Das AMS Logo hinter zwei Schnipseln einer Gerichtsentscheidung
Schulungszuschlag

Arbeitsloser erkämpfte 4500 Euro vom AMS, ein neues Gesetz soll das künftig verhindern

Ein AMS-Schulungsteilnehmer erstritt sich einen zusätzlichen Schulungszuschlag vor Gericht. Doch bevor mehr Arbeitslose zu ihrem Geld kamen, änderten ÖVP, SPÖ und Neos das Gesetz.

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Dies ist die Geschichte von einem Mann, der mehr als 4500 Euro vom AMS einklagte – und einer Regierung, die Arbeitslose rückwirkend um dieses Recht brachte.

Alles begann mit einem Versprechen. Als Stefan Heimerl am 2. Jänner 2024 die ZIB2 schaute, ließ ihn ein Satz aufhorchen: „Wer während der Arbeitslosigkeit eine länger dauernde Ausbildung macht, bekommt mehrere hundert Euro zusätzlich“, verkündete der damalige Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) stolz. Heimerl hatte im Februar 2023 eine Ausbildung zum IT-Manager am WIFI St. Pölten begonnen und fühlte sich angesprochen. Tatsächlich hatten ÖVP und Grüne den Bildungsbonus des Arbeitsmarktservices (AMS) mit 1. Jänner 2024 durch den höheren „Schulungszuschlag neu“ ersetzt. Im besten Fall erhielten Betroffene 2024 so 12,45 Euro mehr am Tag.

„Probiere es zumindest.“

Ein befreundeter Jurist

zu Stefan Heimerl

Und doch wurde Heimerl enttäuscht: Nur wer seinen Kurs nach dem 1. Jänner 2024 begonnen hat, bekomme die höhere Summe, wurde ihm erklärt. Er und alle anderen Arbeitslose, die ihre Ausbildung davor begonnen hatten, sollten weiterhin weniger bekommen. Heimerl schaute ins Gesetz und fand: Nichts dergleichen. „Ich habe versucht, nachzuvollziehen, warum mir das nicht zusteht. Aber das AMS konnte mir keine für mich zufriedenstellende Antwort geben“, sagt Heimerl. Also fragte er einen befreundeten Juristen, und der meinte: „Du hast ein Argument. Probiere es zumindest.“

Klagt uns doch

Heimerl ließ sich vom AMS einen Bescheid über die Höhe seines Arbeitslosengeldes ausstellen und erhob Einspruch. Die Antwort des AMS: Der höhere Schulungszuschlag stünde ihm nicht zu. Das stehe zwar nicht im Gesetz, aber in einer Weisung des Arbeits- und Wirtschaftsministerium an das AMS. Heimerl ließ nicht locker: Eine Weisung könne keinen gesetzlichen Rechtsanspruch einschränken, argumentierte er – und bekam vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVWG) am 10. Jänner 2025 recht: Die Rechtsansicht des AMS beziehe sich zwar auf die Weisung des Ministeriums, habe aber „keine Deckung im Gesetz“. Neben dem Arbeitslosengeld und dem Bildungsbonus von vier Euro am Tag gebühre ihm zusätzlich der neue, höhere Schulungszuschlag von 12,45 Euro täglich. Das AMS überwies Heimerl für jene Schulungsmonate ab Jänner 2024 in Summe 4.523,40 Euro nach.

Doch Heimerl war nicht nur für sich selbst vor Gericht gezogen. 24.629 Arbeitslose bezogen laut AMS 2024 noch den alten Bildungsbonus. Ihnen allen wäre dem Urteil des BVwG zufolge zusätzlich der tägliche Schulungszuschlag zugestanden. Im Extremfall könnte einem Arbeitslosen insgesamt mehr als 10.000 Euro zustehen, rechnete sich Heimerl aus und wies das zuständige Arbeits- und Wirtschaftsministerium auf das Urteil des BVwG hin. Er hoffte, dass das Ministerium seine Weisung zurücknehmen und das AMS das Geld auszahlen würde. 

Stattdessen bekam er vom Ministerium einen einzigen Satz zurück: „Personen, die der Meinung sind, dass ihr Arbeitslosengeld nicht richtig bemessen wurde, können einen Berichtigungsantrag nach § 24 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz stellen.“ Anders gesagt: Wer zu seinem Geld kommen will, soll, wie Heimerl, ein Jahr vor Gericht verbringen. 

„Das ist dem österreichischen Rechtsstaat einfach nicht würdig“, sagt Heimerl zu profil: „Müssten alle, die Geld vom Staat bekommen, den Rechtsweg bestreiten, würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. Jeder soll zu seinem Recht kommen – im Idealfall ohne großen Rechtsaufwand.“

Schulungszuschlag rückwirkend verloren

Stattdessen passierte das Gegenteil. Dass Arbeitslose den alten Bildungsbonus und den neuen Schulungszuschlag gleichzeitig beziehen können, sei nie geplant gewesen, sagt SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer: „Wir haben das Gesetz daher repariert.“ Am 7. März beschlossen ÖVP, SPÖ und Neos das „Budgetsanierungsmaßnahmengesetz 2025“. Ein kleines Detail darin: Bei Ausbildungsmaßnahmen des AMS, die bis Ende 2023 begonnen wurden, gilt nunmehr nur noch der alte Bildungsbonus, und: Dies tritt rückwirkend mit 1. Jänner 2024 in Kraft. Wer vor dem 1. Jänner 2024 eine AMS-Schulung begonnen hat, erhält weiterhin nur den Bildungsbonus und fällt – wohl ohne das zu wissen – um den erhöhten Schulungszuschlag und damit mitunter mehrere tausend Euro um. 

Rückwirkend Ansprüche zu entziehen, ist rechtlich heikel, denn Bürgerinnen und Bürger sollen sich auf geltendes Recht verlassen können. Würde ein Betroffener vor Gericht ziehen, könnte die Regierung in diesem Fall argumentieren, dass die meisten Betroffenen gar nicht wussten, dass sie einen Anspruch auf den Schulungszuschlag zusätzlich zum Bildungsbonus gehabt hätten und ihr Vertrauen daher durch die Reparatur des Gesetzes nicht gebrochen wurde. 

Dabei begann alles mit einem Versprechen.

Max Miller

Max Miller

ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und mag Grafiken. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.