Titelgeschichte

Anders Tegnell: „Jedes Land hatte Phasen, in denen alles daneben ging. Auch Österreich“

Der schwedische Chef-Epidemiologe ist gegen eine Maskenpflicht und erklärt, wo sich die meisten Menschen anstecken.

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Was hältst du von Schweden? Diese Frage sorgte vor allem zu Beginn der Pandemie für erbitterte Debatten in ganz Europa. Statt auf Verbote und die Schließung ganzer Wirtschaftszweige setzten die Schweden im Kampf gegen Corona in erster Linie auf freiwillige Kooperation der Bürger. Verantwortlich für diese umstrittene Politik ist Anders Tegnell, 64, Arzt und Chef-Epidemiologe in der Behörde für öffentliche Gesundheit. Im Skype-Interview mit profil bleibt Tegnell bei seiner Strategie, warnt aber vor Nachlässigkeit in den kommenden Monaten. „Wir müssen mit den Zahlen nach unten.“ Tegnell ist gegen eine Maskenpflicht, plädiert für mehr Gelassenheit im Umgang mit den Virus-Mutationen in Tirol und relativiert Berichte, wonach er derzeit unter Polizeischutz stehe: „Im Vergleich zum Frühling sind die Drohungen weniger geworden.“

In Schweden herrscht nach wie vor keine Maskenpflicht. Geht es nach Tegnell wird das auch so bleiben: In Pflegeheimen und Krankenhäusern seien Masken wichtig, räumt er ein. „Ich glaube nur nicht, dass Masken überall die Lösung sind. Es gibt viele Länder mit strikter Maskenpflicht, die trotzdem sehr hohe Infektionszahlen haben.“

Der Arbeitsplatz und das familiäre Umfeld seien jene Orte, an denen es am häufigsten zu Ansteckungen komme, sagt Tegnell. Auf die Art des Jobs komme es dabei nicht an: „Wir haben uns das genau angesehen und festgestellt, dass die Unterschiede zwischen einzelnen Branchen sehr klein sind.“ Auch in den Schulen gebe es ein gewisses Infektionsgeschehen, „aber es geht hauptsächlich von den Lehrern aus, nicht von den Kindern.“

Anders Tegnell plädiert für etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit Virus-Mutationen. Stark gesunkene Infektionszahlen in Ländern wie Großbritannien und Südafrika würden zeigen, dass die Varianten mit den gleichen Maßnahmen eingedämmt werden könnten wie das ursprüngliche Virus, meint Tegnell. „Ich bin nicht sicher, dass die Mutationen wirklich so viel ansteckender sind.“

Zweifel an der Richtigkeit der eigenen Einschätzung kenne er wie wohl jeder, der mit der Bekämpfung dieser Pandemie zu tun habe, sagt Tegnell. „Jedes Land hatte Phasen, in denen alles danebenging und das Virus trotz aller Bemühungen außer Kontrolle geriet. Auch Österreich hat das erlebt.“

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Rosemarie Schwaiger