Angebliche Anschlagspläne in Wien: 2016 verurteilter Imam ebenfalls beschuldigt

Neue Details zum angeblichen Terror-Plan zur Weihnachtszeit: Die Polizei ermittelt inzwischen gegen einen vierten Beschuldigten.

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Die Beschuldigungen wiegen schwer und ziehen immer weitere Kreise: Laut Staatsanwaltschaft sollen vier Männer – zwei davon sind bereits verurteilte Islamisten – „Sprengstoffanschläge auf Weihnachtsmärkte bzw. die Silvesternacht in Wien beim Stephansplatz, Salzburg sowie Deutschland, Frankreich und Luxemburg“ geplant haben”, wie in profil vorliegenden Protokollen zu lesen ist.

Die angeblichen Anschlagspläne wurden kurz vor Weihnachten bekannt, als die Polizei zwei Männer mit tschetschenischen Wurzeln verhaftete. Ein 25-Jähriger und ein 31-Jähriger sitzen auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt seit 12. Dezember in Untersuchungshaft – diese wurde vergangenen Freitag verlängert.

Ein dritter Tatverdächtiger, Sergo P., 24, verbüßt seit 2015 eine Strafhaft wegen IS-Mitgliedschaft. Er soll vom Gefängnis aus mit den beiden anderen Terror-Verdächtigen mit einem illegal besessenen Handy telefoniert haben. Laut bisherigen Ermittlungen soll er gemeinsam mit seinen Bekannten – der 25-jährige Kickboxer A. und der 31-jährige B. – seinen Ausbruch, Anschläge und seine Ausreise nach Syrien geplant haben.

Ein vierter Mann im Visier

Wie profil aus verlässlicher Quelle erfahren hat, nahm die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den angeblich geplanten Weihnachts-Anschlägen einen vierten Mann ins Visier. Über ihn war bisher nichts bekannt. Er heißt Visit D. und wurde als radikaler Imam im März 2016 in Graz zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Die Staatsanwaltschaft Graz bestätigte gegenüber profil D.s mutmaßliche Beteiligung an dem Terror-Komplott.

Ins Rollen kamen die Vorwürfe, weil Mithäftlinge von Sergo P. und Visit D. in der Justizstrafanstalt Hirtenberg die nunmehrigen Terror-Verdächtigen durch Aussagen belasteten. Die Justiz hält den Akt unter Verschluss. Die Verdächtigen weisen laut ihren Anwälten jede Schuld von sich und sprechen von Intrigen und Racheaktionen. „Der Verdacht gegen meinen Mandanten ist eine Totgeburt, völlig auf Luft“, so Wolfgang Blaschitz, der den 25-Jährigen Kickboxers A. vertritt.

Guck mal, der nutzt uns aus. Ich will mit dem nichts zu tun haben

Laut einem profil vorliegenden Einvernahme-Protokoll behauptet A., er werde als Terrorist verleumdet, weil er ein dubioses Geldgeschäft platzen habe lassen. Seine Version der Geschichte: Sergo P. – also jener Mann, der von der Haft aus verbotenerweise telefonierte –, soll die Angelegenheit vermittelt haben. Ein Mithäftling P.s aus Hirtenberg habe bei einem Haftausgang den damals noch in Freiheit befindlichen Kickboxer A. getroffen. Laut Aussage von A. habe der Mann ihn gebeten, „dass ich fünf Millionen Euro nach Italien bringe, zu wem weiß ich nicht”. Dafür hätte der Kampfsportler eine Summe Geld kassiert. Er habe jedoch vermutet, dass es dabei um Drogen ging und abgelehnt. „Guck mal, der nutzt uns aus. Ich will mit dem nichts zu tun haben“, soll A. später zu Sergo P. gesagt haben. Wegen dieses geplatzten Deals habe der Mann sich rächen wollen und sowohl ihn als auch Sergo P. bei der Polizei schwer belastet.

Den Behörden scheint A. auch deshalb verdächtig, weil bei einer Hausdurchsuchung ein gefälschter, rumänischer Pass mit einem Foto Sergo P.s gefunden wurde. A. sagt dazu aus, er habe den Pass besorgt, um P. nach dessen möglicher Haftentlassung vor einer Abschiebung nach Russland zu bewahren. (Anm: alle Beschuldigten stammen aus Tschetschenien.) Die Staatsanwaltschaft hingegen vermutet, dass der gefälschte Pass für P.s angeblich geplante Ausreise nach Syrien gedacht war.

Es macht nichts, dass die Tschetschenen verhaftet wurden, weil es noch andere gebe, die den Plan umsetzen würden

Wie kam der bisher unbekannte vierte Mann ins Spiel? Nach der Verhaftung des 25-Jährigen A. und des 31-Jährigen B. Mitte Dezember machte ein neuer, anonymer Zeuge die Behörden auf Visit D. aufmerksam. Der 45-jährige Ex-Imam hatte in der tschetschenischen Community mehrere Personen radikalisiert und wurde im März 2016 vom Landesgericht Graz zu sechs Jahren Haft verurteilt. Davon saß er einen Teil in Hirtenberg ab. Dort dürfte er Sergo P. kennen gelernt haben. Laut dem erwähnten Zeugen soll D. nach der Verhaftung der beiden Terror-Verdächtigen A. und B. ihm gegenüber gemeint haben: „Es macht nichts, dass die Tschetschenen verhaftet wurden, weil es noch andere gebe, die den Plan umsetzen würden”.

Die nunmehrige Involvierung von Visit D. ist auch der Grund dafür, dass das Verfahren kürzlich von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt nach Graz wanderte. „Gegen die Person läuft bereits seit April 2019 ein ähnliches Verfahren“, so Hans-Jörg Bacher, Sprecher der Grazer Staatsanwaltschaft, zu profil. „Weil die Vorwürfe aus Wiener Neustadt mit denen in Graz zusammenlaufen, wurde das Verfahren hierher überführt.“

Damit nicht genug: Medienberichte rückten auch den 2017 verurteilten IS-Sympathisant Lorenz K. in den Kreis angeblicher Komplizen. In den profil vorliegenden Dokumenten wird K. jedoch lediglich als Zeuge geführt.