AG Alpha-Pannonia: Österreich als Drehscheibe im Balkan-Drogengeschäft
„Das Fazit ist, dass wir äußerst erfolgreich waren“ – Direktor des Bundeskriminalamtes Andreas Holzer ist bei der Präsentation über Outcomes der Arbeitsgruppe Alpha-Pannonia im Bereich der organisierten Suchtmittelkriminalität zufrieden. Seit seiner Gründung am 1. November 2020 gelang es dem Bundeskriminalamt, in Kooperation mit dem Landeskriminalamt Steiermark und Burgenland, 73 Kriminelle festzunehmen, einen Auftragsmord zu klären und Suchtmittel, Schusswaffen und Sprengstoff sicherzustellen.
Aber nochmal von vorne.
Die Arbeitsgruppe Alpha-Pannonia besteht aus den vier Operationen: Alpha, Hexogen, Pannonia und Vogue. Dabei geht es um professionell aufgestellte Drogenclans, deren Mitglieder Großteils aus Balkan-Ländern, wie Kosovo, Albanien, Serbien oder Montenegro stammen und agieren von Österreich aus.
OP Pannonia: Kokain-Scheingeschäft
Im Visier der Ermittler stand bei der Operation Pannonia die Beschaffung von Kokain, bei der mehrere serbischstämmige Personen aus Slowenien und Brünn Kokain und Cannabis nach Österreich schmuggelten. Gefasst wurden sie im Rahmen eines von den Ermittlerin initiieren Scheinkaufs, die Reinheit des Kokains lag bei über 90 Prozent, erfährt profil von dem Leiter des LKA Burgenland Gerhard Braunschmidt. Vier der Täter konnten vor Ort festgenommen werden, sechs weitere später – eine Person in Kroatien nach einem internationalen Haftbefehl. Den Angeklagten drohen bis zu achteinhalb Jahren Haft. Mit PKWs sollen die Täter Kokain aus Belgien und den Niederlanden nach Österreich gebracht haben. Die Ermittler haben insgesamt 63 Kilogramm Kokain und Cannabis sichergestellt.
Österreich als Drehscheibe für Drogengeschäfte
Aufgrund seiner geographischen Lage und dem historischen Bezug zum Balkan dient Österreich als Drehscheibe der Drogengeschäfte. „Man darf nicht vergessen, dass Banja Luka von Österreich nicht einmal fünf Autostunden entfernt ist“, betont Erich Schnedl, Chefinspektor und Leiter des Ermittlungsbereiches Suchtmittel im steirischen Landeskriminalamt.
Die kriminellen Akteure in den Balkan-Ländern arbeiten höchst professionell, man könne ihre Professionalität mit der eines Geheimdienstes vergleichen. Ihre Kommunikation findet über verschiedene Messenger-Dienste wie WhatsApp, Telegram oder Signal statt, aber auch über Krypto-Messenger wie Sky ECC. „Alles passiert nach Regeln und Strukturen, in allen Belangen wird auch international kooperiert. Die Kriminellen kennen keine Landesgrenzen“, so Schnedl.
OP Vogue: Die Möbel-Packerl
Über Landesgrenzen hinweg spielte sich auch die Operation Vogue ab. Kosovo-albanische Täter haben dort unter anderem Cannabis in Möbel eingebaut und aus dem Kosovo quer durch Europa transportiert. Der Kopf dieser Verbindung war ein 41-jähriger Kosovo-Albaner. Ein junger Vater, dessen Frau und Kinder im Kosovo leben, der jedoch eine tschechische Lebensgefährtin in Österreich hatte. Die Tschechin war seine rechte Hand und koordinierte mit dem 41-Jährigen die Drogengeschäfte. Mittlerweile sitzt der Kosovo-Albaner in Österreich in Haft, zuvor flüchtete er aus dem Kosovo, wo es zu einem Schusswechsel mit einem Polizisten kam, nach Belgien. Dort wurde er schließlich gefasst. Ihm droht bis zu lebenslanger Haft, er war für den Schmuggel von mindestens 3,5 Tonnen Marihuana verantwortlich.
Die Kriminellen haben in seinem Auftrag Marihuana aus Albanien über den Kosovo nach Serbien geschmuggelt, es dort in Möbel verpackt und nach Österreich transportiert. Die Suchtmittel wurden dick in Cellophan verpackt, sodass es selbst Spürhunden bei Grenzkontrollen nicht möglich war, sie zu erkennen.
Im Rahmen der ganzen Operation Vogue konnten die Polizeibeamten 28 Verdächtige festnehmen.
OP Alpha: Verbindung zu Kavač- und Škaljari-Clans
Zu 32 Festnahmen kam es im Zuge der Operation Alpha, bei der die Behörden einen Auftragsmord aufklären konnten. 2015 ermordete ein bosnischer Serbe in Verbindung mit dem des Kavač-Škaljari-Clankriegs einen den Besitzer eines Fischrestaurants in Budva, Montenegro. Der Auftragsmörder tötete den Fischrestaurant-Besitzer mit einem Scharfschützengewehr, er war in diesem Bereich ausgebildet. Es war der vierte Clanmord in Montenegro, mittlerweile sind insgesamt über 70 Personen aufgrund dieses Clankriegs gestorben – unter ihnen waren auch Zivilisten. profil berichtete bereits über die Ausmaße, die dieser Drogenclan-Konflikt angenommen hat.
Der Mörder war in Graz ansässig und wurde schließlich in Wien verhaftet. Im Zusammenhang der Operation Alpha konnte man 32 Personen festnehmen.
Gelungen ist das deshalb, weil die Lieferkette via Messenger-Dienste nachverfolgt werden konnte: Das Kokain wurde tonnenweise aus Südamerika mittels Containern in die Niederlande gebracht und in Wien-Simmering gelagert.
OP Hexogen: Kokain und Sprengstoff
Das Lager im 11. Bezirk teilten sich die Akteure der Operation Alpha mit den Kriminellen der Operation Hexogen, wo die Polizei neben Kokain auch 4,5 kg aus dem Balkan stammenden Sprengstoff sicherstellen konnte. Der Explosivstoff stammt noch aus der Zeit nach dem Jugoslawien-Krieg und hat eine militärische Herkunft. Kriminelle schmuggelten ihn aus den ehemaligen jugoslawischen Ländern nach West- und Mitteleuropa. Eine direkte Verbindung vom Verkauf des Sprengstoffes zu konkreten Anschlagsplänen gibt es jedoch nicht.
Ähnlich wie bei den Kavač- und Škaljari-Gruppierungen haben die Akteure aus Bosnien oder Montenegro Verbindungen zu Drogenclans. Die kosovo-albanischen Kriminellen hingegen setzen bei ihrer Arbeit mehr auf Familienstrukturen.
Die Polizeiarbeit in der AG Alpha-Pannonia besteht aus der Vernetzung mit Informant:innen und dem Verwenden moderner Überwachungstools. Es ginge aber viel mehr – ist sich BK-Direktor Holzer sicher. Er beklagt hier, dass es nicht ausreichend Überwachungsmöglichkeiten für Messenger-Dienste für Beamten gebe. „Österreich ist in Europa wie ein gallisches Dorf – nur ohne Zaubertrank“, so Holzer. Eine solche schärfere Überwachung von Messenger-Diensten forderte die ÖVP auch im Nationalen Sicherheitsrat am Dienstag, die anderen Parteien haben das allerdings abgelehnt. Gründe für die Ablehnung waren etwa Sicherheits- oder rechtliche Bedenken, sowie die Sorge, dass erweiterte Überwachungsbefugnisse missbraucht werden könnten, um politische Gegner:innen oder Aktivist:innen zu überwachen.