Österreich

Arbeitsmarkt: Wo Flüchtlinge ohne Deutsch willkommen sind

Konzerne wie Post, Lidl, Spar warten nicht mehr aufs AMS. Sie werben bereits in Integrationskursen um Mitarbeiter. Geht das Experiment auf?

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„Menschen müssen essen und trinken. Deswegen ist ein Arbeitsplatz bei uns sicher.“ Andreas Schneider steht vor einer Video-Wall und präsentiert die Vorzüge von Lidl. Er ist Chef-Recruiter des Lebensmittel-konzerns – „dem größten in Europa“, wie er betont. Er lockt mit Solarzellen auf Filialdächern, sinkendem CO2-Abdruck und dem Bio-Anteil im Sortiment. Er weiß aber, was die 22 Ukrainerinnen und acht Ukrainer im Kursraum eher interessiert: „Zum wichtigsten Punkt, dem Gehalt, kommen wir später.“ Lachen.

Ein finanzielles Zuckerl hat er schon jetzt parat. „Wer jemanden anwirbt, der länger als drei Monate bei uns bleibt, bekommt 500 Euro.“ – „Oh“, reagieren mehrere Teilnehmer.

Es ist eine Art Job-Speeddating, das hier zwischen Lidl, Kriegsflüchtlingen und Zuwanderern läuft. Normalerweise pauken sie hier deutsche Grammatik. Noch sind sie am Anfang. Deswegen übersetzt ein Ukrainisch-Dolmetscher die Ausführungen des Lidl-Mannes und antwortet einer Ukrainerin, die alles genau wissen will. Eine andere Frau, die sich als „Marina“ vorstellt, tritt vor. Sie gibt ihren Landsleuten in der Muttersprache Einblick in die Lidl-Welt zwischen Backshop und Hauptkassa. Vor neun Monaten wechselte die Ukrainerin direkt aus einem Anfängerkurs des Integrationsfonds (ÖIF) zum Lebensmittelkonzern. Jetzt ist sie Schneiders Kollegin und spricht auch passabel Deutsch.

Express-Integration in den Arbeitsmarkt

Das Arbeitsmarktservice (AMS) vermittelt Arbeitsuchende in der Regel erst ab dem Sprachniveau A2. Darauf wollten Unternehmen in akuter Personalnot offenbar nicht mehr warten. „Sie haben sich an uns gewandt“, sagt Sonja Ziganek, Verantwortliche für die Karriereplattformen des ÖIF. 18.500 Zuwanderer sitzen beim Integrationsfons in Sprachkursen. Aus der Bereitschaft von Unternehmen wie Post, Rewe, McDonald’s, Ikea oder dem Wiener Flughafen, auch Personal mit minimalen Deutschkenntnissen aufzunehmen, entstanden diese Karriereplattformen. Mit welcher Erfolgsquote? Gelingt die Express-Integration in den Arbeitsmarkt?

Das lässt sich nicht messen. Weder ÖIF noch die Firmen selbst erheben statistisch, wie viele neue Mitarbeiter über die Vernetzungstreffen einen Job fanden. Bleibt das Fazit der Konzerne. Und das fällt durchwachsen aus.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.