Abgerüstet

Ausgerechnet die FPÖ fährt beim Bundesheer einen knallharten Sparkurs

Ausgerechnet die FPÖ fährt beim Bundesheer einen knallharten Sparkurs.

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Fachkräfte aus Drittländern ins Land zu holen, zählt nicht zu den Prioritäten der FPÖ. Mit Kubanern sollte die Partei aber womöglich eine Ausnahme machen. Deren Virtuosität, Oldtimer aus der Zeit vor der 1958er-Revolution am Leben zu halten, könnte das von der FPÖ geführte Bundesheer gut gebrauchen. So mancher „Puch“ und „Pinzgauer“ kurvt seit über 40 Jahren über die Truppenübungsplätze. Und geht es nach den aktuellen Budgetplänen, war das erst die Halbzeit. Wenn Bremsbeläge ausgehen, helfen auch Kubaner nichts mehr. Dann herrscht Stillstand.

Es sind nicht die üblichen Sorgen um die Eurofighter, die hinter dem jüngsten Weckruf von Alexander Van der Bellen stecken, sondern solch erdige Szenarien am Boden. Der Bundespräsident warnte vor einem „massiven Investitionsstau“ und „erschöpften Kapazitäten“. Konkret werden die überfälligen Anschaffungen von neuen Lkw, Bussen und gepanzerten Fahrzeugen, um Truppe und Gerät zu bewegen, mit vier bis sechs Milliarden Euro veranschlagt. Dazu kommen zwei Milliarden Euro für Gebäudesanierungen.

Zusammengerechnet beinahe das Vierfache des jährlichen Verteidigungsbudgets – Eurofighter-Nachfolge nicht eingerechnet.

Würde unter einem roten Minister derart gekürzt: Okay. Aber unter einem blauen? Wo ist die selbst ernannte Sicherheitspartei? (Ehemaliger General aus dem ÖVP-Lager)

Im reinen Budget wird der Stau nicht aufgelöst, sondern verlängert. Ab 2021 sinkt laut aktuellem Pfad der Anteil der Militärausgaben von 0,6 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf knapp unter 0,5 Prozent. Klingt harmlos. Ein privates Unternehmen würde bei diesem Minus aber in Konkurs schlittern. Denn die Fixkosten des Bundesheeres für Personal, Strom oder Sprit fressen dann die Einnahmen mehr als auf. Von neuen Anschaffungen ganz zu schweigen.

Entwicklung österreichischer Verteidigungsausgaben in % des BIP, Kontrast zu EU-15 und vergleichbaren Ländern

Beim Militär wird seit 20 Jahren gespart. Doch selten war der Ausblick derart düster. Und das mit einem FPÖ-Politiker und Berufssoldaten an der Heeres-Spitze: Verteidigungsminister Mario Kunasek.

Als Oberster Befehlshaber ist Van der Bellen der Sorge um die Truppe verpflichtet. Trotzdem wirkt es wie ein Treppenwitz der Geschichte, wenn ein grüner Präsident der selbst ernannten Sicherheitspartei FPÖ den Marsch bläst. Nicht nur der Präsident ist besorgt. An allen Ecken rumort es mit Blick auf den Budgetknick ab 2020. Der Generalmajor der Miliz und Chef der Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien, Erwin Hameseder, meint: „Nur zu sparen, das geht einige Jahre gut. Aber die sind längst überschritten. Schon jetzt sind höchst notwendige Investitionen kaum mehr möglich. Beim derzeit vorgesehenen Budgetansatz sind ab 2021/22 neue Investitionen de facto ausgeschlossen. Ein unhaltbarer Zustand!“ Ein ehemaliger General aus dem ÖVP-Lager meint: „Würde unter einem roten Minister derart gekürzt: Okay. Aber unter einem blauen? Wo ist die selbst ernannte Sicherheitspartei?“ Er lässt auch die ÖVP nicht aus der Verantwortung: „Es ist unheimlich, wie sehr sie der FPÖ den Sicherheitsbereich überlasst.“

Tatsächlich schweigt die ÖVP eisern zur Verteidigungspolitik. Eine Anfrage an die ÖVP-Zentrale und den Generalsekretär, Karl Nehammer, der selbst Milizoffizier ist, bleibt unbeantwortet. Kein Wunder: Die ÖVP hat die FPÖ bei den Budgetverhandlungen abgeräumt. Die FPÖ war mit der Forderung von einem Prozent des BIP oder fast vier Milliarden Euro fürs Bundesheer jährlich erst in den Wahlkampf und später in die Regierungsverhandlungen gegangen. Ein Prozentsatz, der schon von der „Zilk“-Kommission (nach dem Wiener Alt-Bürgermeister benannt) im Jahr 2010 als realistischer Wert postuliert worden war. Geworden ist es mit 0,5 Prozent am Ende der Legislaturperiode die Hälfte.

Pferde statt Hubschrauber

Für die ÖVP sprachen zwei Gründe gegen die finanziellen Wünsche der FPÖ: das Ziel rasches Nulldefizit und die Begehrlichkeiten des mächtigeren FPÖ-Politikers Herbert Kickl. Der blaue Innenminister konnte sich schon für 2018 einen nennenswerten Anstieg seines Budgets ausverhandeln. Das Bundesheer musste warten. Kickl darf sich sogar ein Denkmal in Form einer berittenen Polizei setzen. Bezeichnend: Die Pferde werden vorerst in den Stallungen der Militärakademie in Wiener Neustadt untergebracht und ausgebildet. Strategisch ist der Fokus der Regierung auf die Polizei sinnvoll. Deren Arbeit ist täglich sichtbar. Ist die Polizei das Türschloss, das täglich funktionieren muss, stellt das Heer die Haushaltsversicherung für Schäden dar, die vielleicht nie eintreten.

Aber es ab dem Jahr 2021 derart auszuhungern?

Als wäre er bei den Budgetverhandlungen auf Urlaub gewesen, vollzieht Kunasek ein gewagtes Manöver. Er pflichtet Van der Bellen vollinhaltlich bei. Der Investitionsstau sei riesig und so rasch als möglich aufzulösen. Er will nun Sonderbudgets herausschlagen, das sei auch bei früheren Ministern Usus gewesen. „Die Ausgaben sinken sicher nicht ins Bodenlose.“ (siehe Interview) Derzeit verhandelt Kunasek mit dem ÖVP-Finanzminister über eine neue Hubschrauber-Flotte für den Stützpunkt Aigen im steirischen Ennstal. Die Priorität überrascht trotz der langen Einkaufsliste nicht. Kunasek ist Landesobmann der steirischen FPÖ und will Aigen unbedingt halten – auch mit Blick auf die steirischen Landtagswahlen. Bei der ersten Verhandlungsrunde mit den Beamten des Finanzministeriums holte er sich aber eine Abfuhr – mit dem trockenen Hinweis auf die hohen Kosten, die dann für Betrieb und Wartung anfallen. Auf düstere Prognosen für die Zeit jenseits des Jahres 2020 lässt sich Kunasek aber erst gar nicht ein. Er gelobt, für das Doppelbudget 2020 und 2021 nachzuholen, was beim ersten Mal nicht gelang – nämlich zumindest drei Milliarden Euro oder 0,7 Prozent des BIP. Die ÖVP wird dann aber nur mehr Geld fürs Heer lockermachen, wenn ihre begonnenen Sparmaßnahmen in anderen Bereichen greifen. Außerdem ist fraglich, ob Kunasek dann noch 100 Prozent bei der Sache ist – im Mai 2020 sind steirische Landtagswahlen. Kunasek will Landeshauptmann werden. Und er kehrt auch dann in die Landespolitik zurück, wenn seine Partei nur auf Platz 2 landet, aber Teil einer Landesregierung wird.

Militärbudgets 2016 in %des BIP, Vergleich zu ausgewählten europäischen Ländern

Wir sind derzeit de facto nicht mobil. (Generalmajor der Miliz Erwin Hameseder)

Bis dahin muss Kunasek die blaue Basis in der Truppe bei Laune halten. Die ist am ehesten bei den 10.000 Berufsunteroffizieren angesiedelt, die Grundwehrdiener ausbilden. „Desolate Kasernen sind sie über die Jahre gewohnt. Wirklich schmerzhaft wäre es, wenn nur noch bis 15 Uhr ausgebildet werden darf, weil Überstunden untersagt werden. Aber das wird Kunasek nicht zulassen“, beschreibt der blaue Gewerkschafter, Hauptmann Manfred Haidinger „die Untergrenze“ dessen, was der Minister für die eigenen Soldaten bieten muss.

Die Untergrenze dessen, was Österreich für die europäische Sicherheit leisten muss, wird die Republik aus heutiger Sicht deutlich unterschreiten. Im November 2017 hat Sebastian Kurz – damals noch als Außenminister – mit 20 weiteren EU-Staaten die verstärkte Zusammenarbeit der Europäischen Union im Verteidigungsbereich, kurz Pesco, unterzeichnet. Darin verpflichten sich die Staaten, ihre Verteidigungsbudgets, die nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa seit Jahren deutlich gesunken sind, wieder sukzessive zu steigern. Außerdem sollen 20 Prozent der Militärausgaben in neues Gerät investiert werden. In Österreich tendiert die Invest-Quote indes gegen null. Wer gegen die Pesco-Regeln verstößt, muss keine Sanktionen befürchten. Peinlich wäre der Offenbarungseid aber sehr wohl. Denn gerade Kurz drängt darauf, die EU möge sich auf Kernbereiche wie Sicherheit fokussieren. An den aktuellen Auslandseinsätzen wollen weder er noch Kunasek rütteln. Kurz brachte sogar eine künftige UN-Mission in der Ukraine ins Spiel. Und nimmt man den Kampf des Kanzlers gegen Migrationswellen von morgen ernst, wären heimische Militärs noch stärker gefragt, die afrikanischen Herkunfts- und Transitländer zu stabilisieren.

An der Heimatfront machen einflussreiche Militärs wie Manager Hameseder Druck. Er fordert ein noch stärkeres, auch finanzielles Bekenntnis zur Miliz mit ihren 27.000 Soldaten, die für Ernstfälle trainieren und bereitstehen: „Wir sind derzeit de facto nicht mobil.“ Im Regierungsprogramm wird genau das versprochen, und die „budgetäre Bedeckung des Investitionsrückstaus“ obendrein. Der letzte Politiker, der nicht vorgaukelte, nach den Wünschen aller tanzen zu können, war Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ). Er wollte unter anderem die – den Landesfürsten heilige – Militärmusik verkleinern.

Doch bevor das passiert, kommt die Kubaner-Kompanie.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.