Covid, Influenza und RSV

Anrollende Krankheitswelle im November: Ein Winter wie damals

Mit der kalten Jahreszeit kehren Husten, Schnupfen und Fieber zurück. Derzeit liegt das vor allem an Covid. Warum das auch eine gute Nachricht ist.

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Die Ordination im 10. Wiener Gemeindebezirk ist überraschend leer. Wer Husten, Schnupfen oder andere Covid-Symptome hat, muss dennoch auf einem einsamen Sessel am kalten Gang warten. Dort ist eine kleine Teststation eingerichtet. Erst ein negativer Test gewährt Einlass in den warmen Warteraum. Immer häufiger werden Patientinnen und Patienten aber mit einem Covid-Befund nach Hause geschickt.

Die Nächte werden länger, die Temperaturen sinken, der Schnupfen kehrt zurück. Zurzeit kennt wohl jeder jemanden, der krank ist oder sich kränklich fühlt. Entscheidender Treiber der Krankheitswelle ist einmal mehr das Coronavirus. Anders als in den letzten Jahren scheint das Gesundheitssystem der anrollenden Krankheitswelle aber  – noch? – zu trotzen. 

Der Schein trügt nicht: Nach einem milden Herbst ist Österreich nun inmitten einer Krankheitswelle Mehr als 220.000 der bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) Versicherten waren in der ersten Novemberwoche krank und arbeitsunfähig gemeldet, über 50.000 von ihnen hatten einen grippalen Infekt. Wer unter Fieber, Husten oder Gliederschmerzen leidet, dürfte derzeit höchstwahrscheinlich von der Influenza, der echten Grippe, verschont geblieben sein: Sie spielt im heimischen Infektionsgeschehen noch kaum eine Rolle. Nur 269 ÖGK-Versicherte waren zuletzt mit Grippe krankgeschrieben. Das Coronavirus erlebt indes ein echtes Revival.

Wellenreiter

„Wir sind mitten in der Welle drin“, sagt Virologin Monika Redlberger-Fritz. Mittlerweile fallen österreichweit rund 44 Prozent der Covid-Tests in Spitälern und Arztpraxen positiv aus. Das lässt sich auch an der Zahl der Krankschreibungen ablesen: Mehr als 11.000 ÖGK-Versicherte mussten Anfang November wegen Covid daheimbleiben. Das ist zwar nur halb so viel wie vor einem Jahr, damals konnten die Tests aber noch kostenlos in Apotheken abgeholt werden. Allgemein stehe Corona zurzeit  unangefochten an der Spitze der nachgewiesenen Viren, sagt Redlberger-Fritz, die das nationale Referenzlabor zur Überwachung von Influenza-Viren leitet. Auch im Sari-Dashboard der Sozialversicherungen, das die Anzahl der Patientinnen und Patienten mit Atemwegserkrankungen in Spitälern darstellt, ist in den letzten Wochen ein kontinuierlicher Anstieg von Covid-Fällen zu beobachten. 

Im Vergleich zu den Pandemiejahren bewegt sich dieser auf einem niedrigen Niveau: Ende Oktober wurden rund 500 Personen mit Covid im Krankenhaus behandelt. Durch den vermehrten Aufenthalt in Innenräumen sei mit einem Anstieg der Fallzahlen zu rechnen, „eine Überlastung der Spitäler aufgrund von SARS-CoV-2-Infektionen ist aktuell aber nicht zu erwarten“, heißt es aus dem Gesundheitsministerium.

„Wir sind jetzt in einer endemischen Covid-Welle, wie wir sie schon einmal durchgemacht haben und noch oft durchmachen werden“, sagt Redlberger-Fritz: Viele Personen seien gleichzeitig infiziert – aber nur ein kleiner Teil muss im Krankenhaus versorgt werden. Denn: „95 Prozent der in Österreich lebenden Menschen sind schon mit dem Virus in Kontakt gekommen. Damit verläuft die Infektion nicht mehr so schwer, wie es bei der ersten Infektion der Fall war.“

Triple Threat

Eine Gefahr bleiben die Winter-Viren dennoch: Laut der Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP) waren Influenza, Covid und das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) im letzten Winter für 40 Prozent aller Lungenentzündungen verantwortlich. Treten alle drei gleichzeitig auf, könnte das das Gesundheitssystem überlasten. Ende November letzten Jahres kam es zu einer „Triple-Welle“, unter der vor allem Babys und Kleinkinder litten und die die Kinderabteilungen stark belastete. Im Kinderzentrum LKH-Uniklinikum Graz rechnet man in den kommenden Wochen und Monaten mit einer ähnlichen Infektionswelle. Aus Personalmangel müssen aber schon jetzt Kinderstationen gesperrt werden. Eltern sollen die Gesundheitshotline 1450 anrufen, um nicht in einer überfüllten Klinik zu landen. Es gebe ein „strukturelles Problem in Spitälern“, heißt es aus der Wiener Ärztekammer: „Die Personal- und OP-Kapazitäten sind überall gleich schlecht.“ 

Insofern sei es gut, dass die Covid-Welle schon jetzt stattfindet, während Influenza und RSV nur sporadisch nachweisbar sind, sagt Redlberger-Fritz. Möglich ist allerdings, dass das Coronavirus heuer länger Thema bleibt, denn das Virus verhält sich anders als noch vor einem halben Jahr: Das Abwassermonitoring zeigt seit August einen kontinuierlichen, beinahe linearen Anstieg der Corona-Virenlast (sieht Grafik). Warum die Welle nicht wie früher exponentiell in die Höhe schießt, weiß auch Herbert Oberacher, der an der Medizinischen Universität Innsbruck die Abwasser-Analysen durchführt, nicht. Wann und wie die jetzige Welle bricht, ist offen. Noch zeigt der Trend nach oben. 

Umso wichtiger ist, dass Kranke zu Hause bleiben – oder Maske tragen. In den Apotheken erhältliche Antigentests, die Corona, Grippe und RSV erkennen sollen, sind vor allem bei den letzten beiden Virengruppen mäßig aussagekräftig: „Je öfter man mit dem Virus in Kontakt gekommen ist, desto niedriger wird die Virenlast“, sagt Redlberger-Fritz. Bei Kindern funktionieren die Tests daher recht gut, bei Älteren schlechter. 

Besonders in den Risikogruppen bleibt die Impfung entscheidend – das gilt für Covid wie für Grippe und RSV. Um die Impfbereitschaft zu steigern, hat das Gesundheitsministerium neben einer Werbekampagne eine eigene Impf-Website ins Leben gerufen. Auf impfen.gv.at gibt es Informationen, wer wo impft, die Apotheken starten eine Aktionswoche. Sind Termine oder Impfstoff rar, hilft Flexibilität: In der kleinen Praxis im 10. Wiener Gemeindebezirk fällt ein Impfwilliger aus. Kurzerhand wird eine ältere Dame angerufen, die auf der Warteliste steht. Wenige Minuten später bekommt sie ihren Stich – und ist für den Winter besser gegen Covid geschützt.
 

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.