Außer Kontrolle

Aschbach-Markt: Wie Gemeinden in Niederösterreich mangels Kontrolle über die Stränge schlagen

Niederösterreich. Wie Gemeinden mangels Kontrolle über die Stränge schlagen

Drucken

Schriftgröße

Von Ulla Kramar-Schmid und Jakob Winter

Das Gemeindegebiet Aschbach-Markt im Herzen Niederösterreichs zählt gerade einmal 3800 Seelen, langweilig wird es dort trotzdem nicht. Die Bezirkshauptstadt Amstetten mit ihren Shops und Lokalen ist nur zehn Kilometer entfernt; im Gemeindegebiet selbst laden gleich 36 Vereine zum Mitmachen beim Streichquartett oder beim Jagdhornblasen ein oder etwa zum Fachsimpeln über Oldtimer; die Mitglieder des Brandschadenvereins dürfen sich darüber austauschen, worüber immer Mitglieder eines Brandschadenvereins sich austauschen. Mit drei Kindergärten, einer Volks-, Haupt- und Musikschule ist auch der Nachwuchs bestens versorgt; ein Schwimmbad und eine Sportanlage mit Tennisplatz und Fußballfeld steht zur Verfügung. Wem das alles noch nicht reicht, der wird im Veranstaltungskalender fündig. Vergangenen Freitag etwa konnte einem Vortrag zum Thema "Kredite und Zwischenfinanzierungen optimieren“ gelauscht werden.

Finanzgebarung aus dem Ruder gelaufen
Dem örtlichen Bürgermeister Franz Kirchweger (ÖVP) wäre eine Teilnahme durchaus zu empfehlen gewesen. Aschbach-Markt ist eine jener niederösterreichischen Gemeinden, deren Finanzgebarung in den vergangenen Jahren gänzlich aus dem Ruder gelaufen ist. Teure Bauprojekte, nicht evaluierte Abgaben und Gebühren sowie ungünstige Finanzierungsmodelle ließen die Verbindlichkeiten ausufern.

Das Land Niederösterreich hat es bisher trefflich vermieden, den Gemeinden allzu genau auf die Finger zu schauen. Und das wird sich bis zu den Gemeinderatswahlen am 25. Jänner auch nicht ändern. In allen Bundesländern (in Kärnten und der Steiermark mit Einschränkungen) wurden die Landesrechnungshöfe mittlerweile per Landesgesetz ermächtigt, die Gemeindegebarungen zu überprüfen und die Einhaltung von gesetzlichen Bestimmungen einzumahnen. Nicht so in Niederösterreich: Hier muss sich die der Landesregierung unterstellte Prüfungskommission allein mit 573 Gemeinden abmühen - eine nachgerade unschaffbare Aufgabe. Aschbach-Markt etwa wurde von der Gemeindeaufsicht 2006 und 2011 unter die Lupe genommen. Wie Kontrollberichte, Gemeinderatsbeschlüsse, Ausschreibungsunterlagen, Rechnungen und E-Mails belegen, wurde den Mahnungen der Gemeindeaufsicht nicht allzu viel Gewicht beigemessen.

Aschbach-Markt im Mostviertel

Die profil vorliegende Dokumentation beginnt im Jahr 2003. Damals musste die Schule renoviert werden. Ein Aschbacher Bauunternehmen, die Pabst Aschbach GmbH, schanzte sich diesen Auftrag auf eher plumpe Weise selbst zu. Es bereitete die Unterlagen für das Vergabeverfahren auf, beteiligte sich dann selbst an der Ausschreibung, prüfte alsdann die eingegangenen Angebote der Konkurrenz und erteilte sich schließlich selbst den Zuschlag für das Projekt. Gesellschafter des Unternehmens ist ein gewisser Franz Pabst, zugleich Gemeinderat in Aschbach. In dieser Funktion stimmte er auch ein Jahr später, 2004, einem Antrag im Gemeindeparlament zu, welcher der Pabst GmbH weitere Aufträge sicherte.

Der Gemeindeaufsicht stießen diese Vorkommnisse bei einer Vorortprüfung 2006 gallig auf. Denn die Bauprojekte waren nicht nur unter Parteifreunden vergeben worden; zum Teil hatten Kostenschätzungen gefehlt, zum Teil waren die Gemeinderatsbeschlüsse erst nach der Auftragsvergabe eingeholt worden. Die Prüfer empfahlen, diese Praxis schleunigst abzustellen.

Nichts da!

Im März 2008 erhob die Gemeinde Kostenschätzungen für den Kindergartenumbau und kam auf eine Summe zwischen 250.000 und 300.000 Euro. Als das Bauvorhaben im September 2008 dem Gemeinderat vorgelegt wurde, waren wieder alle Aufträge - ohne vorherige Bekanntmachung - vergeben und mit den Bauarbeiten bereits begonnen worden. Das Projekt sollte schließlich mit 492.704 Euro zu Buche schlagen, also deutlich teurer als geplant.

"Nicht umgesetzte Empfehlungen"
Als die Gemeindeaufseher 2011 wieder vor Ort waren, konnten sie es wohl nicht fassen. In ihrem Bericht hielten sie im Kapitel "Nicht umgesetzte Empfehlungen“ deutlich fest: "Der Empfehlung (von 2006, Anm.), bei Bauprojekten eine genauere Planung vorzunehmen, wurde bei der Durchführung des Kindergartenzubaus … nicht nachgekommen. Es erfolgten im Zuge des Umbaus zahlreiche Auftragserweiterungen, die ursprünglich nicht vorgesehen waren und daher auch nicht zur Ausschreibung gelangten“, steht da, und weiter: "Entgegen den Empfehlungen erfolgten sämtliche Beschlüsse des Gemeinderates über die Leistungsvergaben für den Kindergartenzubau erst im nachhinein.“

Der Prüfbericht wurde dem Bürgermeister im September 2011 übermittelt. Man sollte meinen, nun endlich sei die Botschaft in Aschbach angekommen. Doch schon wenige Wochen später, am 12. Dezember 2011, wurden vom Rathaus Angebote für den Abriss von drei Gebäuden am Rathausplatz eingeholt. Die Firma Hinterholzer, deren Geschäftsführerin die gleichnamige ÖVP-Landtagsabgeordnete ist, bekam als Billigstbieterin den Zuschlag. Der Gemeinderat? Wurde wieder nicht eingebunden. Erst am 14. März 2013, also fast eineinhalb Jahre später, holte sich der Bürgermeister einen Auftragsbeschluss vom Gemeinderat. Da lagen ihm bereits die Rechnungen für den Abriss vor. "Die Zahlungen an die Firma Hinterholzer sind erst nach dem Beschluss durch den Gemeinderat erfolgt. Der Gemeinde ist kein finanzieller Schaden entstanden“, rechtfertigt sich Kirchweger. Trotzdem war der Auftrag widerrechtlich.

Dabei sollte Kirchweger der Modus vivendi geläufig sein, hat doch sein Vize Gottfried Bühringer (VP) im Lichte der unerfreulichen Gebarungsprüfungen durch das Land eine Art Leitfaden erarbeitet, wie Projekte von der Gemeinde abgewickelt werden sollen. Das Papier wurde im April 2012 vom Gemeinderat auch einstimmig beschlossen - und fiel schon wenige Wochen später dem Vergessen anheim, als die thermische Sanierung des "Kindergarten 1“ anstand. Die Ausschreibungsmodalitäten wurden diesmal an einen örtlichen Baumeister, Christian Klauser, übertragen. Zufall oder nicht: Klauser war früher Geschäftsführer in einer Tochtergesellschaft der Pabst-Gruppe.

"Überspannung auf die Telefonleitung"
Klauser oblag es nun, allen an der Ausschreibung interessierten Unternehmen die Leistungsverzeichnisse zukommen zu lassen. Als Anbotsende wurde der 6. Juli 2012, 12 Uhr, fixiert. Laut Gesetz hätte er die Leistungsverzeichnisse also spätestens am 14. Juni abschicken müssen. Tatsächlich versandte er sie aber erst zwischen 29. Juni und 5. Juli, also einen Tag vor Angebotsende. Warum? Ein Gewitter habe in der Nacht auf den 29. Juni 2012 eine "Überspannung auf die Telefonleitung“ erzeugt und somit seinen Computer lahmgelegt, rechtfertigte sich Klauser später vor dem Gemeinderat; erst am 3. Juli habe EDV-Betreuer den Schaden beheben können.

Als Folge der Schlamperei lag für einzelne Teilaufträge - etwa für Fenster, Schlosser-, Tischler- und Malereiarbeiten - jeweils nur ein Angebot vor. Die Kuverts wurden formlos in Klausers Büro geöffnet, Protokoll wurde erst gar keines geführt. Sechs Stunden später segnete der Gemeinderat die Auftragsvergaben an die jeweiligen Billigstbieter ab. Und siehe da: Die Baumeisterarbeiten erhielt die BauPabst GmbH, die Zimmermeisterarbeiten die Pabst Holzverarbeitungsges.m.b.H.

Gemeinderat Franz Pabst ist dennoch der Meinung, dass alles konform abgelaufen ist: "Grundsätzlich ist anzumerken, dass alle Projekte seitens der Gemeinde Aschbach nach den Vergaberichtlinien des Landes Niederösterreich ausgeschrieben und auch vergeben werden.“ Eine Unvereinbarkeit zwischen seiner Rolle als Bauunternehmer und Gemeinderat sieht Pabst nicht. Im Gegenteil: Er fände es "sehr schade, wenn regionale Projekte durch auswärtige Unternehmen durchgeführt würden“. Das Unternehmen zahle immerhin Kommunalsteuer in sechsstelliger Höhe an die Gemeinde.

In einem Punkt musste Pabst mittlerweile klein beigeben. An Abstimmungen im Gemeinderat darf er, wenn es um Vergaben geht, bei denen sein Unternehmen mitbietet, nicht mehr teilnehmen. Verständnis dafür hat er freilich nicht: "Der Gemeinderat besteht ja nicht nur aus einer Person. Es haben ja alle ein Stimmrecht.“

Nun ist Aschbach, wenn es um Kompetenzüberschreitungen und fragwürdige Vorgänge geht, kein Einzelfall. Nach einer Gebarungseinschau der niederösterreichischen Prüfungskommission im Jahr 2013 musste der Guntersdorfer ÖVP-Bürgermeister den Hut nehmen. Auch er hatte bei Bauprojekten ohne Zustimmung des Gemeinderates und ohne Finanzplan agiert und Baugenehmigungen erteilt, ohne dass der Bauwerber entsprechende Anträge gestellt hatte. Der frühere Schwechater SPÖ-Bürgermeister wiederum war für den Bau einer Mehrzweckhalle Zahlungsverpflichtungen in Millionenhöhe eingegangen, ohne den Gemeinderat rechtzeitig und vollständig zu informieren. Die Gemeinde wurde damit fast an den Rand des finanziellen Ruins manövriert. Auch er trat im Vorjahr zurück.

Problematische absolute Mehrheiten
Dass Bürgermeister meinen, über demokratische und gesetzliche Spielregeln hinwegtänzeln zu dürfen, liegt wohl nicht zuletzt auch an den politischen Machtverhältnissen in den Gemeinden: In Aschbach und Guntersdorf verfügt die ÖVP über eine absolute Mehrheit, in Schwechat die SPÖ. Und damit sich dieses Machtgefüge von Wahl zu Wahl möglichst wenig ändert, sollte der Wähler tunlichst nicht verärgert werden. Diese Logik schlägt dann zwangsweise auf die Finanzgebarung von Gemeinden durch.

Die Bonität der blau-gelben Gemeinden ist laut Erhebungen des Zentrums für Verwaltungsforschung durchwachsen. Durchschnittlich wird eine gute bis befriedigende Bonität attestiert, aber es gibt auch Ausreißer nach unten, wie das Beispiel Aschbach zeigt. Der Schuldenstand der Gemeinde ist in den vergangenen Jahren durch die Decke geschossen. Als Kirchweger 2005 das Amt Bürgermeisters antrat, beliefen sich die Schulden auf gerade einmal 4,8 Millionen Euro; 2014 wird die Gemeinde bei 12,3 Millionen zu liegen kommen, dieses Jahr sollen die Verbindlichkeiten laut Voranschlag auf 16,6 Millionen Euro ausufern. Laut Gemeinde gründet dies in Kanal- und Straßenbauten, Hochwasserschutz, die Umstellung auf LED-Straßenbeleuchtung und den Neubau des Gemeindezentrums. Auch wären neue Grundstücke erschlossen worden, um Betriebe anzusiedeln. Alle Ausgaben, versichert Kirchweger, seien im Gemeinderat abgesegnet worden.

Der Prüfbericht der Gemeindeaufsicht aus dem Jahr 2011 lässt allerdings auch erahnen, dass man bei den laufenden Einnahmen die Disziplin ziemlich schleifen ließ. Über Jahre hinweg waren Gebühren und Abgaben gesetzeswidrig pauschaliert oder schlicht nicht wertangepasst. So empfahl die Gemeindeaufsicht 2011 etwa, die seit 2002 nicht evaluierten Eintrittspreise des Freibades zu erhöhen und die Öffnungszeiten zu verkürzen, um den hohen Betriebsabgang und die damit verbundenen Überstunden des Badepersonals zu vermindern. Ein Blick auf die aktuelle Website der Gemeinde Aschbach, Rubrik "Tourismus und Freizeit“, beweist, dass auch diese Empfehlung in den Wind geschlagen wurde.

Vielleicht wird ja nach dem 25. Jänner noch einmal darüber nachgedacht.