Afghanistan: Leben im Taliban-Gebiet
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Am Ende ist es sehr schnell gegangen. Am Sonntag haben die Taliban die afghanische Hauptstadt Kabul erobert. Die Kämpfe haben nicht lange gedauert. Die afghanischen Soldaten sind hier, wie auch sonstwo, rasch verschwunden. Tausende sind in den vergangenen Monaten desertiert oder haben aufgegeben. Präsident Aschraf Ghani hat das Land verlassen, die Taliban haben den Präsidentenpalast übernommen und ihre Flaggen gehisst.
Sayed Shah Mehrzad lebt mitten im Taliban-Gebiet. Der Arzt kommt aus Baghlan, die Taliban haben die nordafghanische Provinz vor kurzem erobert. Seit Jahren behandelt Mehrzad Kämpfer beider Seiten, in seiner Arbeit macht er da keinen Unterschied: Wer verletzt ist, dem wird geholfen.
Für seine Reportage im aktuellen profil hat der österreichisch-afghanische Journalist Emran Feroz mit Menschen gesprochen, deren Heimatorte bereits von den Taliban kontrolliert werden oder die in umkämpften Gebieten leben. Sie alle haben Angst und fragen sich, wie es nun weiter geht. Schlittert Afghanistan zurück in die 1990er-Jahre, als die Islamisten das Land mit aller Härte regierten? Wird Mädchen wieder verboten, in die Schule zu gehen, werden Frauen noch arbeiten dürfen?
Mit der Eroberung der afghanischen Hauptstadt sind die Taliban nun fast am Ziel. Mehr als zwei Drittel des Landes stehen mittlerweile unter ihrer Kontrolle. Die Islamisten haben nicht nur die großen Provinzhauptstädte, sondern auch strategisch wichtige Grenzübergänge eingenommen.
Eigentlich sollten 650 US-Soldaten zum Schutz der Botschaft in Kabul bleiben, doch nun wird evakuiert, das Personal ausgeflogen.
Schallenbergs Botschaft an die Taliban
In Anbetracht dieser Lage mutet es geradezu grotesk an, dass einige Staaten, darunter Österreich, auch am Wochenende noch darauf beharrten, weiter Menschen nach Afghanistan abzuschieben. Praktisch möglich ist das zwar derzeit nicht – der letzte Flug mit abgelehnten Asylwerbern aus Österreich an Bord bekam Anfang August keine Landeerlaubnis in Kabul. Und auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Rückführung eines Mannes von Wien nach Afghanistan mit Verweis auf die Sicherheitslage im Land gestoppt. Doch während etliche Länder, darunter Deutschland und Frankreich, einen Abschiebestopp verhängt haben, bleibt die Regierung in Wien hart.
Anstatt „wie 2015 massenhaft Menschen aufzunehmen“, sagte jüngst Sebastian Kurz, müsse man daran arbeiten, „die Situation in Afghanistan zu verbessern“. Das klingt gut, nur leider kann Österreich da wenig ausrichten. Außenminister Alexander Schallenberg ging am Samstag sogar soweit die Taliban in einer Presseaussendung aufzufordern, „ihr rücksichtsloses Verhalten sofort zu stoppen und zum Verhandlungstisch zurückzukehren“. Man fragt sich schon, ob sich die Regierung in Wien da nicht ein bisschen überschätzt.
Einen Tag nach Schallenbergs Presseaussendung haben die Taliban Kabul erobert. Laut Mehrzad, dem Arzt aus Baghlan, stehen einander auf dem Schlachtfeld häufig Familienmitglieder gegenüber: Brüder kämpfen gegen Brüder, Cousins gegen Cousins. „Es ist“, sagt er, „eine Tragödie, die ihresgleichen sucht“.
Siobhán Geets
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