profil-Morgenpost

Allein unsolidarisch

Österreich ist dabei, sein Ansehen auf internationaler Bühne zu verspielen.

Drucken

Schriftgröße

Guten Morgen!

Der folgende Satz mag überraschen: Wir Österreicher und Österreicherinnen leben seit vergangener Woche auf einer Insel. Sie haben es gar nicht bemerkt? Blicken wir kurz zurück, wie es dazu kam.

Es geht um diese Karte hier. Sie zeigt, welche Staaten sich zur Rettung von Afghanen und Afghaninnen bekennen. Mehr als die Hälfte der Regierungen weltweit wollen dieser Verpflichtung nachkommen (farbig markiert). Ganz Europa erstrahlt scharlachrot, auch Großbritannien und der Balkan. In der Mitte klafft ein graues Loch: Ungarn, Tschechien und Österreich.

„Österreich findet sich im Verein mit den Nicht-Unterzeichnern wie Russland, China, anstatt an der Seite der USA und der freien Welt. Österreich hat sich entfreundet“, schreibt mein Kollege Robert Treichler in seinem Kommentar.

Es wäre ein symbolischer und außenpolitisch gewichtiger Akt gewesen, die von den USA initiierte Deklaration (hier nachzulesen) zu unterzeichnen und außerdem ganz im Sinne der ÖVP-Parteilinie. Kanzler Sebastian Kurz forderte zuletzt ein „Scharia-Verbot“. Ein inhaltsloser Sager, über den man sich lustig machen kann (und auch sollte). Wenn es nur nicht so ernst wäre. Denn für die Taliban ist die Scharia Gebot, nicht Verbot.

Tragischerweise tut sich für den Kanzler jetzt ein Fallbeispiel auf. Die ÖVP möchte Radikalislamisten, die Frauen auspeitschen und unter die Burka zwängen, den Kampf ansagen? Sie können das schnell und unbürokratisch tun, indem sie ein Kontingent afghanischer Schutzbedürftiger, etwa Frauenrechtlerinnen, aufnehmen. Die EU hat dafür ein eigenes Programm gestartet. Länder, die sich bereiterklären mitzumachen, werden sogar finanziell unterstützt. Der Papst betet für die Aufnahme Schutzbedürftiger. Ausgerechnet die christliche ÖVP will dem Heiligen Vater jetzt nicht zuhören.

Dabei wäre es ein guter Zeitpunkt. Jetzt, wo unisono von der Demütigung des Westens die Rede ist.

Diese Woche jährt sich der 20. Jahrestag der Anschläge des 11. September 2001. Es ist ein Tag, der die Welt verändert hat. Wie, das können Sie auf 50 Seiten in unserer aktuellen Schwerpunktausgabe nachlesen.

Auch Österreich hat sich beim Afghanistan Einsatz beteiligt. Dass es zuletzt nur noch eine Handvoll Soldaten waren, schmälert die Verantwortung nicht. Warum sind Länder wie Kirgistan, Togo, Honduras und Serbien bereit, Menschen aufzunehmen und wir nicht?

Die Antwort ist so einfach wie folgenreich: Minister Schallenberg richtet die Außenpolitik eines ganzen Landes nach den innenpolitischen Bedürfnissen einer einzigen Partei aus. Kurzfristig sichert das ein paar Prozentpunkte von Wählerinnen und Wählern, die sich nicht zwischen Blau und Türkis entscheiden können. Langfristig beschädigt es unser Image auf der internationalen Bühne. Dabei gilt Wien, einer der Hauptsitze der UNO, als Drehscheibe der Diplomatie. Mit Afghanistan hat unser Brückenbauer-Image Risse bekommen.

„Stimmt nicht“, sagte Schallenberg kürzlich in der ZIB 2, „sehr viele gehen einen ähnlichen Weg wie wir.“

Damit hat sich der Außenminister vor allem selbst belogen. Oder hat er die Karte nicht gesehen? Österreich steht mit seiner knallharten Afghanistan-Politik weitgehend isoliert da. Gemeinsam mit Viktor Orbán auf eine Insel in der Mitte Europas.

PS: Hat Ihnen die Morgenpost gefallen? Dann melden Sie sich jetzt an, um Ihren Werktag mit aktuellen Themen und Hintergründen aus der profil-Redaktion zu starten:

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.