Abgangarten: schwarze Irrtümer, rote Parteifeindschaften
Abgang kraft Pensionierung: Auch für unsere Politiker tickt die Uhr. Wer bis ins hohe Alter politisch tätig bleiben will, sollte versuchen, Bundespräsident zu werden. Für Nichtpolitiker liegt das gesetzliche Pensionsantrittsalter bei 65 Jahren (Männer) beziehungsweise 60,5 Jahren (Frauen). Sozialdemokratische Politiker lehnen eine Erhöhung kategorisch ab – und gehen daher selbst fast stichtagsgenau ins Ausgedinge, wie am Mittwoch Ex-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (62) und der frühere Sozialminister Alois Stöger (64). Die ÖVP-Wirtschaft vertritt hingegen die Auffassung, Arbeitnehmer müssten zukünftig länger arbeiten. Ihr ehemaliger Klubobmann und früherer Zweiter Nationalratspräsident, Karlheinz Kopf, lebt es vor. Er wechselt mit 67 Jahren und nach 30 Jahren im Parlament – ein Rekord-Durchrechnungszeitraum – in die Pension.
Abgang nach Ablauf: Vor allem in der ÖVP müssen sich viele Abgeordnete mit dem Ablauf der Legislaturperiode verabschieden. Der Grund liegt in simpler Arithmetik. Mit der Wahl am 29. September wird die ÖVP rund ein Viertel ihrer derzeit 71 Abgeordneten verlieren. Viele davon verdanken ihr Mandat Sebastian Kurz und dessen Wahlerfolgen 2017 und 2019. Kurz hat’s gegeben, Nehammer wird’s verspielen. Immerhin durften sie ihre Zeit im Parlament auskosten. Die Gesetzgebungsperiode dauerte wie vorgesehen fünf Jahre und wurde nicht wie gewohnt durch Neuwahlen verkürzt. Überdies handelte es sich aufgrund der Schaltjahre 2020 und 2024 um die längste Gesetzgebungsperiode der Zweiten Republik.
Unfreiwilliger Abgang: Sebastian Kurz trat vor zwei Jahren, am 11. Oktober 2021, unfreiwillig als Kanzler zurück. Auch Kurz’ kraftprotzender Unterstützer, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, 68, hätte gern weitergemacht, doch fand sich für ihn kein Listenplatz. Immerhin bleibt ihm ein letzter großer, entsprechend zu zelebrierender Auftritt. Sobotka wird die konstituierende Sitzung des neuen Nationalrats am 24. Oktober mit Aplomb leiten, bis sein Nachfolger gewählt ist.
Freiwilliger Abgang: Wer es sich verbessern kann, verlässt wie Finanzminister Magnus Brunner sein Amt leichten Herzens. Wer dann erkennen muss, dass er es sich doch nicht verbessert, sondern EU-Kommissar für Migration wird, könnte seinen Abgang bereuen. Max Lercher, SPÖ, schied am Mittwoch bestens gelaunt aus dem Nationalrat. In seiner letzten Rede bedankte er sich „auch für die tollen Feindschaften“ im eigenen Klub. Bei der Landtagswahl in der Steiermark am 24. November kandidiert er auf einem sicheren Listenplatz.
Abgang nach Zwang: Zum Rücktritt gedrängt werden in der Regel Parteichefs, die ÖVP hat hier eine gewisse Tradition. Aber auch die SPÖ-Vorsitzenden Alfred Gusenbauer, Werner Faymann und Pamela Rendi-Wagner schieden auf internen Druck aus der Politik. Vielleicht erfährt diese rote Tradition bald eine Fortsetzung.
Abgang nach Wählerschwund: Die höchste Fallhöhe haben naturgemäß Bundeskanzler. Vom Volk abgewählt wurden etwa Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Jahr 2006 und Christian Kern (SPÖ) 2017. Kern soll – wird gemunkelt – Lust auf ein politisches Comeback haben. Karl Nehammer dagegen könnte das Kunststück glücken, zwar die Wahl zu verlieren, aber als Zweiter trotzdem Kanzler zu bleiben.