Baba Büro: Für immer Homeoffice?
Es waren seltsam unwirkliche Bilder. Menschen, die meisten von ihnen jung und gut gelaunt, die ihren Laptop in einem Strandappartement in Senegal aufklappten. Oder auf einer verschneiten Berghütte. Die globale mobile Elite arbeitet, wo es ihr passt, lautete die Botschaft aus dem Leben der Glücklicheren. Wenn Visionäre wie der israelische Start-up-Unternehmer Micha Kaufmann, dessen Plattform „Fiverr“ ein globales „Heim für digitale Nomaden“ ins Leben rief, lange vor der Corona-Krise das Homeoffice zum baldigen Normalfall erklärten, schien er vom spleenigen Vergnügen einer auserlesenen Kaste von Wissensarbeitern zu erzählen. Nicht relevant für das Gros der braven, im Büro arbeitenden Menschheit.
Zweieinhalb Jahre Pandemie „haben den Hebel umgelegt“. So formuliert es der Arbeitswelt-Experte Andreas Gnesda im profil-Interview. Als man sich nach dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 in den Bürotürmen und Amtsstuben zwischen Bregenz und Eisenstadt für die Rückkehr an die Schreibtische rüstete und allerorten Desinfektionsständer, Spuckschutz und Abstandsmarkierungen angebracht hatte, war die Überraschung groß – denn der Rückstrom blieb aus. Vielen war die Lust auf das gute alte Büro vergangen. In zahlreichen Unternehmen sind bis zum heutigen Tag „niemals mehr als 30 bis 40 Prozent der Mitarbeiter gleichzeitig da“, so Gnesda. Man muss kein Visionär mehr sein, um die Zeichen der Zeit zu lesen: Das Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Quer durch das Land. Und quer durch viele Branchen.
Es ist vor allem für Kopfarbeiter eine Option. Etwa jede und jeder zweite Beschäftigte arbeitet hierzulande im Büro, davon haben rund 80 Prozent während der Pandemie ihren Arbeitsplatz irgendwann nach Hause verlegt, das sind in Summe 40 Prozent der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Im Umkehrschluss heißt das: Sechs von zehn waren nicht im Homeoffice, weil – so sagen Studien – es ihr berufliche Tätigkeit nicht erlaubt, daheim zu arbeiten. Pflege, Gesundheit, Gastronomie, Handel, Gewerbe, Produktion, Logistik, Lager, Reinigung, Sicherheit: Im Homeoffice ist längst nicht für alle Platz. In vielen Branchen mussten die Beschäftigten weitermachen wie zuvor – und arbeiteten mitunter auch noch härter und länger.
Das führt zu Spannungen innerhalb von Belegschaften. Denn auch Schichtarbeiter würden gerne mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Beim oberösterreichischen Automatisierungstechnik-Unternehmen B & R kommt man ihnen mit Gleitzeit, Fahrgemeinschafts-Apps und Betriebskindergarten entgegen. Aber, so Jörg Theis, Vorstandsvorsitzender von B & R: „Homeoffice in der Fabrik kriegen wir nicht hin.“
Franz Binderlehner sitzt im Vorstand der gewerkschaftsnahen Organisation „vidaflex“, die Ein-Personen-Unternehmen in der Reinigung, im Gastgewerbe oder in der 24-Stunden-Pflege betreut. Er hält den Durchbruch des Homeoffice für eine „Revolution der privilegierten Klasse“. Doch die Folgen reichen weit über die Bürowelt hinaus.
Sie verändern die Einstellung zur Arbeit, die Gestaltung der Büros, Verkehrsströme und in vielleicht nicht allzu ferner Zukunft auch das Aussehen der Städte und den ländlichen Raum. Eine Erkundung in zehn Stationen.
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