Post als erste Job-Partnerbörse
Laut Integrationsfonds fanden seit 2022 bisher 70 Karriereplattformen mit 6500 Teilnehmern statt. Für Lidl-Recruiter Schneider sind sie zur Routine geworden. Wie viele Mitarbeiter er dadurch gewann, könne er nicht beziffern. Die erste Karriereplattform des ÖIF fand bei der Post statt: „Gerade in unseren Logistikzentren kann man mit relativ geringen Deutschkenntnissen simple Tätigkeiten ausüben. Wir haben derzeit österreichweit rund 600 offene Stellen im Unternehmen, bei gut 100 Stellen kann man auch mit geringen Deutschkenntnissen einsteigen“, sagt ein Sprecher und lobt die „sehr guten Erfahrungen mit dem ÖIF“. Und die Erfolgsquote? „Wir erfassen das nicht gesondert.“
Der Reinigungsdienst ISS mit 7000 Mitarbeitern wird konkreter. Bisherige Anstellungen nach einer Karriereplattform des Integrationsfonds: null. Man werde dennoch weitere Jobbörsen mit dem ÖIF organisieren.
Ernüchternde Bilanz
Die Schlüsselbranche für gering qualifizierte Job-Einsteiger ist der Lebensmittelhandel. Nachfrage bei Spar: „Wirklich großen Output gab es nicht“, zieht Konzernsprecherin Nicole Berkmann Bilanz über mehrere Jobbörsen in ganz Österreich. Zwischen null und drei Personen seien nach diesen Treffen zunächst eingestellt worden. „In der Steiermark waren es zwei Personen aus der Ukraine und eine aus Syrien. Zwei hörten nach kurzer Zeit wieder auf. Ähnlich war es in den anderen Bundesländern.“ Um nicht zu negativ zu klingen, bietet Berkmann einen Kontakt zu einer Ukrainerin an, die als 17-jähriger Lehrling begann und seither im Konzern die Karriereleiter nach oben klettert. Ihre „Marina“, sozusagen. Was auffällt: Immer wieder werden Ukrainerinnen als Erfolgsbeispiele genannt. Oder wie von der Post Kroaten, Ungarn, Serben, Türken. Keine Rede ist von Syrern oder Afghanen, den seit 2015 zahlenmäßig dominanten Gruppen in den Sprachkursen des ÖIF.
Berkmann sieht zwei wesentliche Hindernisse: Deutsch und Mobilität. „Wenn man in den Supermärkten arbeiten möchte – wo wir den größten Bedarf haben – muss man zumindest ein bisschen Deutsch sprechen.“ Sprachlich leichter sei der Einstieg im Warenlager. Diese seien aber oft außerhalb der großen Städte angesiedelt. „Asylberechtigte sind selten mobil.“
Ein Auto müsste man haben
Darauf geht auch Schneider von Lidl in der nächsten Runde ein. „Unser Zentrallager ist Großebersdorf. Wer kennt das?“ Schweigen. „Es ist öffentlich schwer erreichbar, vor allem so zeitig in der Früh. Wenn jemand ein Auto hat und im Lager arbeiten will, gerne bewerben.“ Nach den Ukrainern präsentiert er sein Unternehmen nun einer Gruppe, die mehrheitlich aus syrischen Männern besteht. In der letzten Reihe sitzen drei Frauen mit Kopftuch. Die Stimmung ist nüchterner, ernster. Die Gruppe braucht keine Dolmetscher mehr, weil sie bereits auf Sprachniveau A2 oder B1 angelangt ist. Am Arbeitsmarkt angekommen über Karriereplattformen oder den klassischen Weg – das Arbeitsmarktservice AMS – ist sie noch nicht. Ein Auto für den Arbeitsweg von Wien nach Großebersdorf ist wegen der Erhaltungskosten deswegen eher illusorisch.
Viele Analphabeten
Das zweite Speeddating mit Lidl ist rasch zu Ende. Nur ein Syrer in den Zwanzigern fragt auf Deutsch, ob man als Lehrling genauso viel verdiene, wie am Chart zu lesen. Darauf sind 2400 Euro brutto für 38,5 Stunden angeführt. Schneider verneint. Im ersten Lehrjahr gebe es 1000 Euro, im zweiten 1200 Euro. Und auch Nichtlehrlinge würden in der Regel mit 20 Stunden bei monatlich 1251 Euro brutto einsteigen. Für eine höhere Stundenzahl müsse man sich bei Lidl erst bewähren. Der Abstand zur Mindestsicherung von 1156 Euro, die Flüchtlingen ab ihrer Anerkennung zusteht, wäre minimal. Syrer, die beim Integrationsfonds Sprachkurse absolvieren, sind teils seit Jahren im Land und kamen mehrheitlich ungebildet. „Von den Flüchtlingen, die in den vergangenen beiden Jahren Asyl oder subsidiären Schutz erhielten (ohne Ukrainer), waren zwei Drittel Analphabeten“, sagt Ziganek, „die Hälfte davon auch in der eigenen Sprache“. Die zweite Hälfte muss noch in der lateinischen Schrift alphabetisiert werden.
Zwei, drei, vier Jahre im Kurs
Neun Monate dauern die Alphabetisierungskurse für „primäre Analphabeten“. Die weiteren Sprachkurse für A1 und A2 dauern jeweils drei Monate. Das heißt, fit für die Vermittlung durchs AMS ist ein Teil der Flüchtlinge frühestens nach 15 Monaten. Realistischer sei eine Dauer von weit über zwei Jahren, sagt Ziganek. Denn abgesehen von zeitlichen Kurslücken bestehen bei Syrern und Afghanen nur 43 Prozent die Integrationsprüfung beim ersten Antritt, bei Ukrainern sind es über 70 Prozent. Neu im Land und dann jahrelang im Sprachkurs – dagegen klingt die Aussicht vielversprechender, Deutsch auch gleich am Arbeitsplatz zu lernen, im täglichen Kontakt mit Kollegen und Kunden. Ein Job ist nicht zuletzt der Integrationsturbo schlechthin. Auch dieser Gedanke steckt hinter den Karriereplattformen des Integrationsfonds. Dass diese in der Praxis tatsächlich funktionieren, dieser Beweis steht aber aus.
„Die Teilnehmer sind sowieso hier im Kursgebäude. Sie mit Firmen zu vernetzen, ist kein großer Aufwand“, sagt Ziganek. Weitere Vernetzungstreffen zwischen Betrieben und Sprachschülern sind bereits fixiert. „Solange Unternehmen danach fragen, bieten wir sie an.“