Andreas Schieder: Naturfreund am Rathaus-Pfad
Mit Andreas Schieder bewirbt sich auch ein Bundespolitiker um das mächtige Amt des Wiener SPÖ-Chefs. Der 48-Jährige, der während der vergangenen vier Jahre ziemlich souverän den Parlamentsklub der Sozialdemokraten gelenkt hatte, wird so zum Kandidaten der Parteilinken, obwohl er eigentlich vor allem Pragmatiker ist.
An sich gilt Schieder nicht unbedingt als politischer Hasardeur. Darum mag es manche verwundern, dass er das Risiko des Duells mit Wohnbaustadtrat Michael Ludwig eingeht, obwohl die Chancen trotz zumindest stiller Unterstützung von Amtsinhaber Michael Häupl nicht über 50:50 hinausgehen. Doch wird auch ihm bewusst sein, dass es wohl die einzige Gelegenheit ist, das in letzter Konsequenz angestrebte Amt des Bürgermeisters zu erlangen. Wer sich diesmal durchsetzt, dürfte einige Zeit das Rathaus besetzen, sofern Wien überhaupt rot bleibt.
Dass die Wahl der Ludwig-Gegner auf Schieder gefallen ist, überrascht nicht sonderlich. Im Vergleich zu anderen Alternativen vom linken Flügel ist er deutlich gemäßigter und kann auch in die Parteimitte wirken, was seine Chancen am Landesparteitag erhöhen sollte. Zudem ist Schieder Polit-Profi, was er sowohl in der Landespolitik als auch als Staatssekretär und Klubobmann bewiesen hat. Ein Risiko-Kandidat ist er somit keineswegs. Vielmehr wäre wohl eine Fortsetzung der Häupl-Linie zu erwarten.
"Gegen Schwarz-Blau zu sein ist keine Antwort" (Interview November 2017)
Was Schieder für Vertreter des rechten Parteiflügels suspekt macht, ist in erster Linie seine Lebensgefährtin und Mutter des gemeinsamen (erwachsenen) Sohns Max. Sonja Wehsely, lange Sozialstadträtin und ebenfalls mit Bürgermeister-Ambitionen ausgestattet, gilt vielen Repräsentanten der Flächenbezirke als eine Art Göttin-sei-bei-uns. Sie fürchten, dass die ausgeprägte Linksauslegerin quasi über ihren Lebensgefährten doch noch indirekt ins höchste Amt der Stadt einziehen könnte.
Dabei ist Schieder wahrlich selbstbewusst genug, seine eigene Agenda zu verfolgen und er hat unter den Kanzlern Werner Faymann (SPÖ) und Christian Kern (SPÖ) bewiesen, dass er bei aller linken Rhetorik zunächst Mann des Machbaren ist. Auch gab es Positionen, wo er deutlich von der Linie der Linken abgewichen ist. So war Schieder etwa in der SPÖ-Prominenz Vorreiter, was ein Vollverschleierungsverbot in der Öffentlichkeit angeht.
Freilich ist der nunmehr nur noch geschäftsführende Klubchef an sich schon eher dem linken Flügel seiner Partei zuzuordnen und das von Jugend an, wo er sich rasch als Spitzenfunktionär versuchte. Von 1994 bis 1997 war Schieder Vizepräsident der Sozialistischen Jugendinternationale, im Anschluss zwei Jahre Präsident der Europäischen Jungsozialisten.
Geholfen hat da wohl, dass er aus einer politischen Familie stammt. Sein (2013 verstorbener) Vater Peter gehörte über viele Jahre zu den mächtigsten Männern der SPÖ, sowohl im Bund etwa als Zentralsekretär als auch in Wien als Umweltstadtrat. Auf Kommunalebene begann dann auch Andreas Schieders Weg in die hohe Politik. Schon vor dem 30. Geburtstag sicherte er sich einen Sitz im Gemeinderat, deutlich vor dem 40er zog er in den Nationalrat ein, damals schon als Nachfolger seines Vaters Vorsitzender der SPÖ Penzing, der er bis heute ist, wiewohl er in der Leopoldstadt lebt.
Kurz vor der Neuwahl 2008 übernahm Schieder das Beamten-Staatssekretariat, nach dem Urnengang wurde der studierte Volkswirt dem damaligen VP-Chef und Finanzminister Josef Pröll zur Seite gestellt, wobei vor allem die Rettung der Kärntner Hypo zum Stolperstein werden hätte können. Schieder hielt den Kopf über Wasser, Faymann gefiel das Gezeigte und er machte ihn zum Klubchef. Die Fraktion führte er mit nicht allzu strenger Hand. Heute ist Schieder unter den Abgeordneten eher beliebter als zu seinem Amtsantritt.
Als Schwäche ausgelegt wird Schieder manchmal, dass es ihm lange nicht gelungen war, eine wirklich tragfähige Achse zur FPÖ aufzubauen, auch wenn man nach Aufbrechen von Rot-Schwarz doch einige Beschlüsse gemeinsam mit den Freiheitlichen zustande brachte. Bei ihm kann die Basis jedenfalls sicherer als bei Ludwig sein, dass Rot-Blau in Wien wohl auf längere Zeit nicht Realität wird. Weniger Berührungsängste hat Schieder mit NEOS und Grünen. Aber er kann auch mit dem klassischen ÖVP-Hardliner Wolfgang Sobotka sehr gut.
Zu den Leidenschaften Schieders zählt gutes Essen bis runter zur Gummischlange. Da trifft es sich gut, dass der leidenschaftliche Rapid-Anhänger dem aktiven Sport mindestens ebenso verfallen ist. Auch auf "sozialen Medien" lässt er sich gerne beim Skifahren, Mountainbiken oder Wandern abbilden, wie es dem Chef der Naturfreunde ohnehin gut ansteht. Gesammelt wird im Büro Schieder ebenfalls, nämlich Holzfiguren eines schwedischen Künstlers, die vor allem linke Politiker aus aller Welt darstellen.
Ein leichtes Handicap Schieders ist, dass er manchmal eine gar flotte Lippe bis hin zur Patzigkeit hat. Zudem ist ihm Eitelkeit nicht ganz fremd und er kann schon einmal ordentlich grantig werden, wobei sein Zorn meist auch wieder bald verraucht ist. Insgesamt kann man ihm die Führung der schwierig gewordenen Wiener Partei (ebenso wie Kontrahent Ludwig) schon zutrauen. Unkenrufen, wonach es ihm am Charisma für einen Bürgermeister mangle, muss man nicht glauben. Mit dem Michael Häupl von 1993 kann es Schieder nämlich problemlos aufnehmen.
Zur Person: Andreas Schieder, geboren am 16.4. 1969 in Wien, Magister der Volkswirtschaftslehre, in einer Lebensgemeinschaft mit Sonja Wehsely, ein gemeinsamer Sohn. 1994-1997 Vizepräsident der Sozialistischen Jugendinternationale, 1997-1999 Präsident der Europäischen Jungsozialisten, 1997-2006 Abgeordneter zum Wiener Landtag, ab 2002 Bezirksvorsitzender der SPÖ Penzing, ab Oktober 2006 Nationalratsabgeordneter, von Juli 2008 an Staatssekretär, zunächst im Kanzleramt, danach im Finanzministerium, ab Oktober 2013 Klubobmann der SPÖ, seit November 2017 geschäftsführender Klubobmann der SPÖ. Seit Juni 2016 stellvertretender SPÖ-Vorsitzender. Ab 2014 Vorsitzender der Naturfreunde.
Lesen Sie dazu:
Das Interview (November 2017) mit Andreas Schieder über derbe Rote, nervende Grüne, das Wahlrecht für Ausländer und einen guten Anlass, seine Lederhose auszuführen.
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