst unbeschadet. Noch im September 2018 bestätigte ihn der IBU-Kongress im kroatischen Porec als Finanzvorstand. Der Schwede Olle Dahlin wurde zum neuen IBU-Präsidenten gewählt. Die Aufarbeitung des Mega-Skandals begann. Nachdem sie sich Bessebergs Malversationen gewidmet hatten, landeten die von der IBU beauftragten Prüfer auch bei Klaus Leistner. Nun wurde es auch für den IBU-Finanzvorstand ungemütlich. Dass die Infront Austria Besseberg für den Gebrauch in Norwegen einen luxuriösen BMW X5 bezahlte, soll von Leistner administriert worden sein. Der zweite Vorwurf betrifft Leistners Vorgehen bei der Kündigung von IBU-Generalsekretärin Nicole R., die nach dem Auffliegen des Skandals um Besseberg den Verband im Hebst 2018 verlassen musste. Um einen Rechtsstreit zu verhindern, hatte Leistner eine Abfertigungszahlung vereinbart, die laut Prüfbericht den Biathlonverband schädigte.
Die Folgen der internen Untersuchungen waren für Leistner gravierend. In einem E-Mail teilte ihm die IBU-Überprüfungskommission („Vetting Panel“) am 18. Oktober 2021 mit, nicht mehr als IBU-Funktionär geeignet zu sein. Leistners E-Mail-Antwort folgte – in bitterem Ton – am 19. Oktober. Die Erkenntnisse der Kommission seien inakzeptabel. Allerdings verzichtete er auf einen Einspruch und erklärte seinen sofortigen Rückzug aus dem IBU-Vorstand.
Biathlon boomte in den letzten Jahren, der Sport wurde zum Publikumsmagnet.
Ohne Profit
Die Auseinandersetzung mit dem Biathlonverband fand so ein jähes Ende, die Schwierigkeiten mit der österreichischen Justiz begannen fast auf den Tag genau ein Jahr später mit der Benachrichtigung der WKStA über die Ermittlungen. Wie die Staatsanwaltschaft gegenüber profil bestätigt, wird Leistner nach wie vor als Beschuldigter geführt. Über die Vorwürfe hatte als erstes Medium „Der Standard“ berichtet.
Festzuhalten ist: Auf keiner einzigen Seite der diversen Anordnungen, Verständigungen oder Berichte von WKStA und Bundeskriminalamt wird Leistner vorgeworfen, persönlich von den mutmaßlichen Verfehlungen seines Präsidenten profitiert zu haben. Weder erhielt er Uhren, noch nahm er andere Gefälligkeiten an. Zum Verhängnis könnte ihm allerdings seine mutmaßliche Mittäterschaft werden. Wer zu einem Verbrechen beiträgt, ist laut Paragraf 12 des Strafgesetzbuches genauso strafbar wie der unmittelbare Täter.
Im Herbst 2023 wurde Leistner von der WKStA zwei Mal befragt. Der wohl schwerste Vorwurf der Ermittler: Leistner soll die IBU als Mittäter massiv geschädigt haben, indem er Besseberg half, die Vermarktungsrechte für Biathlon-Bewerbe (von den Saisonen 2010/11 bis 2021/22) zu einem viel zu geringen Preis an die Infront Austria zu verscherbeln. Wörtlich schreibt die WKStA in ihrer Anordnung zur Hausdurchsuchung von „der wiederholten bzw. fortgesetzten wirtschaftlich unvertretbar unterpreisigen Überlassung der IBU-Marketingrechte“ an die Infront Austria. Es bestehe „der Verdacht eines über viele Jahre etablierten Systems von Vorteilszuwendungen für bewusst und gewollt weit unter dem Marktpreis liegende Vertragsabschlüsse“. Dadurch sei der IBU über die Jahre „ein Gesamtschaden im Ausmaß mehrerer Millionen Euro“ entstanden. Laut WKStA habe sich Leistner damit der Untreue schuldig gemacht haben.
Wie Leistners Anwalt Otto Dietrich gegenüber profil festhält, bestreitet sein Mandant die gegen ihn erhobenen Vorwürfe der WKStA „ganz entschieden“. Am 28. September 2023 übermittelte Dietrich dem Bundeskriminalamt eine umfangreiche Stellungnahme. Darin betont Leistner, für die Verhandlungen mit der Infront Austria inhaltlich nicht verantwortlich gewesen zu sein. Die sei Sache des für das Marketing verantwortlichen IBU-Vorstandsmitglieds gewesen. Zu Bessebergs Jagdeinladungen und den Prostituierten, die dem Präsidenten angeblich zugeführt wurden, habe er keine Wahrnehmungen.
Die Agentur
Obwohl die WKStA seit 2017 ermittelt und die IBU-Spitzenfunktionäre Besseberg und Leistner längst zurückgetreten sind, ist ein Ende des Untersuchungsverfahrens nicht absehbar. Dies hat mit einem schwerwiegenden Verdacht zu tun. Die WKStA glaubt, dass das System auch nach dem Ausscheiden der beiden Spitzenfunktionäre weitergeführt wurde. Es sei „naheliegend“, dass auch Bessebergs Nachfolger als IBU-Präsident, Olle Dahlin, die geübte Praxis mit der Infront Austria „als Gegenleistung für Bargeldzahlungen fortsetzte“. Die Geschäftsbeziehungen zwischen der Agentur und der IBU sind jedenfalls langfristig angelegt. Unter Dahlin wurde der Vertrag mit Infront Austria bis 2030 verlängert.
Laut den profil vorliegenden Unterlagen zählen mittlerweile auch Olle Dahlin, die Infront Austria und deren früherer Geschäftsführer K. zu den Beschuldigten.
Die Muttergesellschaft, die Infront Sports & Media AG in der Schweiz, ist in der Vermarktung des Wintersports Weltmarktführer. Werbevermarktung, wie im Fall der IBU, ist nur ein Teil des Geschäftsfeldes. Infront kauft auch Medienrechte. Das funktioniert so: Sportverbände vergeben die Übertragungsrechte an Agenturen wie Infront, die sie dann wiederum an Fernsehstationen verkaufen. Der Markt floriert. Wie viel Geld Infront damit verdient, ist nicht bekannt. 2014 belief sich der Jahresumsatz auf 800 Millionen Euro.
Der Korruptionsverdacht der WKStA gründet unter anderem auf einem Luxus-SUV vom Typ BMW X5. Es war das Privatfahrzeug von IBU-Präsident Besseberg in Norwegen. Nur, so viel steht fest, haben weder er noch der Verband dafür bezahlt. Stattdessen kam Infront Austria dafür auf, für die Ermittler ein Indiz für Korruption. Noch dazu, weil in einem Vertrag, der zwischen 2014 und 2018 Gültigkeit hatte, festgeschrieben war, IBU und Infront würden die Kosten teilen.
Der Verdacht der Staatsanwaltschaft, die IBU habe die Werberechte an die Infront Austria zu billig vergeben, beruht auf eigenen Berechnungen: So stieg der Preis, den die Agentur für die Vermarktungsrechte pro Saison bezahlte, zwischen 2010 und 2022 um knapp 40 Prozent. Die Preise für Medienrechte, die die IBU an andere Agenturen verkaufte – vor allem die TV-Übertragungen – stiegen in einem ähnlichen Zeitraum allerdings um beinahe 90 Prozent.
Das Geschäftsmodell der Infront soll dem Verdacht der WKStA zufolge lukrativ gewesen sein. Die Agentur kaufte der IBU die Werberechte angeblich billig ab und verkaufte sie teuer. Aufgrund von Behauptungen eines anonymen Hinweisgebers überprüft die WKStA nun diese Zahlungsflüsse, wie aus den profil und „Süddeutscher Zeitung“ vorliegenden Akten hervorgeht.
„Die haltlosen Vorwürfe entbehren jeder Grundlage und schockieren mich zutiefst.“
„Totally shocked“
Laut Ex-Infront-Austria-Geschäftsführer K. handelt es sich dabei um „Verleumdungen“. Auch habe er nie „ungebührlichen Einfluss auf Vertragsverhandlungen“ mit der IBU genommen. Alle Verträge über Vermarktungsrechte seien „marktüblich“ und „durch Gremienbeschlüsse innerhalb der IBU und den Nationalen Biathlonverbänden breit gedeckt“.
Aus der Schweizer Unternehmenszentrale der Infront heißt es, die Behauptungen des anonymen Hinweisgebers würden auf „gefälschten Dokumenten“ beruhen. Die Vorwürfe der WKStA bezüglich der Geschäftsbeziehungen der Infront Austria mit Ex-IBU-Präsident Besseberg nehme man ernst. Daher kooperiere man mit den Strafverfolgungsbehörden.
Der aktuelle IBU-Präsident Olle Dahlin hält in einem auf Englisch verfassten Statement gegenüber profil und „Süddeutscher Zeitung“ fest, er sei „totally shocked“ über die Vorwürfe, die „jeder Grundlage“ entbehren würden. Als IBU-Präsident habe er stets korrekt gehandelt und sich ethisch verhalten. Er sei von der WKStA nicht informiert worden, dass Ermittlungen gegen ihn laufen würden, werde aber mit den Behörden kooperieren. Gerade unter seiner Präsidentschaft, so Dahlin, seien umfassende Reformen in der IBU erfolgt.
Der in den Akten der WKStA angeführte anonyme Informant wartete auch mit einem brisanten, fast abenteuerlichen Detail auf. Demnach existieren angeblich Videoaufzeichnungen, die die Übergabe von Bargeld an IBU-Verantwortliche zeigen würden. Diese Aufnahmen – so es sie tatsächlich gibt – wären „maßgeblich für die Aufklärung der Verdachtslage“, wie die WKStA in ihrer Anordnung zur Hausdurchsuchung bei der Infront in der Schweiz schreibt. Derzeit wird das am 5. Februar von der Zuger Polizei sichergestellte Material ausgewertet. Ob Videoaufnahmen darunter sind, ist – noch – unbekannt.
Moritz Ablinger
war bis April 2024 Redakteur im Österreich-Ressort. Schreibt gerne über Abgründe, spielt gerne Schach und schaut gerne Fußball. Davor beim ballesterer.
Gernot Bauer
ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.