Analyse

Doskozils Sieg am Parteitag - und viele Fragezeichen

Die SPÖ entschied sich für einen Kanzlerkandidaten, nicht für den feurigen Arbeiterführer. Doch die tiefe Spaltung und die inhaltliche Orientierungslosigkeit der Partei bleibt. Ob ausgerechnet Doskozil sie überwinden kann, ist fraglich.

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Am Montag wurde bekannt, dass beim Auszählen der Stimmen am Parteitag die Namen vertauscht wurden. Nicht Hans Peter Doskozil hat die Wahl gewonnen, sondern Andreas Babler. Zur Nachvollziehbarkeit der Ereignisse bleiben die Artikel in der ursprünglichen Version auf profil.at.

Ein Kantersieg schaut anders aus. Mit 53,02 Prozent entschied sich nur eine relativ knappe Mehrheit für Hans Peter Doskozil. Dennoch: Er ist am Ziel, hat Pamela Rendi-Wagner erfolgreich von der Parteispitze geschubst und sich gegen Konkurrenten Andreas Babler durchgesetzt.

An den Auftritten am Parteitag lag das nicht, gegen die kämpferische, emotionale, schwungvolle Brandrede von Andreas Babler fiel Doskozils dröge Auflistung nachgerade dramatisch ab. Das kann man langweilig nennen – oder auch staatsmännisch. Jedenfalls entschieden sich die Delegierten knapp, aber doch nicht für den Typus Babler, den feurigen Arbeiterführer, sondern für den Typus Kanzlerkandidat Doskozil.

Ihm traute die Mehrheit der Delegierten eher zu, Stimmen von ÖVP und FPÖ zu holen, die SPÖ bei der nächsten Nationalratswahl auf Platz 1 und von der ungeliebten Oppositionsbank wieder in Regierungsverantwortung zu führen. Das gab den Ausschlag, die peinlichen Patzer Bablers zu EU- und Marxismusfragen verstärkten die Meinung vieler, dass Doskozil eher auch außerhalb von SPÖ-Sektionen mehrheitsfähig sein kann. Er gilt als Macher und hat auf der Haben-Seite neben seiner absoluten Mehrheit im Burgenland auch vorzuweisen, als Landeshauptmann einen konturierten Kurs auch umzusetzen.

Damit hat der ewige Querredner aus dem Burgenland einen wichtigen Etappensieg erzielt, der entscheidende Kampf liegt aber noch vor ihm: Das Werben um den anderen Teil der heillos zerstrittenen SPÖ, jenes veritabel große Lager, das ihn nicht gewählt hat – weder bei der Mitgliederbefragung, noch am Parteitag. Jenen Gruppen in der Partei, die zuerst loyal hinter der glücklosen Parteichefin Pamela Rendi-Wagner gestanden sind, zwar manchmal unter ihrer zögerlichen Politik gelitten, die erste Frau an der SPÖ-Spitze aber stets gegen die Untergriffe des robusten Burgenländers verteidigt haben. Und dann flugs zur Gruppe jener wechselten, die mit anschwellender Begeisterung den Aufstieg des Basis-Kandidaten und Feuerkopfs Andreas Babler begleiteten. Endlich wieder ein linker Brandredner, endlich wieder jemand, dem die Genossinnen und Genossen mit heißen Herzen begegnen können, endlich wieder jemand, der sie an glorreiche Zeiten erfolgreicher Arbeiterführer erinnert! Babler gelang das seltene Kunststück, in der gebeutelten Sozialdemokratie lang vermisste Leidenschaft zu entfachen – für Sozialthemen, für Umverteilung, streckenweise gar für Klassenkampf. Kurz: Für akzentuierte linke Politik.

Der als Außenseiter gestartete Babler war die eigentliche Überraschung dieses Wahlkampfs, legte im Finale mit dümmlichen Anti-EU-Parolen zwar seine mangelnde Trittsicherheit auf Bundesebene offen – machte aber mit seiner Brandrede am Parteitag klar, dass mit ihm und seinem Lager in der SPÖ weiter zu rechnen sein wird.

Die Frage zwischen links und rechts ist in der SPÖ nicht entschieden. Darüber können auch die versöhnlichen Töne vieler Rednerinnen und Redner am Parteitag, sichtlich bemüht, die selbstzerstörerische Selbstzerfleischung der roten Chaoswochen zu beenden, nicht hinwegtäuschen. Zu tief sind die Gräben in der Partei: Zwischen Wien, Gewerkschaft und anderen Bundesländern. Frauen und Testosteronschlachtrössern. Humanität und Härte in der Migrationspolitik. Jungen Träumern und Handwerkern der Macht. Kurz: Wie und in welchem Stil die SPÖ Politik für welche Klientel machen will und soll.

Das weiß die taumelnde SPÖ schon sehr lange nicht. Denn seit Jahren ist die SPÖ strategisch schwammig und inhaltlich beliebig. Die Probleme sitzen tief, auch deshalb wurde der Disput zwischen den beiden Lagern derart harsch geführt. Ob es Doskozil, der bisher nicht als Verbinder aufgefallen ist, gelingt, diese verschiedenen Strömungen zu einer geschlossenen Partei zusammenführen, das bleibt das große Fragezeichen nach diesem Parteitag.

Der Kampf um die rote Parteispitze ist entschieden. Der Kampf um die inhaltliche und strategische Ausrichtung der SPÖ beginnt aber erst.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin